Rathaus in Thomashardt Foto: Bulgrin - Bulgrin

Ausgerechnet „Pfandäcker“ heißt das Baugebiet, das einen Betrugsfall größeren Ausmaßes in Lichtenwald ans Tageslicht gebracht hat. Kämmerer Rolf-Dieter Rieker wird verdächtigt, die Gemeinde mit gefälschten Rechnungen, Belegen und Verträgen um rund 275 000 Euro geschädigt zu haben. Zudem besteht der Verdacht, dass Rieker auch das Konto des Fördervereins Krankenpflege Lichtenwald, dessen Schatzmeister er ist, um etwa 100 000 Euro erleichtert hat.

Von Peter Stotz
Die Gemeinde und der Verein haben Strafanzeige erstattet, der Kämmerer ist vom Dienst suspendiert worden. „Das ist beispiellos. Ich bin wütend und auch erschüttert über den Vertrauensbruch und über diese große kriminelle Energie“, kommentiert Bürgermeister Ferdinand Rentschler die Vorgänge. Er amtiert auch als stellvertretender Vorsitzender des Krankenpflegevereins und war am Mittwoch durch die Bank des Vereins auf ungewöhnliche Kontobewegungen aufmerksam gemacht worden. So hatte der Kämmerer vor einiger Zeit 97 000 Euro von dem Konto, über das die Finanzierung des Baugebiets „Pfandäcker“ abgewickelt wird, an den Verein überwiesen und danach mit dem Hinweis „laut Absprache Geldanlage KPV“ in mehreren Tranchen an sein privates Konto weiter geleitet.

„Das hat mich stutzig gemacht und ich habe sofort alle Baugebietskonten, für die Rieker alleine zeichnungsbefugt ist, geprüft. Und da hat sich ein Abgrund aufgetan“, berichtet Rentschler. Während auf dem Baugebietskonto „Pfandäcker“ nur jene 97 000 Euro fehlen, stachen auf dem Konto für das Baugebiet Thomashardt Ost sechs auffällige Buchungen mit einer Gesamtsumme von mehr als 177 000 Euro ins Auge, für die Rieker die Auszahlung freigegeben hatte.

„Die Belege dafür sind der Hammer“, sagt Rentschler. So sind notarielle Kaufverträge für Grundstücke dabei, die zwar dem Augenschein nach seine Unterschrift tragen, von ihm aber nicht unterzeichnet wurden. „Wir haben diese Grundstücke nicht gekauft. Es gibt sie zwar, aber sie liegen nicht in dem Baugebiet“, sagt Rentschler. Der Grundbuchauszug weise überdies nach, dass die Grundstücke jemand anderem gehören, als der Person, auf deren Konto Rieker den Kaufpreis überwiesen hatte. „Ich kenne diesen Notar nicht und ich war niemals dort. Dazu stimmt mein Geburtsdatum in den Verträgen nicht und es ist nicht meine Originalunterschrift. Diese Verträge sind Fälschungen“, stellt er fest.

Zudem fanden sich Überweisungen an Baufirmen, die weder Arbeitsaufträge in dem Gebiet hatten, noch dort tätig waren. „Auch diese Auftragsbestätigungen und Rechnungen sind gefälscht, und das sogar besonders dreist“, sagt Rentschler. Diese Unterlagen wurden mit nachgemachten Stempeln und Unterschriften eines Ingenieurbüros in Weilheim versehen, das regelmäßig für die Gemeinde tätig ist. „Wir haben die Kriminalpolizei informiert und entsprechende Schritte eingeleitet, sagte dessen Geschäftsführer Christoph Traub.

Unregelmäßigkeiten seit 2007

Nach der ersten Durchsicht der Unterlagen hat Rentschler Strafanzeige namens der Gemeinde und des Krankenpflegevereins gestellt, Landrat Heinz Eininger sowie das Revisionsamt und die Rechtsaufsicht des Landratsamts informiert. Polizeisprecher Josef Hönes hat den Eingang der Anzeigen bestätigt. „Das wird nun recht schnell bearbeitet und geht noch heute an die Staatsanwaltschaft“, sagte er gestern Nachmittag.

Gestern verstärkte sich laut Rentschler überdies der Verdacht, dass Rieker den Krankenpflegeverein bereits seit dem Jahr 2007 regelmäßig mit gefälschten Belegen erleichtert, im vergangenen Jahr aber wohl regelrecht ausgeplündert hat. „Ende 2015 war ein Vermögen von rund 107 000 Euro vorhanden. Der Verein hatte so gut wie keine Ausgaben, dafür aber laufende Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen. Aktuell ist der Verein mit einem Restvermögen von etwa 6000 Euro fast mittellos“, so Rentschler.

Pfarrerin Tamara Besserer, die Vorsitzende des Krankenpflegevereins, muss diese Information erst noch sacken lassen: „Es ist noch zu früh. Ich kann das zu diesem Zeitpunkt noch nicht kommentieren.“
Ferdinand Rentschler will in den kommenden Tagen noch tiefer graben: „Aufgrund der großen kriminellen Energie und der langen Zeit, die das zurückreicht, habe ich die Bank um eine Sonderprüfung von bereits geschlossenen Konten gebeten.“ Dabei seien möglicherweise die Konten besonders interessant, über die die Finanzierung von Baugebieten vor dem Jahr 2011 abgewickelt wurde.

Im Januar jenes Jahres wurde Rentschler zum Bürgermeister gewählt. Einer seiner Gegenkandidaten hieß Rolf-Dieter Rieker. Auf dem Wahlpodium der EZ wurde Rieker damals gefragt, wie er beide Posten – Kämmerer und Bürgermeister – vereinbaren wolle. Seine Antwort: „Anordnung und Vollzug im Vier-Augen-Prinzip ist gewährleistet.“ Ein Griff in die Kasse sei nicht möglich.