Quelle: Unbekannt

Dem Volksglauben nach schützen Kräutersträußchen das Haus und ihre Bewohner. Zu Mariä Himmelfahrt pflegt der Frauenbund St. Magnus in Wernau einen alten Brauch und bindet Kräuter zu Sträußen, die dann im Gottesdienst geweiht werden.

WernauEin betörender Duft liegt über dem Garten der Maria-Hilf-Kapelle in Wernau: Salbei, Rosmarin, Lavendel und weitere Kräuter mischen ihre Aromen. Mitten in dieser wohlriechenden Wolke stehen Frauen und binden Kräutersträußchen. Sie werden am heutigen Abendgottesdienst zu Mariä Himmelfahrt geweiht und verschenkt. Übrig bleibt nie eines.

„Wir hoffen, dass wir 200 Stück zusammenbekommen. Das ist unser Ziel“, sagt Klothilde Tischer, die Vorsitzende des Frauenbundes St. Magnus. Das dürfte an diesem Tag kein Problem werden, schon jetzt sind an die 15 Frauen da und weitere werden noch dazu stoßen. Mit so vielen Helferinnen „geht das flott“, weiß Tischer. Zumal reichlich Material vorhanden ist. Schon am Morgen haben viele Wernauerinnen geschnittene, duftende Kräuter aus ihren Gärten gebracht, gleichzeitig haben die Frauen im Kapellengarten ein bisschen ausgedünnt, was nicht weiter auffällt. Anders als im vergangenen Jahr, als das Wachstum wegen der großen Trockenheit nicht so üppig war, können jetzt alle aus dem Vollen schöpfen.

Auf den Tischen und auf dem Boden liegt das heilende Grün aufgehäuft: Johanniskraut und Minze sind dabei, Schafgarbe, Oregano, Lorbeer, ebenso bunt blühende Farbtupfer wie die Goldrute oder dekorative Weizenähren. Mindestens sieben Kräuter gehören in ein Sträußchen, das gibt der Brauch vor. Schon in heidnischer Zeit sollen Kräutersträuße gebunden worden sein, aber auch in der katholischen Kirche ist das Ritual für mehr als 1000 Jahre nachgewiesen. Die Verbindung zu Mariä Himmelfahrt hat mehrere Gründe: Zum einen ist Mitte August die beste Erntezeit von Kräutern, zum anderen werde „Maria als heiles und unbeflecktes Geschöpf verehrt“, erklärt Klothilde Tischer – das passt zur Heilkraft der Pflanzen. Seit wann man in Wernau Kräutersträußchen bindet? „Das war schon immer so“, sagt Anni Anders. In ihrer Kindheit kamen allerdings noch keine dekorativen Blütenpflanzen in die Sträußchen. Heute kann jede Frau auch ein bisschen nach ihrem Geschmack binden. Das macht viel Freude, auch Mathilda. Die Neunjährige wohnt in der Nachbarschaft und ist mit ihrer Oma da.

Beim Gottesdienst im Kapellengarten wird Father John Inziku, der im August Vertretungspfarrer in Wernau ist, die Kräutergebinde weihen. Danach dürfen die Gottesdienstbesucher sie mit nach Hause nehmen. Dort werden die Sträußchen kopfunter aufgehängt und getrocknet – traditionell im Herrgottswinkel, irgendwo sonst im Haus oder auch im Stall. Ein Jahr lang bleiben sie an Ort und Stelle, und auch danach werfe man sie als geweihten Gegenstand nicht einfach in den Müll, sagt Inge Appenzeller: Mancher verbrenne sie, sie selbst führt sie über die Zwischenstation Komposthaufen wieder dem Naturkreislauf zu.

Dem Volksglauben zufolge schützen die Sträußchen das Haus und seine Bewohner; die Kräuterweihe drückt aber auch die Achtung vor der Schöpfung aus. Das passt zum Gottesdienst im Freien, im Kapellengarten. „Das in der Natur zu erleben, ist schon was Schönes“, sagt Klothilde Tischer, die hofft, dass den Vorhersagen zum Trotz das Wetter hält. Schon nachmittags ab 14.30 Uhr wird bei Kaffee und Kuchen gefeiert, zwei Männer – Herber Füess und Michael Grupp – haben das Gelände vorbereitet, Gras gemäht und Tische und Bänke aufgebaut. Den Kräutergarten der Kapelle pflegen aber in erster Linie die Frauen – das ganze Jahr lang.

Gottesdienst ist um 18 Uhr im Kapellengarten, danach geht es mit einem Vesper weiter. Bei schlechtem Wetter weicht man ins Gemeindehaus St. Magnus aus.