Nachbarn, Freunde und Bekannte haben am Tag nach dem Tod der 32-Jährigen Blumen vor dem Haus der Familie in Reichenbach abgelegt. Die Tat hat die Menschen in der Filstalgemeinde sehr bewegt. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Ein 34 Jahre alter Familienvater, der seine Ehefrau Ende Februar in Reichenbach erwürgt haben soll, war nach Einschätzung eines Sachverständigen voll schuldfähig – trotz Alkoholkonsums und einer äußerst emotional geladenen Situation. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sagte gestern im Mordprozess vor dem Stuttgarter Landgericht aus.

Von Sabine Försterling
„Wer ist der Liebhaber meiner Frau?“ Diese Frage habe den Angeklagten immer und immer wieder umgetrieben und das auch am Tattag, meinte Stephan Bork. Der psychiatrische Sachverständige hatte sich erst einen Tag nach dem Prozessbeginn im Oktober (wir berichteten) zum ersten Mal mit dem 34-Jährigen, dem der Mord an seiner zwei Jahre jüngeren Ehefrau vorgeworfen wird, unterhalten können.
Zuvor hatte der Familienvater jede Zusammenarbeit verweigert und auch im Verfahren zum Tathergang geschwiegen. Er sei nun überrascht von dem mehrstündigen und sehr intensiven Gespräch in der Untersuchungshaft in Stammheim gewesen, sagte Bork und gab zunächst wieder, was der Angeklagte ihm erzählt hatte: Ab Frühjahr 2016 habe sich seine Frau verändert und sei immer mehr auf Distanz gegangen. Im November habe der Familienvater entdeckt, dass die Mutter seiner beiden Kinder einen Liebhaber hatte und es habe immer wieder Streit gegeben. Wobei die 32-Jährige den Angeklagten provoziert und beschimpft haben soll. „Sie hat mit meinen Nerven gespielt“, berichtete der Gutachter weiter von den Aussagen des Mannes. Am 7. Januar soll die Ehefrau mit Tabletten einen Suizidversuch begangen haben.

Unklarheit über die Zukunft

Der Angeklagte habe ein großes Bedürfnis nach Klarheit und Eindeutigkeit und daher darunter gelitten, dass er nicht wusste, wer der Liebhaber war und es anscheinend kein Ja oder Nein zu einer Trennung gegeben habe, meinte Bork. Körperliche Übergriffe, von denen Zeugen berichtet hatten, soll der 34-Jährige bestritten haben.
In der Nacht des 26. Februars eskalierte die Situation. Die Ehefrau war nach einem Treffen mit ihrem Liebhaber, das dieser im Prozess bestätigt hatte, ins gemeinsame Haus zurückgekehrt. Der 34-Jährige, der zu diesem Zeitpunkt rund zwei Promille Alkohol im Blut hatte, hat laut Bork zugegeben, die Mutter seiner Kinder geohrfeigt und kurz gewürgt, aber sofort aufgehört zu haben. Die 32- Jährige, die ein Glas Wasser verlangt habe, sei dann nach draußen geflohen, habe an der Tür des Nachbarhauses geklingelt und geschrien. Da will der Angeklagte ihr einen Faustschlag ins Gesicht verpasst, sie nochmals gewürgt und dann die Leblose zurück ins Wohnzimmer seines Hauses gebracht haben. Die Notärztin, die aufgrund des Notrufs der Nachbarin kurz nach vier Uhr eingetroffen war, hatte fast eine halbe Stunde lang vergeblich versucht, das Opfer zu reanimieren.
„Weder durch den Alkohol noch durch die emotionsgeladene Situation war der Angeklagte in seiner Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt, sprich vermindert schuldfähig“, meinte Bork. Das zeige bereits der vom 34-Jährigen selbst geschilderte Tatverlauf: Im Wohnzimmer habe er ja erst einmal von seinem Opfer abgelassen, es dann bis zum Nachbarhaus verfolgt und wieder zurück getragen, ob tot oder noch lebendig das spiele bei der Beurteilung keine Rolle mehr. Der Prozess wird kommenden Donnerstag fortgesetzt.