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Im September vergangenen Jahres hatte es in Denkendorf eine Messerattacke auf einen Drogendealer gegeben. Nun stehen zwei junge Männer vor dem Stuttgarter Landgericht.

Denkendorf/StuttgartUngerührt haben sich die beiden Angeklagten am vierten Verhandlungstag am Stuttgarter Landgericht gemeinsam mit den anderen Prozessbeteiligten Fotos von den lebensbedrohlichen Verletzungen des 20-jährigen Opfers angeschaut. Gemeinschaftlich versuchter Mord und gemeinschaftlich versuchter schwerer Raub lauten die Vorwürfe, zu denen die beiden gleichaltrigen jungen Männer nach wie vor schweigen.

Einer der beiden 20-Jährigen hatte bei der Begutachtung durch den Psychiater Reinmar du Bois angegeben, mehrere Stunden vor der Messerattacke am 2. September vergangenen Jahres in Denkendorf mit seiner Freundin in deren elterlichen Wohnung in Plochingen Pizza gegessen zu haben. „Wie war er so?“, wollte der Vorsitzende Richter Joachim Holzhausen von der Freundin wissen. Man wolle sich ein Bild machen, weil der Angeklagte in der Verhandlung auch zu seiner Person nichts sage. Die junge Frau beschrieb ihren Freund, mit dem sie damals erst seit ein paar Wochen richtig zusammen gewesen sei, als einen sehr ruhigen und geduldigen Menschen. Auf mehrmalige Nachfragen gab die Zeugin zu, dass der 20 -Jährige Marihuana geraucht hat. Er sei oft mit seinen Freunden, die sie nur flüchtig kenne, unterwegs gewesen.

Am 1. September will die Zeugin den Angeklagten nur kurz in der Stadtmitte von Plochingen getroffen haben. Gegen Mitternacht sei er dann zu ihr gekommen, man habe gemeinsam die bestellte Pizza gegessen und dann sei ihr Freund, der total müde gewesen sei, sofort auf dem Sofa eingeschlafen. Das Protokoll über den Chat-Verlauf auf dem Handy untermauerte die Aussage der Zeugin. Und so muss wohl der Angeklagte, der in Plochingen rund zehn Minuten entfernt bei seinen Eltern wohnte, vor 4 Uhr in der Frühe die Freundin verlassen haben. Dem psychiatrischen Sachverständigen hatte der Türke erzählt, an diesem Tag nicht nur gekifft, sondern auch Kokain geschnupft und eine halbe Flasche Wodka getrunken zu haben. Davon habe sie nichts mitbekommen, sagte die Zeugin. Gegen 5 Uhr geschah dann die Messerattacke auf einen gleichaltrigen Dealer in Denkendorf. Es soll um Marihuana im Wert von 500 Euro gegangen sein.

„Ein Messerstich, unmittelbar in der Nähe des Herzens hat den rechten mittleren Lungenlappen sowie ein Arteriengefäß verletzt, sodass es zu einem Pneumothorax und einem hohen Blutverlust von rund zwei Litern gekommen ist“, berichtete die Rechtsmedizinerin. Der zweite Messerstich in den Rücken links unterhalb des Schulterblattes habe ebenfalls zu einem Pneumothorax geführt. Diese Verletzungen versorgte der Notarzt am Tatort mit einer Drainage. Acht Stichverletzungen an den Unterschenkeln habe das Opfer wohl bei Abwehrversuchen erlitten. Außerdem habe der 20-Jährige einen Nasenbeinbruch erlitten. Nur eine sofortige Operation habe sein Leben gerettet.

Das Opfer identifizierte die Angeklagten am zweiten Verhandlungstag als Angreifer. Doch die 3. Große Jugendkammer will noch erheblich mehr wissen. Eine Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe, bei dem der Angeklagte aus Plochingen etwas über sich erzählt hatte, wurde als Zeugin gehört: Der 20-Jährige, der noch bei den Eltern lebte, hatte die Förderschule besucht, anschließend den Hauptschulabschluss geschafft, seit August vergangenen Jahres bei einer Firma in der Montage gearbeitet und seit seinem 18. Lebensjahr nach eigenen Worten Marihuana geraucht. Der Verteidiger sagte, dass möglicherweise eine Erklärung zur Tat folgen könnte. Doch dafür benötige er noch ein längeres Gespräch unter vier Augen. Die beiden Verteidiger des anderen Angeklagten waren mit ihrem Antrag auf ein Verwertungsverbot gescheitert: Der vernehmende Polizeibeamte hatte im Prozess über die ersten Angaben des Auszubildenden aus Ostfildern berichtet.

Der Prozess wird fortgesetzt.