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Von Elisabeth Maier

Wegen eines Staus auf der Autobahn zwischen Kirchheim und dem Flughafen hat Renata Alt gestern früh ihr Flugzeug nach Berlin verpasst: „Dabei saß ich um 6 Uhr im Auto.“ Zur ersten Fraktionssitzung der FDP in der Bundeshauptstadt kam die Kirchheimer Stadträtin gerade noch pünktlich. „Ein Chaostag“, blickt die 51-Jährige auf den ersten Tag nach der Bundestagswahl zurück. „Aber die Stimmung war toll, wir alle sind begeistert vom Ergebnis der FDP.“ Alle hätten sich gegenseitig geholfen. Mit den anderen Abgeordneten wählte sie dann Christian Lindner einstimmig zum Fraktionsvorsitzenden.

Im zweiten Anlauf hat es die kommunikative Chemie-Ingenieurin nun geschafft. 9,9 Prozent der Erststimmen im Wahlkreis Nürtingen hat sie bekommen. Bei ihrer ersten Kandidatur im Jahr 2013 hatte sie nur 2,5 Prozent erreicht. „Einige von uns haben ja schon Erfahrung im Bundestag“, sagt die Politikerin. Davon will sie nun profitieren.

Jetzt zieht Alt gemeinsam mit der Rechtsanwältin Judith Skudelny über die Landesliste in den Bundestag ein. Die 41-jährige, die seit 2004 Stadträtin in Leinfelden-Echterdingen ist, kandidierte in Stuttgart. Sie freut sich, dass auch ihre Wahlkreisnachbarin Alt auf Landeslistenplatz 7 im Bundestag dabei ist: „Das macht mich richtig glücklich.“ Skudelny lebt in Leinfelden-Echterdingen, ihre Mutter Heide machte für Renata Alt Wahlkampf. Dass es beide Frauen geschafft haben, findet die engagierte Journalistin wunderbar. „Erst haben wir Renata Alts Plakate geklebt, dann kamen Poster mit Christian Lindner dazu.“ Auf Bundes- wie auf Wahlkreisebene habe diesmal alles gepasst, schwärmt die langjährige FDP-Unterstützerin.

Heide Skudelnys Tochter Judith, FDP-Generalsekretärin in Baden-Württemberg, war von 2009 bis 2013 im Bundestag. Sie hofft, sich dort wieder mit Umweltpolitik beschäftigen zu dürfen. Eine Wohnung in Berlin sucht die zweifache Mutter schon. Ihr Mandat im Gemeinderat will sie behalten. „Die zwei Enkel kommen öfter zu uns, sie wohnen nur 50 Meter entfernt“, sagt Heide Skudelny und lacht. „In unserer Familie dreht sich alles um Politik.“

Auch Renata Alt wird ihren Mann Thomas, der in Kirchheim zwei Friseurgeschäfte hat, seltener sehen. „Für mich geht mit dem Bundestagsmandat ein großer Traum in Erfüllung“, schwärmte sie am Wahlabend. Nah dran an Sorgen der Bürger wollte sie im Wahlkampf sein. Sie verteilte Frühstück an Autofahrer im Stau. Oder sie besuchte Bäckerei-Verkäuferinnen, um deren Probleme zu besprechen. Dieser Einsatz der bodenständigen Ingenieurin hat sich ausgezahlt. Die Unternehmensberaterin kann Menschen gut motivieren, überzeugt mit ihrer Energie.

Treffen mit der FDP-Spitze in Berlin gehören seit 2011 zu ihrem Alltag. Da wurde die ehemalige Diplomatin, die sich für den europäischen Gedanken stark macht, in den FDP-Bundesfachaussschuss für internationale Politik gewählt. An diese Kontakte will die gebürtige Slowakin im Bundestag anknüpfen. Ihre Schwerpunkte werden sich im Januar entscheiden. Eine Wohnung in Berlin brauche sie, denn in Hotels will sie nicht leben. „Frauen brauchen einfach mehr Platz.“ Gestern bekam sie den Sitzungskalender, „das sind viele Termine“. Ständiges Pendeln wäre ihr zu anstrengend: „Mein Mann freut sich auf die Besuche in Berlin.“