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Deutschland steigt aus der Kohle aus. Doch das Kraftwerk Altbach/Deizisau scheint nicht bedroht zu sein: Die Betreiberin EnBW scheint den Standort nicht aufgeben zu wollen.

Altbach/DeizisauWenn Sie so einen Standort haben, warum sollten Sie ihn aufgeben?“Am Ende des Pressetermins vor Ort gibt es dann doch noch eine klare Aussage dazu, wie es um die Zukunft des Kraftwerksstandorts Altbach/Deizisau bestellt ist. Es kommt aus dem Mund von Georg-Nikolaus Stamatelopoulos, Leiter der Geschäftseinheit Erzeugung und Betrieb des Betreibers EnBW. Da waren die Promi-Gäste, die Grünen-Landtagsabgeordneten Andrea Lindlohr und Andreas Schwarz sowie der grüne Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel, schon zur S-Bahn gehetzt. Zuvor gab es eine einstündige Besichtigung des Kraftwerks, zu der die Politiker Bürger und Presse geladen hatten, unter dem Motto „Kohleausstieg – Was wird aus dem Kraftwerk Altbach?“. Doch während des Rundgangs wurde über diese Frage nicht gesprochen. Die interessanten Punkte hatten die Abgeordneten vorab im nicht-öffentlichen Gespräch mit den EnBW-Fachleuten geklärt. Ohne die Bürgermeister der Standortkommunen, Martin Funk aus Altbach und Thomas Matrohs aus Deizisau.

Dabei ist man in den Gemeinden angespannt. Schließlich kamen vom Kraftwerk in den vergangenen Jahren eher unerfreuliche bis negative Signale: sinkende Gewerbesteuerbeiträge im Zuge der Energiewende, eine nicht unerhebliche Steuerrückzahlung samt Zinsen an die EnBW und die Aufgabe des Regelbetriebs des ersten Steinkohleblocks (HKW I), der nur noch als Reservekraftwerk fungiert. Und schließlich zu Beginn des Jahres die Vereinbarung der sogenannten Kohlekommission, dass Deutschland bis 2038 aus der Kohleverstromung aussteigt.

Gas oder Biomasse?

Klar ist also: In absehbarer Zeit wird auch am Standort Altbach/Deizisau keine Steinkohle mehr verbrannt. Schon jetzt läuft das noch betriebene HKW II nur zu Spitzenzeiten auf Volllast, sprich 300 Megawatt – etwa wenn die Industriebetriebe im Neckartal frühmorgens ihre Maschinen anfahren. An diesem sonnigen Freitagmorgen gegen 10 Uhr fuhr der Block nur noch auf Mindestlast, das heißt 120 Megawatt – die erneuerbaren Energien haben Priorität. Das Kraftwerk kann auf Hochbetrieb 300 000 Haushalte mit Strom versorgen und gemeinsam mit anderen EnBW-Kraftwerken in der Region 25 000 Wohnungen mit Fernwärme. Dafür sorgen am Standort 200 Mitarbeiter.

Wie geht es mit ihnen und dem Kraftwerk weiter? „Wir haben einen Rahmen, aber noch kein Gesetz“, sagt Stamatelopoulos. Die Vereinbarungen der Kohlekommission müssten nun genauer ausgearbeitet werden. Er nennt zwei mögliche Optionen, den Steinkohleblock umzurüsten: zum einen zu einer Gas- und Dampfanlage. Das würde einen größeren Umbau für einen dreistelligen Millionenbetrag voraussetzen, sagt der EnBW-Experte – zumal die Infrastruktur für Gaslieferungen in Süddeutschland noch nicht gut ausgebaut sei. Diese Variante könnte sich zur No-Regrets-Strategie – zu deutsch: ohne Bedauern – entwickeln, sobald die Verfeuerung grüner synthetischer Gase besser entwickelt ist. Gaskraftwerke sind allerdings auch weniger personalintensiv, so Stamatelopoulos. Eine zweite, schneller und günstiger umzusetzende Lösung wäre die Umrüstung zu einem Biomasse-Kraftwerk. 80 Prozent der Infrastruktur könnten dabei erhalten bleiben, nur die Lagerung der Holzpellets sowie die Feuerung müssten umgerüstet werden – laut Stamatelopoulos eine Investition im niedrigen dreistelligen Millionenbereich. Sowohl Gas als auch Holzpellets, die man großteils aus dem Ausland importieren müsste, seien teurer als Kohle. Aber: Beides wäre ohnehin „Backup“, Sicherheitsreserve neben den erneuerbaren Energien.

Wie auch immer der Betrieb am Ende weitergeführt wird, Personal soll nicht entlassen werden, das hat der Gesetzgeber festgelegt. Der Leiter der Erzeugungssparte der EnBW schätzt, dass ein möglicher Umbau des Standorts frühestens in den nächsten fünf bis sieben Jahren erfolgen wird. Dass das Kraftwerk in Altbach/Deizisau ganz aufgegeben wird, beschreibt Stamatelopoulos als unwahrscheinlich: „Der Standort ist optimal aufgestellt.“ Es gebe Anschlüsse ans Gas-, Strom- und Fernwärmenetz sowie einen Bahnzugang. Und schließlich sei es heute schon schwierig, überhaupt neue Standorte zu finden.

Martin Funk wertet die Aussagen positiv. Er betont, dass die Gemeinde keine Kraftwerksbrache will – schließlich sind Gewerbeflächen in der Region rar. Thomas Matrohs fordert: „Wir wollen dabei sein, wenn sich Politik und Energieversorger Gedanken machen, wie die Fläche künftig genutzt wird.“ Es sei wichtig, dass Stellen erhalten blieben, und für die Kommunen, dass wieder Gewerbesteuer fließe.