Erst der Tod ihrer Kinder Romeo und Julia bringt die Eltern Montague und Capulet dazu den Streit zwischen den Familien beizulegen. Foto: Eisenhardt - Eisenhardt

Die 40 Darsteller um die beiden jungen Hauptrollen begeistern das Publikum im Aichtaler Naturtheater. Dabei wird der große Klassiker mit einigen modernen Elementen frisch aufgepeppt.

AichtalDie Geschichte des wohl berühmtesten Liebespaares der Weltliteratur bringt das Ensemble des Naturtheaters Grötzingen in diesem Jahr auf die Bühne: Shakespeares Romeo und Julia. Für die Vorstellungen auf dem Galgenberg entschied sich Regisseur Jürgen Lingmann, der zudem Schauspieler und Choreograf ist, für die Übersetzungsfassung von Shakespeare-Forscher Frank Günther, der laut Lingmann „vor allem das Volksnahe und Derbe in Shakespeare sieht und das auch zum Ausdruck bringt.“ Allein die klassische Sprache des Stücks ist eine große Herausforderung, wie sich während der Proben zeigte. Mit Bravour meisterten die Laiendarsteller diese bei der gelungenen Premiere am Samstagabend. Locker gingen die Textzeilen über die Lippen.

In den Titelrollen glänzten Ronja Feldmaier als Julia Capulet und Johannes Scheufele als Romeo Montague. Gerade einmal 18 und 17 Jahre alt sind sie, erstmals stehen sie nach vielen Jahren in der Kindertruppe des Naturtheaters im Erwachsenenstück auf der Bühne – und dann gleich in den Hauptrollen. Sehr überzeugend mimen sie das junge Liebespaar aus Verona, dem der tief verwurzelte Zwist zwischen ihren verfeindeten Familien eine offene Liebe unmöglich macht. So endet die Geschichte im selbst gewählten Tod der Liebenden. Erst dieser bringt die trauernden Familienmitglieder zur Vernunft und lässt sie den Streit begraben.

40 Darsteller sorgen für beste Unterhaltung. Drei feste Elemente dienen als Kulisse für die Tragödie: neben dem imposanten zweistöckige Palazzo der Familie Capulet die Kirche, in der Franziskanermönch Bruder Lorenzo (Kai Feldmaier) das junge Liebesglück heimlich traut, nachdem sie sich am Tag zuvor auf der rauschenden Maskenparty im Hause Capulet Hals über Kopf ineinander verliebt haben. Graf Paris (Stefan Pollok), der bei den Capulets um die Hand ihrer Tochter angehalten hatte, hat da schlechte Karten. Mitwisserin und gewitzte Helferin ist Julias Amme (Kerstin Schürmann), die allzeit nur das Beste für ihren Schützling möchte. Dank Drehbühne befindet sich auf der Rückseite der Kirche die Familiengruft der Capulets, in der die Tragödie mit dem Tod Romeos und Julias ihren Höhepunkt findet. Für das Bühnenbild ist erstmals Kathrin Younes verantwortlich, beim Bühnenbau haben Reinhard Kopp und sein Team hervorragende Arbeit geleistet.

Gleich zu Beginn ist ordentlich etwas los auf der Bühne, als die Diener der verfeindeten Häuser Capulet und Montague auf dem Marktplatz Veronas einen Streit anzetteln. Es gibt ein großes Gerangel, Degenklingen werden gekreuzt, Lebensmittel und Blumen der Marktbeschicker fliegen durch die Luft, bis der respekteinflößende Fürst Escalus von Verona (Andreas Kleinknecht) dem Treiben mit deutlichen Worten ein Ende setzt. Romeo hat von dem Tohuwabohu im Gegensatz zu seinen Freunden Benvolio (Julian Platt), der zugleich sein Vetter ist, und dem extravaganten, schillernden Mercutio (Joannis Skempes) nichts mitbekommen. Noch unglücklich in Rosalinde verliebt, bläst der junge Montague stattdessen Trübsal und muss sich von seinem immer etwas vorlauten und spöttischen Kumpel Mercutio einige Sticheleien gefallen lassen.

Um ihn abzulenken, schleppen die Jungs Romeo mit auf die Maskenparty im Hause Capulet, von der sie zufällig erfahren haben. Dass Romeo dort seine wahre Liebe treffen und das Schicksal der beiden seinen Lauf nehmen wird, ahnt zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Graf Capulet (Roland Theurer) hat ordentlich aufgefahren. Ausgelassen getanzt wird nicht zu klassischen Klängen, die gestalterische Freiheit erlaubt das Feiern zum Pophit „Uptown Funk“ von Mark Ronson und Bruno Mars aus dem Jahr 2014. Moderne Elemente fließen auch bei den Kostümen ein, um die sich Petra Hoksbergen (Kostümbild), Assistentin Renate Strittmaier und das Schneiderinnenteam um Helga Puth gekümmert haben. So tragen die älteren Charaktere einen klassischen Zwirn, die Jugend kommt teils sehr cool und lässig daher: Tybalt (Silas Kuhmann), Neffe der Lady Capulet, im schwarzen Lederoutfit mit schwerer Halskette und schwarz geschminkten Augen, Mercutio mit knallbuntem Gewand und lila Haaren. Den Stand der einzelnen Figuren erkennt man an deren Kleidung – mal fällt sie opulent, mal einfach und schlicht aus.

Das Publikum fiebert hörbar mit, als es auf der Bühne zur dramatischen Schlussszene zwischen Romeo und Julia kommt: „Nein, trink das nicht! Julia, wach endlich auf!“, ruft eine Zuschauerin als Romeo in seiner Verzweiflung über Julias scheinbaren Tod das Giftfläschchen ansetzt und einen Schluck nimmt. „Das muss er aber, das steht so im Text“, reagiert ihr Sitznachbar mit einem Schmunzeln in der Stimme. Am Ende applaudiert das Publikum stehend und jubelt lange über die gelungenen Vorstellung. Da war alles mit dabei: Drama, Action, Spannung und eine gute Portion Humor. Der Klassiker aus dem 16. Jahrhundert zieht noch immer.

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