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An diesem Donnerstag beginnt im Vatikan das Spitzentreffen zum Thema Missbrauch. Pro Concilio, eine Initiative katholischer Gläubiger im Raum Stuttgart, fordert Veränderung der kirchlichen Strukturen.

EsslingenPriester haben jahrzehntelang Schutzbefohlene misshandelt und sexuell missbraucht – und sie wurden bislang gedeckt. Doch nicht nur der deutsche Klerus ist betroffen, die katholische Kirche weltweit erlebt immer mehr Skandale, die die Spitze nun in Zugzwang bringen. Papst Franziskus hat in den Vatikan gerufen. An diesem Donnerstag beginnt das Spitzentreffen zum Thema Missbrauch, das die Reformer unter den Gläubigen für längst überfällig halten. Zu ihnen gehört auch Pro Concilio, eine Initiative im Gebiet der Diözese Rottenburg-Stuttgart für die Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Monika Koplin aus dem Leitungsteam erklärt, was sich aus ihrer Sicht am System der katholischen Kirche ändern muss.

Frau Koplin, Sie haben sich jahrelang in Kirchengemeinden engagiert – und zwar nach dem Modell der Rottenburger Synode. Was bedeutet das?
Auch eine Laiin oder ein Laie konnte eingesetzt werden zur Leitung der Kirchengemeinde, wenn, wie zu jener Zeit in Esslingen-Zollberg, kein Pfarrer vor Ort war. Ich wurde als stellvertretende Vorsitzende des Kirchengemeinderates zur Sprecherin der Gemeinde gewählt. Der Bischof hat damals zugestimmt.

Das lehnt sich doch an ihr Ziele – mehr Mitspracherecht – an. Weshalb haben Sie dann 2010 Pro Concilio mitbegründet?
Es ist seither viel Zeit vergangen. Ich durfte früher, nach der angesprochenen Synode, auch als nicht Angestellte der Kirche und ohne theologische Ausbildung predigen. Das ist heute anders. Der Raum ist enger geworden für Frauen und die, die keine ausgebildeten Theologen sind.

Wie sieht es in Kirchen in der Region Stuttgart aus, was läuft heute falsch?
Ich kann nicht die Priester angreifen, die die Kirchen vor Ort betreuen, sondern die Kirchenleitung generell, die die Strukturen vorgibt. Die Kirche stellt heute den Priester als etwas besonderes dar und nicht als einen Menschen, der wie jeder andere unter Gottes Führung steht. Dabei kann es sein, dass er zur Schar derer gehört, die vergewaltigen. Und dass das gedeckt wird. Wenn diese Kirche Menschen hat, die anderen die Würde nehmen, indem sie ihnen zu nahe kommen, und ausnutzen, dass sie eine höhere Stellung haben – und wenn diese Menschen nicht vor ein Gericht gestellt werden wie alle anderen Täter in der Bundesrepublik, dann geht das nicht. Das ist nicht gut in dieser Kirche. Das muss unbedingt geändert werden. Das ist nicht biblisch, sage ich einfach. Als Laie. Man muss den Opfern gerecht werden und nicht den Tätern.

Was erwarten Sie von dem Treffen in Rom?
Der Papst will Vorschläge von den Bischöfen und Kardinälen hören. Dabei wird wahrscheinlich nicht gleich etwas herauskommen. Was wir uns bei Pro Concilio erhoffen, ist, dass der Papst landestypische Lösungen zulässt. Und es kann sein, dass Deutschland dann einen anderen Weg geht als zum Beispiel die USA.

Wie müssten sich die Strukturen in Deutschland verändern, damit Missbrauch und Vertuschung so nicht mehr geschehen können?
Dabei geht es nicht nur um Missbrauch, es hängt alles zusammen. Pro Concilio geht es darum, dass sich die Leitung ändert, es mehr Mitspracherecht für Laien gibt und Frauen gleichgestellt sind. Das ist hier nicht gegeben. Dabei sagt Jesus im Matthäus-Evangelium: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“. Die Menschen müssen wirklich spüren: Wir sind etwas wert und da ist nicht einer ganz oben weit weg von uns, der sagt, was gut und böse ist. Miteinander ins Gespräch zu kommen – das wäre schon einmal ganz, ganz wichtig. Das Hierarchiedenken muss abgeschafft werden zugunsten der Gleichwertigkeit von Menschen und von Frauen. Was zum Beispiel die Bundesrepublik ausmacht, ist, dass sie Gewaltenteilung hat. Das muss im Prinzip auch in der Kirche gelten. Außerdem kritisieren wir den Zwang zum Zölibat für Priester.

Welche Reaktionen haben Sie von Kirchenvertretern bekommen?
Wir haben in der Diözese sämtliche Pfarrer und die stellvertretenden Vorsitzenden der Kirchengemeinderäte angeschrieben, ihnen unsere Vorschläge etwa für neue Zugangswege zum kirchlichen Amt geschickt. Es sind 1300 Briefe zurückgekommen und viele haben uns gefragt, warum wir nicht weitere Forderungen stellen. Wir erleben in den Gemeinden, dass es auch unter spirituellen Menschen rumort. Der Rückhalt beflügelt uns. Und inzwischen sagen sogar schon Bischöfe wie Kardinal Reinhard Marx in München: So kann es nicht weitergehen, wir müssen das mit dem Zölibat besprechen und dieses und jenes tun.

Wie sieht das Bischof Gebhard Fürst?
Wir sind mit ihm im Gespräch. Er bringt immer Argumente dafür, das Bestehende erst einmal zu erhalten. Er ist kein Reformer.

Haben Sie schon einmal über den Austritt aus der Kirche nachgedacht?
Nein. Ich stehe hinter meiner Kirche, und Pro Concilio ist in der Kirche. Wir wollen, dass unsere Kirche sich verändert, sonst wird sie sterben. Das ist auch die Aussage des Vatikanums: Die Kirche muss die Gegenwart wahrnehmen. Das heißt nicht, dass wir an den Glaubenszielen rütteln.

Die Fragen stellte Greta Gramberg.

Zu Person und Verein

Monika Koplin wurde 1942 in Berlin geboren, wohnt aber seit 1953 in Süddeutschland und seit 40 Jahren in Esslingen. Die heute 76-Jährige baute das ambulante Hospiz mit auf und leitete es bis zur Rente. Noch immer ist sie in der Begleitung Sterbender aktiv.

Die Initiative Pro Concilio ist dem Internetauftritt zufolge entstanden, nachdem Papst Benedikt XVI. die Exkommunikation von vier Bischöfen der Piusbruderschaft aufhob, darunter die des Holocaust-Leugners Williamson – und viele Gläubige sich fragten, ob sie sich mit ihrer Kirche noch identifizieren können. Von vier ist die Mitgliederzahl auf gut 120 gestiegen. Sie setzen sich unter anderem für das Ende des Pflichtzölibats, Frauenordination und Dezentralisierung ein.