Mit dem Fernglas kontrolliert Hans-Peter Schmid, ob große oder kleinere Vögel in Sicht sind. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

„In den Gesprächen mit meinen internationalen Kollegen lerne ich viel, das sich auf die Arbeit hier übertragen lässt.“

Von Elisabeth Maier

Weil ein Graureiher im Triebwerk landete, musste eine Maschine am Stuttgarter Flughafen am Wochenende kurz nach dem Start wieder umkehren. „Für die Passagiere sind das Schrecksekunden“, weiß Hans-Peter Schmid. Weil die Kabine über die Triebwerke belüftet wird, rieche es dort nach verbrannten Federn und Fleisch. „Doch in diesem Fall ist nichts passiert. Mit vier Stunden Verspätung durften alle in einem anderen Flieger weiterreisen.“ Der Bauingenieur sorgt dafür, dass Vögel und andere Wildtiere den Flugzeugen auf der Filderebene nicht zu nahe kommen. Das tun er und sein Team mit einem ausgeklügelten Grünflächenkonzept.

Dennoch kommt es immer wieder zu sogenannten Vogelschlägen auf Flughäfen, auch wenn diese nach den Worten des Experten nur selten große Schäden anrichten. Im gesamten Jahr 2016 gab es in Stuttgart 25 Vogelschläge. Acht mal kollidierte das Federvieh allein im August mit Flugzeugen. „Dabei werden aber auch kleinste Zusammenstöße erfasst“, sagt Schmid. Davon bekämen weder die Passagiere noch die Piloten etwas mit. Wenn nach der Landung am Zielflughafen ein noch so kleiner Blutspritzer am Metallmantel der Maschine gefunden werde, werde das als Vogelschlag registriert.

Dennoch erinnert Schmid an die spektakuläre Notlandung eines Airbus im Hudson River in New York, dessen Ursache Vögel im Triebwerk waren. Damals verhinderte der Flugkapitän Chesley Sullenberger mit seiner umsichtigen Landung im Fluss eine Katastrophe, denn alle 155 Passagiere überlebten. Fünf Menschen wurden jedoch verletzt. „Um solche Unfälle zu vermeiden, versuchen wir, große Vögel vom Flughafen fernzuhalten.“ Wie ist das auf einem so riesigen Gelände überhaupt möglich? „Es fängt mit dem richtigen Rasenschnitt an“, sagt Schmid. Wenn das Gras regelmäßig gemäht wird, gibt es weniger Insekten. So finden große Raubvögel, die Flugzeugen gefährlich werden können, keine Nahrung. Feldmäuse werden vergiftet, wobei dafür nach Schmids Worten strenge Regeln gelten. Außerdem setzt der Stuttgarter Flughafen technische Hilfsmittel ein, um die Vögel zu vergrämen. Dazu gehören Knallschreckgeräte, die mit Gas betrieben werden.

„Wildlife Manager“ (deutsch: Wildtier-Manager) lautet Schmids offizielle Berufsbezeichnung. Vor 20 Jahren kam der studierte Bauingenieur zu dem vielseitigen Beruf, weil er für die Grünflächen des Flughafens zuständig ist - insgesamt ist er seit 30 Jahren dort tätig. Inzwischen hat sich der Techniker ein Grundwissen über Vogelkunde angeeignet. Wenn er mit dem Fernglas unterwegs ist, spürt man seine Leidenschaft. Und auch das Vogelarten-Bestimmungsbuch braucht er bei seinen Kontrollgängen über das Flughafengelände nicht mehr.

Die Beobachtung und die Statistik, welche Vögel auf dem Vorfeld zu finden sind, übernehmen Experten. Sie erfassen genau, welche Arten am Flughafen zu finden sind. Gerade Graureiher, die sich von den Wernauer Baggerseen an den Flughafen verirren, sind eine Gefahr für die Flugzeuge. „Mit diesem Wissen im Hintergrund können wir gezielt reagieren und die Tiere vertreiben“, weiß Schmid.

Falken oder Hunde setzt der Stuttgarter Flughafen nicht ein, um die Vögel vom Gelände zu vertreiben. „Dazu ist unser langgezogenes Areal schlicht zu klein“, findet Schmid, der Vorsitzender des Deutschen Ausschusses zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr ist. Speziell trainierte Wanderfalken könnten zwar Vogelschwärme ebenfalls vertreiben, „aber wenn sie ein anderes Tier sehen, sind sie abgelenkt und fliegen dieser Attraktion nach.“ Gerade im eng getakteten Flugverkehr des Stuttgarter Landesflughafens sei es sehr wichtig, dass die Vögel verlässlich und schnell vertrieben werden. In den Spitzenzeiten startet auf der Start- und Landebahn eine Maschine nach der anderen.

Die Wildtierkontrolleure des internationalen Flughafens in der kanadischen Küstenstadt Vancouver haben Entenschwärme vom nahen Pazifik mit Border Collies vertrieben. Auch von seinen Kollegen in Hamburg, Hannover und Bremen weiß er, „dass sie die Hunde eingesetzt haben, um Graureiher zu vertreiben“. Durch die relative Nähe zum Meer sei die Problemlage an Flughäfen im Norden Deutschlands oder gar in Küstennähe anders. Auch mit Kollegen von Flughäfen in Europa und Nordamerika tauscht sich Schmid regelmäßig aus. „In den Gesprächen mit meinen internationalen Kollegen lerne ich viel, das sich auf die Arbeit hier übertragen lässt.“ 2018 plant Schmid eine Fachtagung für Vogelschlag-Experten an Flughäfen. Davon werde Stuttgart viel profitieren, ist er überzeugt.