Bis zu 400 000 Euro kostet so ein ferngesteuerter Roboter, der in Nellingen entwickelt und produziert wird. Quelle: Unbekannt

Von Harald Flößer

Firmen aus der Rüstungsindustrie kämpfen gemeinhin gegen ein schlechtes Image. Denn sie helfen, Gewalt zu verbreiten und Kriege zu führen. Telerob aus Ostfildern gehört zwar auch zu dieser Branche, aber das Unternehmen steht sozusagen auf der anderen Seite. Denn es trägt mit seinen Produkten dazu bei, dass Katastrophen verhindert werden: vor allem mit modernsten Robotern, die dazu eingesetzt werden, Sprengkörper zu entschärfen. Aber auch mit zum Teil schwer gepanzerten Einsatzfahrzeugen und intelligenten Systemlösungen. Dass diese hoch komplexen Geräte und Maschinen zur Zeit gefragter sind denn je, verwundert nicht. Denn die Bedrohungsszenarien nehmen weltweit zu. Gerade nach terroristischen Anschlägen wie jüngst im spanischen Barcelona mehren sich bei der in Nellingen ansässigen Gesellschaft für Fernhantierungstechnik mbH die Anfragen. „Wir profitieren ganz direkt vom wachsenden Bedürfnis nach mehr Sicherheit“, sagt Thomas Biehne, der bei Telerob zusammen mit Norbert Gebbeken die Geschäfte führt.

Marktführer in Europa

Auch wenn große Events wie Olympische Spiele, Weltmeisterschaften oder ein Gipfel der großen Industrienationen anstehen, fallen mehr Aufträge für das rund 70 Mitarbeiter zählende Unternehmen an. Die modernen Systeme aus Ostfildern sind auf dem gesamten Globus gefragt. Es gibt vor allem in den USA starke Konkurrenten. „Aber in Europa sind wir die absoluten Marktführer“, sagt Biehne. Und für die sprichwörtliche deutsche Ingenieurskunst griffen viele gerne etwas tiefer in die Tasche. Stolz ist der Geschäftsführer darauf, dass die kanadische Armee, die international in vielen Krisenregionen engagiert ist, nach der Bundeswehr der zweitgrößte Kunde ist.

Die Wurzel von Telerob gehen auf eine Kooperation der Nellinger Firma Bilz und dem Unternehmen MAK aus Kiel im Jahre 1988 zurück. Zwei Jahre nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl sollte man für die deutschen Kernkraftwerksbetreiber ein schweres Manipulatorfahrzeug (SMF) zu entwickeln. MAK entwickelte und fertigte in Kooperation mit dem Präzisionsmaschinenbauer Bilz bis 1991 ein weltweit einzigartiges, ferngesteuertes Räum- und Bergungsfahrzeug für Sicherungsmaßnahmen nach möglichen Störfällen. Um die gemeinsam entwickelten Kompetenzen und Technologien weiter sinnvoll nutzen zu können, gründeten MAK - zu diesem Zeitpunkt schon ein Tochterunternehmen der Rheinmetall AG - und Bilz 1994 die Telerob Gesellschaft für Fernhantierungstechnik mbH.

Mit der Eingliederung der Meltron Sicherheitstechnik aus Korschenbroich legte man noch im gleich Jahr den unternehmerischen Schwerpunkt auf Produkte für Kampfmittelräumung und Entschärfung. Parallel dazu wurden weiterhin Manipulatoren für kerntechnische und industrielle Anlagen entwickelt und produziert. Ein Markstein in der Firmengeschichte war 1998 die Entwicklung des Roboters tEODor (telerob Explosive Ordnance Disposal and observation robot), der sich als Alleskönner schnell zum Erfolgsmodell mauserte. Mittlerweile sind weltweit mehr als 500 dieser Roboter im Einsatz.

Ausgeklügelte Sensorik

In den Folgejahren änderten sich die Besitzverhältnisse mehrfach. Zeitweise war Telerob Teil des britischen Großkonzerns Cobham plc. Und seit 2016 ist es wieder ein eigenständiges und inhabergeführtes Unternehmen mit Sitz in Nellingen. 15 Ingenieure sorgen dort dafür, dass die Produkte stetig weiterentwickelt werden. „Das sind absolute Spezialisten“, sagt Geschäftsführer Gebbeken. „Was die hier machen, ist die Krönung der Automatisierungstechnik.“

Roboter wie tEODor sind Hightech pur. Sie müssen möglichst klein und möglichst leicht sein, um ferngesteuert überall bedrohliche Objekte schnell und wirkungsvoll entschärfen zu können. tEODor hat dazu einen besonders kräftigen Arm, mit dem sich vollautomatisch ein Werkzeugwechsel vollziehen lässt, diverse Schussapparate (Disrupter), aber auch ausgeklügelte Sensoren, mit denen sich die bedrohlichen Objekte wie mit einem Röntgenapparat durchleuchten lassen. Gesteuert werden kann es bis zu einer Entfernung von einem Kilometer. Diese hochmoderne Technik hat natürlich ihren Preis. Zwischen 250 000 und 400 000 Euro müssen Kunden - zu 95 Prozent sind das Polizei oder Militär im jeweiligen Land - für einen solchen Roboter investieren.

Nicht minder erfolgreich ist Telerob mit seinen Telemax-Modellen, programmierbaren und hoch flexiblen Manipulatoren, die über sieben Achsen und einem Vier-Ketten-Laufwerk verfügen. Den Telemax Pro habe man zusammen mit der Bundespolizei eigens für die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland entwickelt, berichtet Thomas Biehne. Er ist vor allem für den Einsatz in Flugzeugen, Bussen und Zügen gedacht.

20 Millionen Euro Jahresumsatz

Der Jahresumsatz von Telerob liegt bei rund 20 Millionen Euro - Tendenz steigend. Vor allem in den USA sehen die beiden Geschäftsführer noch ein enormes Potenzial. Doch es gibt noch viele andere Märkte. Ein großes Sicherheitsbedürfnis gebe es auch überall dort, wo Öl und Gas gefördert wird, berichtet Geschäftsführer Thomas Biehne. Deswegen habe man auch im Mittleren Osten einen starken Fußabdruck. „Diese Region mag immer das Neueste und Beste.“

Außer den kundenspezifischen Lösungen für Geräte und Fahrzeuge bietet das Nellinger Unternehmen seinen Kunden einen weltweiten Service. Oftmals kommen die Spezialisten wie Kampfmittelbeseitiger auch nach Nellingen, um sich dort in einer Testumgebung an den Geräten und Fahrzeugen schulen zu lassen.