96 Jahre alt ist die erste Patientin, die Professor Andrej Zeyfang in der neuen Klinik für Altersmedizin aufgenommen hat. Die Abteilung kümmert sich auch um die Nebendiagnosen, die ältere Patienten meist mit ins Krankenhaus bringen. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Wenn alte Menschen ins Krankenhaus eingeliefert werden, haben sie häufig nicht nur einen Infarkt erlitten oder den Oberschenkel gebrochen. Sie bringen andere Krankheiten mit wie Diabetes, Infektionen oder Demenz. Dies alles in den Blick zu nehmen, das soll die neue Abteilung für Altersmedizin im Ruiter Krankenhaus leisten. Mit Professor Andrej Zeyfang hat die Medius-Kliniken GmbH einen renommierten Spezialisten gefunden.

Von Roland Kurz

Angesichts der demografischen Entwicklung sei die neue Abteilung eine „gesundheitspolitische Notwendigkeit“, sagte Landrat Heinz Eininger bei der feierlichen Einführung des Chefarztes. Schon im Jahr 2030 werden mehr als 90 000 Bewohner des Landkreises über 70 Jahre alt sein, das entspricht der Einwohnerzahl Esslingens. Die neue Klinik im Haus Ruit wird 20 Betten haben, außerdem sind ihr die acht Betten für Palliativmedizin zugeteilt worden. Er übernehme in diesem Bereich das eingespielte Team von Chefarzt Bodo Klump, freute sich Zeyfang. Auch mit dem „wunderschön“ umgebauten Altbau ist er zufrieden.

Am 2. Oktober hat die Abteilung ihre erste Patientin aufgenommen, eine 96-Jährige. Inzwischen sind es neun Patienten, was gemessen am momentanen Personalstand eine Auslastung von 110 Prozent bedeute, berichtete Zeyfang. Erst Ende des Jahres soll die Abteilung vollständig aufgebaut sein.

Der 55jährige Chefarzt versteht seine Klinik als Akut-Geriatrie, also nicht rein versorgend oder rein rehabilitativ. Das klare Ziel: Die Patienten sollen das Krankenhaus nicht als Pflegefall verlassen, sondern sollen auf den Beinen stehen und noch möglichst lange Zuhause autonom leben. Dazu zeigte der Chefarzt ein Foto seines bislang ältesten Patienten: Ein lächelnder 105-Jähriger, der nach einer Lungenentzündung wieder gesund nach Hause gehen konnte.

Multimorbidität ist das Kennzeichen vieler geriatrischer Patienten. In der klassischen Krankenhaus-Behandlung sei es dann schwer, klare Ziele zu setzen. Deshalb soll beispielsweise der ältere Patient mit Oberschenkelhalsbruch wenige Tage nach der Operation in die Akut-Geriatrie verlegt werden. Dort nimmt der Altersmediziner alles in den Blick. Die interdisziplinäre Behandlung kann von einem ganzen Spektrum an Therapien wie Ergotherapie, Logopädie oder Physiotherapie sowie der Diabetes- und Ernährungsberatung begleitet werden. Der neue Chefarzt, der in Rom studiert hat, ist auch seit vielen Jahren forschend unterwegs. Er leitet die Arbeitsgruppe Diabetes in der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie. Er erstellte auch eine Studie, die sich mit der Vermeidung von Stürzen und Gebrechlichkeit bei Älteren befasst. Die EU, die diese Studie bezuschusste, erteilte ihr die Note vorbildhaft. Aus ihr entsteht derzeit ein Programm für Übungsleiter.

Andrej Zeyfang, der zuletzt Ärztlicher Direktor der Stuttgarter Bethesda-Klinik war, lebt in Ruit. Deshalb hat er die Entwicklung des Ruiter Krankenhauses seit Jahren verfolgt und seine Kollegen kennengelernt. So sei gemeinsam die Idee zur neuen Abteilung gereift, berichtete Christian Herdeg, der Ärztliche Direktor des Ruiter Krankenhauses. Die demografische Entwicklung betrachtet Herdeg als fundamentale Herausforderung an die Kliniken: Sie erfordere interdisziplinäre Arbeit, sprechende Medizin und manchmal auch Barmherzigkeit angesichts des Niedergangs eines demenzkranken Menschen.

Nachgefragt

Professor Andrej Zeyfang leitet die Abteilung für Altersmedizin an der Medius-Klinik Ruit. Leitlinie ist für ihn die ganzheitliche Betrachtung des Menschen.

Welche Schwerpunkte setzen Sie in Ihrer Abteilung?

Zeyfang: Wir schauen ältere Patienten, die mit einer akuten Erkrankung ins Krankenhaus kommen, umfassend an: Welche anderen Erkrankungen und Funktionsstörungen bringt er mit? Liegen Gehprobleme oder Hirnleistungsschwächen vor? Häufig geht es auch um Diabetes, Infektionen von Lungen oder Harnwegen, oder eine Herzschwäche, die mit Wassereinlagerungen verbunden ist. Auch viele Patienten, die gestürzt sind, kommen zu uns. Ziel ist immer, dass der Patient wieder auf die Beine kommt und nicht nach dem Klinikaufenthalt zum Pflegefall wird.

Inwiefern wird sich Ihre Arbeit auf das gesamte Krankenhaus auswirken?

Zeyfang: Durch die Expertise meines Teams werden Patienten, die in anderen Fachabteilungen behandelt werden, ganzheitlich betrachtet. Wenn beispielsweise ein älterer Mensch nach der Operation ein Delir entwickelt, also völlig verwirrt erscheint, sind die Angehörigen meist völlig hilflos. Wir begleiten den alten Menschen während seines Klinikaufenthalts und versuchen, Probleme und Schaden zu vermeiden. Dazu werfen wir einen Blick auf die Medikamente, die von der Altersmedizin durchaus anders betrachtet werden. Häufig sind den Alten zu viele Tabletten verordnet worden. Schön wäre, wenn das ganze Krankenhaus „demenz-sensibel“ denkt.

Auf welche Weise kann denn eine Akut-Abteilung zur Prävention beitragen?

Zeyfang: Nehmen wir das Beispiel Demenz, das Schreckgespenst des Altwerdens. Die gute Botschaft: Wir haben weniger Demenzkranke als erwartet,weil wir gelernt haben, wie man Demenz verhindern kann. Und das hat viel mit der Vorbeugung zu tun, die wir auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfehlen. Alles, was dem Herz und den Gefäßen gut tut, wirkt auch gegen Demenz. Menschen mit Diabetes Typ II haben ebenfalls ein höheres Demenzrisiko. Deshalb gilt es, die Unterzuckerung zu verhindern und dazu tragen wir durch eine altersgerechte Diabetes-Schulung und eine altersgerechte Diabetes-Therapie bei. Alle Patienten meiner Abteilung bekommen eine spezielle Beratung zu Ernährung und Bewegung. Damit wollen wir Gebrechlichkeit verhindern.