Die Geschichte des Oberen Schlosses in Neuhausen hat der Autor Jeffrey Döring ausführlich studiert. Foto: oh - oh

Bürgertheater und multimediale Bühnenkunst reizen den Autor Jeffrey Döring. Der 26-Jährige hat jetzt ein Stück über das Obere Schloss in Neuhausen geschrieben.

NeuhausenEine Zeitreise durch die Geschichte des Oberen Schlosses in Neuhausen hat der Autor Jeffrey Döring verfasst. „Wenn die Toten wachen“ lautet der Titel des Stücks, das der Dramaturg im Auftrag der Gemeinde geschrieben hat. Das Projekt ist Herzstück der Feierlichkeiten zum 500-jährigen Bestehen des historischen Gebäudes, das heutzutage ein Bildungszentrum ist. „Ich bin sehr gespannt, was der Theaterverein aus dem Text macht“, sagt der 26-Jährige aus Thüringen, der an der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg Dramaturgie studiert hat und jetzt in Leipzig lebt. 2017 wurde er von WLB-Intendant Friedrich Schirmer mit dem Marie-Zimmermann-Stipendium ausgezeichnet, das junge, innovative Dramaturgen fördert.

Einen Text für Theaterlaien zu schreiben, ist für den Profi eine Herausforderung. „Vieles wird sich bei den Proben sicher anders entwickeln“, ist der Dramaturg und Regisseur überzeugt. Er freut sich auf die erste Vorstellung am 12. Mai, die er besuchen wird. In die Proben mit Regisseurin Irene Batzill will er sich bewusst nicht einklinken. Wie hat der Thüringer, der die Fildergemeinde mit ihrem katholischen Profil nicht kannte, sich in die komplexe Historie eingearbeitet? „Ich habe viel mit den Menschen vom Theaterverein geredet“, erzählt der kommunikative Künstler mit dem dunklen Bart. Das Bewusstsein der Neuhausener für ihre Ortsgeschichte bewundert er sehr. Er habe die Mitglieder des Theatervereins schätzen gelernt. Auch Recherchen in Archiven oder in Heimatbüchern waren ihm wichtig. Das kombiniert Döring mit Versatzstücken der Welt- und Theatergeschichte – stets aus lokaler Perspektive.

Geister vermitteln Geschichte

Aus diesem dokumentarischen Material ist ein komplexer Text entstanden, der die jeweiligen Epochen auch sprachlich abbildet. Döring reißt die Zuschauer in einen historischen Reigen. Vom 16. bis ins 21. Jahrhundert reicht die Spanne der Geschichte, durch die zwei Geister führen – Matilde und Heinrich. Letzterer hat die Geburt seines Sohnes nicht erlebt, wandert seitdem rastlos durch den Ort: „Ach, was ist das für ein Leben! Ich freue mich, wie dem Familienbaum Äste an entferntesten Orten wachsen, aber ich hätte doch lieber meinen eigenen Sohn nochmal gesehen, meine Frau im Arm gehalten. Mir wird die Ewigkeit hier ewig lang.“ Ironische Distanz liegt Döring. Seine Figuren erzählen lebendige Ortsgeschichte, die immer wieder tief berührt. Selbst die schwierige Zeit des Nationalsozialismus klammert der Autor nicht aus. Zugleich gelingt es dem jungen Dramaturgen, die Spannungskurve klug zu balancieren.

Manches am Aufbau des Stücks erinnert an ein Film-Szenario. Das kommt nicht von ungefähr, denn der junge Künstler forscht in seinen Arbeiten über multimediales Theater. Das hat er an der Akademie in Ludwigsburg gelernt, die enge Kontakte zur benachbarten Filmakademie pflegt. Sich auf Sehweisen seiner Generation einzulassen, die Möglichkeiten digitaler Medien im Theater auszuloten, das prägt seine Philosophie. Jüngst war der innovative Künstler in Dortmund bei einer Tagung mit dem Schauspielchef Kay Voges, einem Vordenker des digitalen Theaters, um über Perspektiven einer multimedialen Bühnenkunst nachzudenken. Da hinkt der aus seiner Sicht vielfach zu steife Betrieb der Stadttheater manchmal noch hinterher.

Arbeit mit Geflüchteten

Dass innovatives Theater, auch mit Bürgern und neuen Medien, auch an solchen Bühnen mit vermeintlich starren Apparaten möglich ist, hat Jeffrey Döring am Landestheater Tübingen erfahren. Da hat er für die Theaterwerkstatt Schwäbische Alb des Landestheaters Tübingen das Projekt „Paradiesische Zeiten“ in der kleinen Stadt Winterlingen realisiert. „Da haben wir mit Menschen gearbeitet, die geflüchtet sind.“ Wie sie den Begriff „daheim“ definieren und ihr persönliches Paradies finden, hat den Künstler interessiert. „Brennender Schnee. Eine Wunderkammer“ heißt ein Projekt, das Döring 2017 mit hochsensiblen Künstlern in der Stuttgarter Kulturinsel realisierte. Menschen, denen Grenzerfahrungen nicht fremd sind, interessieren ihn. Deshalb will er sich in einem neuen Projekt mit Männern beschäftigen, die Gewalt in der Ehe oder in der Beziehung erlebt haben. Ihnen möchte der Künstler eine Stimme geben, „weil sie meist nicht gehört werden.“ Obwohl er in Leipzig lebt, ist Döring weiter in der Stuttgarter Szene aktiv und bestens vernetzt. Mit dem Verein Goldstaub fördert er die Off-Theater- und Kunstszene im Raum Stuttgart.

www.jeffrey-doering.de