Valentino Biagio Berndt (links) und Markus Grohmann unter der „Wortdusche“ in der Bibliothek Neuhausen. Foto: Bulgrin Foto: Bulgrin - Bulgrin

Von Elisabeth Maier

Wie erzählt man Geschichten im Zeitalter digitaler Medien? Mit dieser Frage beschäftigt sich der junge Mexikaner Valentino Biagio Berndt im Rahmen des „Cloud“-Projekts beim Kunstverein Neuhausen. Er studiert bei Professorin Mariella Mosler an der Akademie der Künste in Stuttgart Bildhauerein und raumbezogene Formprozesse. „Da geht es um Kunst im öffentlichen Raum.“ Bis Sonntag, 25. Juni, ist seine „Wortdusche“ im Oberen Schloss zu erleben.

Als der junge Künstler mit den anderen Studierenden die Ausstellung vorbereitete, schlenderte er durch Neuhausen, um sich inspirieren zu lassen. Dabei entdeckte er nicht nur die Öffentliche Katholische Bücherei. Zufällig traf er wenig später Kirchenmusikdirektor Markus Grohmann auf der Straße. „Ich fragte, ob er Leute kennt, die selbst schreiben“, erinnert sich Biagio Berndt. „Ja, ich“, antwortete Grohmann, und damit begann die Zusammenarbeit.

Nachdenken über Theologie

Grohmann, der schon etliche Texte für seine Sacro-Pop-Projekte geschrieben hat, feilt zurzeit an seinen Kurzgeschichten. „Gott und der Punkt“ ist eine davon. Theologische Fragen reizen den Katholiken. Und der viel beschäftigte Organist, Kantor und Komponist willigte sofort ein, dem jungen Künstler einen seiner Texte für seine „Wortdusche“ zu überlassen. Erst mal habe er sich nicht so ganz vorstellen können, was mit seiner literarischen Arbeit passiert.

Im oberen Stockwerk der Bücherei baute der ausgebildete Steinmetz Valentino Biagio Berndt eine Dusche aus Kupfer, an der zwei Lautsprecher befestigt sind - in den Duschköpfen. Durch den einen ist Grohmanns Geschichte zu hören. Langsam, mit sonorer Stimme liest der Autor den Text, der von Menschen in der Unendlichkeit handelt, die sich an Gottes Liebe festhalten. Da geht es um Fragen der Existenz. Der philosophische Diskurs, zu dem Grohmann seine Zuhörer einlädt, ist spannend: „Es handelt vom Anfang und dem Ende.“

Sprache verliert ihren Sinn

Im zweiten Lautsprecher verfremdet der junge Konzeptkünstler die Geschichte: „Ich streiche, kopiere oder variiere die Passagen“, beschreibt er sein Verfahren, das die Sprache durcheinanderwirbelt und ihren Sinn schließlich ganz aushöhlt. Bibliothekarin Marianne Ruckdeschel unterstützte das ungewöhnliche Projekt. Sie findet es wichtig, „den Lesern Literatur mal ganz anders zu vermitteln“. Im Lesesalon der katholischen Bibliothek ist das Kunstwerk zu sehen. Auf Wunsch schalten die Mitarbeiterinnen an der Theke die „Wortdusche“ ein.

Sich derart doppelt berieseln zu lassen, verwirrt die Zuhörer. Das Klangerlebnis wühlt auf. In die ruhige, tiefe Tonlage des Erzählers mischen sich Wort- und Satzfetzen, die aus dem zweiten Lautsprecher dringen. Wer unter dem Lautsprecher mit Grohmanns Geschichte steht, muss ganz genau hinhören, um sich von den verwirrenden Reizen aus dem anderen Lautsprecher nicht zu sehr irritieren zu lassen. Das Textfragment, das Valentino Biagio Berndt geschaffen hat, ist ein Spiel mit Worten und Sätzen. Sich darauf einfach einzulassen, ist die große Herausforderung dieses besonderen Kunstprojekts.

Bis Sonntag, 25. Juni, sind die Arbeiten der Stuttgarter Kunststudenten aus der Klasse Mariella Mosler im Projektraum des Kunstvereins Neuhausen in der Rupert-Mayer-Straße 72 zu sehen. Geöffnet ist Samstag und Sonntag, 14 bis 18 Uhr. Die „Wortdusche“ von Valentino Biagio Berndt ist zu den Öffnungszeiten der Bücherei im Oberen Schloss zugänglich.