Ein besseres Miteinander von Fußgängern, Radfahrern und Autofahrern will man in Wendlingen erreichen. Foto: Dannath - Dannath

Mit einem Katalog von 96 Maßnahmen will die Stadt Wendlingen die Situation für Radfahrer verbessern. Im Gemeinderat wurde dafür ein neues Konzept vorgestellt.

WendlingenDie Stadt Wendlingen will ihre Radwege auf Vordermann bringen. Das mit der Ausarbeitung eines flächendeckenden Konzeptes beauftragte Büro Brenner+Bernard Ingenieure aus Aalen stellte seine Ergebnisse in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats vor. „Es ist wichtig, dass das Radwegenetz alltagstauglich ist und dass vorhandene Lücken geschlossen werden. Das alles muss natürlich unter dem Aspekt der Sicherheit erfolgen“, erläuterte Diplom-Geograf Dirk Kopperschläger von Brenner+Bernard im Ratsgremium.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das vorhandene Netz nicht allein dasteht, sondern auch Wege, die in Zuständigkeit von Land, Kreis und Nachbarkommunen fallen, beinhaltet, standen bei der Bewertung der Situation vor allem die innerstädtischen Alltagsrouten im Vordergrund. „Also die Wege, die Radfahrer in Wendlingen nutzen, um möglichst schnell von A nach B zu kommen. Das touristische Konzept stand erst einmal nicht so sehr im Fokus“, erläuterte Kopperschläger. Wobei es hier natürlich einige Überschneidungen wie zum Beispiel den überregionalen Neckartalradweg gebe. Insgesamt 96 Maßnahmen haben die Fachleute aufgelistet - sie unterteilen sich in 46 Sofortmaßnahmen, 5 Projekte mit hoher Dringlichkeit, 30 mit mittlerer und 15 mit nachrangiger Dringlichkeit. Die Grobkostenschätzung beläuft sich auf 3,8 Millionen Euro. Dieser Betrag ist aber nicht von der Stadt Wendlingen allein zu tragen – auch das Land und der Kreis müssen dafür Mittel bereitstellen.

Die Experten haben als Grundlage ihres Maßnahmenkataloges zwei Hauptrouten innerhalb der Gemarkung Wendlingen klassifiziert: zum einen eine Nord-Süd-Achse am Neckar entlang, zum anderen eine Ost-West-Achse, die von Wendlingen aus in Richtung Kirchheim verläuft.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen der eher überörtlich anzusehenden Nord-Süd-Achse seien eher unspektakulär, meinte Kopperschläger. Hier gehe es um relativ einfach umzusetzende Dinge wie bessere Beschilderungen und Markierungen sowie eine Aufwertung der Wege hinsichtlich Breite und Belag. Richtig ans Eingemachte geht es auf der Ost-West-Achse im innerörtlichen Bereich. Ein neuralgischer Punkt ist zum Beispiel an der Stuttgarter Straße, die später zur Ulmer Straße wird, und auch für Kraftfahrzeuge die Hauptverkehrsachse über Land in Richtung Kirchheim ist. „In der aktuellen Situation wird der Weg von Radfahrern und Fußgängern gemeinsam genutzt. Das heißt aber auch, dass Radfahrer eigentlich maximal in Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen“, sagte Kopperschläger. Die Realität sieht allerdings anders aus – Radfahrer kommen teils mit einem Affenzahn daher und so mancher Fußgänger kann sich nur mit einem beherzten Sprung auf die Seite retten. „Die derzeitige Breite des Weges mit 2,10 Meter reicht nicht aus. Wir bräuchten eine Breite von mindestens 3,75 Metern, damit sich alle Nutzer gut, sicher und unabhängig voneinander bewegen können“, schlug der Experte vor. Die einzige Möglichkeit, dieses Vorhaben in die Realität umzusetzen, ist, die vorhandenen Parkmöglichkeiten für Autos auf der Südseite der Straße zu streichen und die frei werdenden Flächen den Radlern und Fußgängern zuzuschlagen: „Anders geht es nicht.“

Weitere dringliche Projekte empfehlen die Experten von Brenner+Bernard unter anderem in der Bahnhofstraße, wo eine Radinfrastruktur bislang völlig fehlt, im Behrwegle (große Sichtbehinderungen durch Bauwerke und üppige Vegetation) und im Bereich Neckarstraße/Behrstraße.

Für Gemeinderat Ansgar Lottermann (SPD) hat die Situation an der Stuttgarter Straße höchste Priorität: „Das ist der dringlichste Punkt, da muss was geschehen.“ Er sieht aber auch die Gefahr, dass bei einer gemeinsamen Nutzung des Weges von Radfahrern und Fußgängern weiterhin Konflikte programmiert sind. „Wenn ohnehin Parkplätze weg müssen, dann könnte man doch auch gleich einen Schutzstreifen für die Radler anlegen“, so Gemeinderat Lottermann.

„Die Stuttgarter Straße wird eine größere Geschichte“, wandte Hermann Sommer (Grüne) ein. „Das sollte man vielleicht zurückstellen.“ Das Konzept insgesamt fand Sommer gut: „Doch zunächst würde ich die Umsetzung der kostengünstigeren Maßnahmen präferieren.“ Zustimmung fand Sommer auch bei der CDU: „Peu á Peu die Maßnahmen umsetzen und nicht alle auf einmal“, empfahl Peter Wittemann. Weniger Beifall fanden die Vorschläge von Koppenschläger und Co. bei Heide Wolfer von den Grünen: „Bei dem Konzept fehlt mir die Vision. Es ist nur eine reine Bestandsaufnahme. Wir sollten besser überlegen, wie man die Ströme künftig lenken will. Diese Pläne sind nur Flickschusterei.“

Das gab auch der stellvertretende Bürgermeister und CDU-Fraktionsvorsitzende Alois Hafner, der den kurzfristig erkrankten Bürgermeister Steffen Weigel vertrat, zu: „Die große Vision ist das noch nicht. Aber wir haben hier ein vernünftiges Konzept, das einige Schwachstellen ausmerzt.“

Das die Entwicklung und damit auch die Diskussion immer weitergehen wird und muss, bekräftigte auch Kopperschläger: „Es entwickelt sich viel und es geht immer schneller. Wir müssen aber auf jeden Fall mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer schaffen.“

Immerhin: Der Gemeinderat beauftragte die Stadtverwaltung am Ende der lebhaften Diskussion, die Mängelliste schrittweise unter Berücksichtigung der jeweiligen Priorität abzuarbeiten, um eine spürbare Verbesserung des Wendlinger Radwegenetzes zu erreichen.