Bürgermeister in Deizisau: Thomas Matrohs Foto: oh - oh

Die Gemeinde Deizisau ist spätabends und nachts vom Fluglärm stärker betroffen als Leinfelden-Echterdingen. Um dies zu belegen, hat Bürgermeister Thomas Matrohs die Flugbewegungen von einem ganzen Jahr ausgewertet. Zwischen 22.30 Uhr und 2 Uhr laufen 68 Prozent des Flugbetriebes östlich des Airports ab. Die späten Postflieger starten fast alle gen Osten.

Von Roland Kurz
Vor einem Jahr war der Lärmschutzbeauftragte des Stuttgarter Flughafens im Deizisauer Gemeinderat und musste sich anhören, wie Bürger und Gemeinderäte vom Fluglärm genervt sind. Bürgermeister Thomas Matrohs hatte damals darauf hingewiesen, dass die Gemeinden östlich des Flughafens abends stärker betroffen seien. Seither ist nichts passiert – von einem Brief abgesehen, in dem Flughafen-Geschäftsführer Walter Schoefer wissen lässt, dass die Deizisauer den Lärm als besonders störend finden, weil es dort ansonsten so leise sei. „So ernst werden wir genommen“, stellte Matrohs im Gemeinderat sarkastisch fest.
Matrohs, der selbst Hobbypilot ist, hat vom Oktober 2016 bis November 2017 die Flugbewegungen anhand der Daten der Deutschen Flugsicherung analysiert. Er kommt dabei zu einem anderen Bild als die Flughafen GmbH. Die hat die Flugbewegungen zwischen 6 und 8 Uhr sowie zwischen 18 und 22 Uhr aufgeschlüsselt. Dabei stellte sie fest, dass morgen der Ost-Betrieb ein minimales Übergewicht hat und abends 55 Prozent der Flüge im Westen abgewickelt werden. Diese Betrachtung sei bewusst selektiv, kritisierte der Bürgermeister.

Zwischen Mitternacht und 2 Uhr spielt sich 90% über Deizisau ab

Von den 108 254 Flugbewegungen, die Matrohs binnen eines Jahres rund um die Uhr ausgewertet hat, fanden 57 621 über Deizisau statt. Das seien 53,2 Prozent, was sich nicht gravierend anhöre, aber faktisch seien es 7000 Schallereignisse mehr als über Leinfelden-Echterdingen. Spätabends verschärft sich die Lage aus Deizisauer Sicht. Zwischen 22.30 und 2.30 Uhr finden 68,3 Prozent der Bewegungen überm Deizisauer Himmel statt. Nimmt man nur den Zeitraum von 23.55 Uhr bis 2 Uhr spielt sich 90,4 Prozent im Osten ab. Das sind zwar werktags lediglich vier Flüge, aber erstens genau zu der Zeit, in der es ansonsten ruhig sei, sagte Matrohs, und zweitens handelt es sich um Starts, also volle Triebwerksleistung. Die Windverhältnisse seien selten so, dass ein Start gen Westen unmöglich sei, sagt Pilot Matrohs.

Deisisau fordert gerechtere Verteilung der Belastung

Der Flughafen und die Deutsche Flugsicherung müssten sich um eine „gerechtere Flugverteilung“ kümmern, fordert der Bürgermeister. Auch bei der Optimierung der Drehpunkte erwarte er vom Flughafen mehr Kooperationswillen. Matrohs kritisierte, dass der Stuttgarter Flughafen ein neues Anflugverfahren nicht nutze, das die Maschine im Gleitflug heranschweben lasse. Er fordert außerdem, dass Deizisau einen Vertreter in die Fluglärmkommission schicken darf.
Die Gemeinderäte lobten das Engagement ihres Bürgermeisters. „Jetzt haben wir was in der Hand“, sagte Petra Theil (Freie Wähler). „Nun ist belegt, was wir subjektiv fühlen“, ergänzte Regine Kaufmann (LED). CDU-Vorsitzender Oliver Krüger blieb pessimistisch: „Ich fürchte, das interessiert den Flughafen nicht.“ Man könne nur auf eine bessere Technik hoffen, also leisere Jets. Hartmut Fischer (Freie Wähler) regte an, über den Gemeindeverwaltungsverband, der sich demnächst mit dem Lärmaktionsplan befasst, eine gemeinsame Stellungnahme an den Flughafen zu senden, um dem Anliegen mehr gewicht zu verleihen.
CDU-Gemeinderat Volker Berner wies noch auf eine andere Lärmquelle hin. Der gewerbliche Lärm, nehme zu. Er höre nachts um 2 Uhr laute Schläge aus Richtung Plochinger Hafen.

Mehr Infos zu den Flugbewegungen

Auf der Seite der Deutschen Flugsicherung lassen sich die Flugbewegungen über dem Stuttgarter Flughafen live anschauen und aufzeichnen.