Carla Mausch lässt die Flüchtlinge aus unterschiedlichen Kulturen durch kreatives Arbeiten neue Kraft schöpfen. Foto: Bail Quelle: Unbekannt

Von Petra Bail

Das Meißeln und Hämmern ist schon von Weitem zu hören. Kräftige Schläge erfüllen den Hof in der Alten Seegrasspinnerei in Nürtingen. Kalksteinsplitter spritzen von den schlanken Stelen, die sieben junge Männer aus Afghanistan, Kamerun und dem Iran unter Anleitung der Künstlerin und Steinbildhauerin Carla Mausch für das Projekt „Wegzeichen“ im Auftrag der Ökumene Aichtal bearbeiten.

Die künstlerische Idee zu den „Wegzeichen“ und die Idee, die Flüchtlinge einzubinden, hatte Carla Mausch. Neben ihrer handwerklichen Tätigkeit ist sie auch als Dozentin und Kunsttherapeutin tätig. Nach den Worten von Christina Hirt, Pfarrerin der evangelischen Kirche in Grötzingen, war man spontan angetan von dem Gedanken, die jungen Männer emotional aufzufangen.

Finanziert wird das fünf Tage dauernde künstlerisch-soziale Unternehmen durch Spendengelder der Gottesdienste des ökumenischen Arbeitskreises Aichtal und einem Zuschuss von der katholischen Kirche. Die Kosten belaufen sich auf 10 000 Euro. Der Gedanke dahinter ist, in Sichtweite der Aichtalbrücke ein Zeichen zu setzen, einen positiven Gegenpol zu den traurigen Momenten, wenn bei Menschen die innere Kraftquelle versiegt.

Harte Arbeit sind die Flüchtlinge gewöhnt. Das sieht man. Am ersten Tag stürzten sie sich mit so viel Enthusiasmus auf die Steine, dass es blutige Hände gab. Für Farsin Barghi aus dem Iran kein Grund, die Tätigkeit an den Nagel zu hängen. Am nächsten Tag erschien er mit verbundenen Fingern. Auf die Frage, weshalb er das macht, antwortet der 32-Jährige: „Für Gott“. Im Iran wurde der gelernte Schweißer als Christ verfolgt. Vor eineinhalb Jahren suchte er Schutz in Deutschland, wohnte in der Anschlussunterkunft Bonlanden und derzeit als Gast im Pfarrhaus Grötzingen.

Die meisten der Teilnehmer sind Christen. Vier kommen aus Aichtal, einige leben im Camp. Drei Flüchtlinge und die Betreuerin Anneli Bialek sind von der Jugendwerkstatt des Trägervereins Freies Kinderhaus in der Alten Seegrasspinnerei, mit dem Mausch kooperiert hat, da die Beteiligung aus Aichtal zu gering war. Für den Flüchtlingshelfer Klaus Lemke vom Maltester Hilfsdienst nachvollziehbar: „Es gibt kein Geld.“ Die Männer, die teilweise lange Zeit im Camp leben, sind mürbe. Der 19-jährige Afghane Naser Hidari aus dem Camp Stockwiesen erzählt während der Projektarbeit von den Sorgen der Flüchtlinge, krank zu werden oder verrückt. Sie könnten ausziehen, finden aber keine Wohnung. Arbeit gibt es auch nicht. In der Sommerpause findet nicht mal der Sprachkurs statt.

Da ist ein Projekt wie die „Wegzeichen“ umso wichtiger, findet Mausch, zumal hier die christliche Glaubensaussage, „Bei dir Gott, ist die Quelle des Lebens“, künstlerisch und handwerklich umgesetzt wird.

Die Arbeit besteht aus vier Kalksteinstelen, die so angeordnet sind, dass in der Mitte ein Kreuz entsteht. Schriftplatten mit dem Psalm 36 führen den Betrachter Schritt für Schritt und Wort für Wort zu dem „Wegzeichen“. In der Mitte, geschützt und geboren stehend, fühlt der Besucher die ausgearbeitete Wellenform haptisch. „Mit dem ganzen Körper begreifen“, sagt Carla Mausch. „Die Quelle umgibt den ganzen Mensch. Die Stelen weisen zum Himmel und damit zur Quelle des Lebens“, so die Künstlerin, der auch der Zugang zur inneren Kraftquelle wichtig ist. Gerade Personen in schwierigen Lebenssituationen können durch bewusstes In-sich-hineinhorchen neue Kraft schöpfen.

Mausch hat die Stelen einfach konzipiert. Der Stein kann mit ersten Steinmetzarbeiten wie etwa dem Spitzen aufgeschlagen werden. Fähigkeiten lassen sich entdecken, wie bei Enayat Fekrat, der ein Gespür für Stein hat. „Den würde ich sofort als Lehrling einstellen“, sagt Mausch. Die Kunsttherapeutin ist begeistert vom Engagement der Flüchtlinge, die nicht immer so kontinuierlich bei der Stange sind, wie sie aus Erfahrung weiß. Die Männer fahren jeden Tag mit dem Bus von Aichtal nach Nürtingen und stehen pünktlich um neun Uhr auf der Matte. Bis 18 Uhr wird gearbeitet. „Das ist anstrengend.“ Gesprochen wird deutsch, ein Ehrenamtlicher der Jugendwerkstatt macht nebenbei Deutschkurs, es wird gemeinsam gekocht und gegessen. Das Miteinander ist Mausch wichtig. Sie interessiert sich für die Lebensgeschichten, trägt bei allem sozialen Engagement aber doch die ästhetische Verantwortung. Schließlich entsteht so ein Kunstwerk.

Eingeweiht werden die „Wegzeichen“ am Aichtalufer in Grötzingen in der Nähe der Festhalle Aich am 17. September, 10.30 Uhr, im Rahmen eines ökumenischen Gottesdienstes.