Um zwölf Hektar Baufläche (rot umrandeter Bereich) will die Stadt Ostfildern den Stadtteil Nellingen Richtung Westen erweitern. Foto: Stadt Ostfildern - Stadt Ostfildern

Von Harald Flößer

Ostfildern - Vage Pläne für eine West-Erweiterung des Ostfilderner Stadtteils Nellingen existieren seit Jahren. Nun nimmt das Vorhaben erstmals konkrete Formen an. Bei einem von der Stadt ausgeschriebenen Ideenwettbewerb haben sieben Architekten Konzepte entwickelt, wie man das etwa zwölf Hektar große Gelände westlich der Rinnenbachstraße so bebauen könnte, dass in verschiedenen Abschnitten neuer Wohnraum für bis zu 1000 Menschen entsteht. Mit den Arbeiten sei man sehr zufrieden, sagte Baubürgermeisterin Monika Bader gestern, als sie zusammen mit Ostfilderns Stadtplaner Karl-Josef Jansen die besten Entwürfe vorstellte.

Einen Sieger vermochte das Preisgericht nicht zu küren. Denn keiner der eingereichten Entwürfe entsprach allen Vorgaben der Jury (siehe Infobox). Was Bader nicht verwundert, denn die Aufgabe sei sehr komplex. Alle prämierten Planer wurden aufgefordert, ihre Vorschläge noch einmal zu überarbeiten. Den zweiten Platz teilen sich die Büros Holl Wieden Partnerschaft und H2R Architekten und Stadtplaner BDA (München). Platz 3 belegte die g2o Architekten GmbH aus Stuttgart.
Ein zentrales Ziel sei, am Ortsrand von Nellingen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sagte Baubürgermeisterin Bader. Gerade im verdichteten Großraum Stuttgart sei das eine wichtige kommunale Aufgabe. Die landwirtschaftlich genutzten Flächen sind bislang in privater Hand. Deswegen werde man nun bald mit Grundstücksverhandlungen beginnen.

Unterschiedliche Bautypen

Alle drei prämierten Entwürfe haben laut Bader gute Ansätze. Am Konzept des Büros Holl Wieden Partnerschaft gefiel der Jury, dass es sich von den Maßstäben gut in die bestehende Bebauung einfügt und unterschiedliche Bautypen vorsieht, die sich um kleine private und öffentliche Höfe gruppieren. Besonders positiv wurden die Ränder des Entwurfs bewertet, im Norden und Osten als Lärmschutz konzipiert und im Westen als Kante zur Landschaft. Alle öffentlichen und halböffentlichen Funktionen wie Pflegeheim oder Kita befinden sich an einem zentralen Platz, in den die Hindenburgstraße mündet. Das interne Erschließungssystem als Ringstraße mit zwei Anbindungen an die Rinnenbachstraße sehen die Juroren als „etwas hakelig“.

Die Arbeit von H2R Architekten und Stadtplaner BDA umfasst zwei Baufelder mit unterschiedlicher Dichte. Im Süden passt man sich dem Bestand an, während man im Norden und Westen mit bis zu acht Geschossen nach Ansicht der Preisrichter über das Ziel hinausschießt. In den Quartieren werden kleinere Strukturen in Form von Atrium- oder Kettenhäusern geschaffen. Besonders gelungen sind laut Jury der Westrand mit seinen Punkthäusern (vier plus Dachgeschoss) und der neue Stadtplatz in Verlängerung der Hindenburgstraße. Schwächen weist der Entwurf in der inneren Erschließung des Nordteils auf.

Am Konzept der g2o-Architekten GmbH lobt das Preisgericht die „gut erfassbaren räumlichen Strukturen“, die sich entlang der U-förmigen Erschließung im Nordteil des Gebietes abschnittweise entwickeln lassen. Dagegen halten die Juroren den Platz, der am Ende der Hindenburgstraße entstehen soll, für wenig überzeugend. Insgesamt ermögliche das Konzept aber „ein sehr differenziertes Wohnangebot mit Stärken in der Erschließung und im Hinblick auf die künftige Mobilität“.

Zweitgrößtes Siedlungsprojekt

Vor der Sommerpause werde das Preisgericht nochmals tagen und dann auch eine Entscheidung treffen, sagte Baubürgermeisterin Monika Bader. Wie schnell sich das Baugebiet realisieren lässt, ist derzeit nicht abzuschätzen. „Wenn es gut läuft, vielleicht in fünf Jahren“, meint Stadtplaner Karl-Josef Jansen. Doch sei das sicher eine optimistische Schätzung.
Nach dem Scharnhauser Park, in dem mittlerweile ungefähr 9000 Menschen leben, wäre Nellingen West das zweitgrößte Siedlungsprojekt in der Geschichte der Stadt Ostfildern. Ebenfalls deutlich erweitert werden soll die Parksiedlung. Im nord-westlichen Bereich des Stadtteils soll neuer Wohnraum für etwa 300 Menschen geschaffen werden.

Details zur geplanten West-Erweiterung von Nellingen

  • Das Gebiet „Nellingen West“ hat eine Größe von etwa zwölf Hektar. Ein Teil davon ist im Flächennutzungsplan als Mischgebiet ausgewiesen, Davon rücke man ab, erklärt Stadtplaner Karl-Josef Jansen. Geplant sei nun ein allgemeines Wohngebiet auf der gesamten Fläche.
  • Die Vorgaben für die Teilnehmer des städtebaulichen Ideenwettbewerbs: Die Kreuzbrunnenstraße soll verlegt werden und künftig parallel zur Stadtbahn-Linie verlaufen. Vorgesehen ist eine Dichte von 90 Wohneinheiten pro Hektar. Das entspricht einem regionalen Wohnungsbauschwerpunkt. Etwa 30 Prozent der Wohnflächen sind für Menschen mit kleinerem Geldbeutel gedacht. Diese Wohnungen sollen in die einzelnen Quartiere eingestreut werden. Das gesamte Baugebiet muss sich ferner in verschiedene Abschnitte untergliedern lassen.
  • Weitere Bedingungen: Die Entwürfe müssen ein Pflegeheim und eine Kindertageseinrichtung enthalten. Zudem sollen Flächen für den Einzelhandel eingeplant werden. Ausgeschlossen wird laut Stadtplaner Jansen allerdings ein Supermarkt. Denn man wolle den Geschäften in der Hindenburgstraße keine Konkurrenz machen. Die interne Erschließung soll Schleichverkehr unterbinden.
  • Dem Preisgericht gehören je ein Mitglied der im Ostfilderner Gemeinderat vertretenen Fraktionen an, außerdem Baubürgermeisterin Monika Bader, Stadtplaner Karl-Josef Jansen, Landschaftsarchitektin Susanne Burger (München) sowie die Architekten Rainer Hofmann (München), Sacha Menz (Zürich), Leonhard Schenk (Konstanz/Stuttgart) und Sophie Wolfrum (München/Karlsruhe).