EZ-Forum mit Chefredakteur Gerd Schneider, den Kandidaten Benjamin Haar und Gerhard Kuttler sowie Ressortleiter Harlad Flößer. Das Interesse der Hochdorfer war so groß, dass nicht alle einen Sitzplatz bekamen. Fotos: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Am 29. Januar entscheiden die Hochdorfer, ob Amtsinhaber Gerhard Kuttler oder Herausforderer Benjamin Haar die kommenden acht Jahre Bürgermeister der 4750 Einwohner zählenden Gemeinde sein soll. Am Donnerstag stellten sich beide Kandidaten beim EZ-Podium den Fragen des EZ-Chefredakteurs Gerd Schneider und des Leiters der Kreisredaktion, Harald Flößer. Rund 500 Gäste konnten in der gut gefüllten Breitwiesenhalle erleben, wie sich die Bewerber präsentierten.

Von Katja Eisenhardt und Greta Gramberg

Gerhard Kuttler ist seit 2009 Bürgermeister. Mit seiner Familie fühle er sich wohl in Hochdorf, sagt der zweifache Vater. Der 39-Jährige hebt seine Erfahrung in der Kommunalverwaltung hervor und seine juristische Ausbildung: „Fachwissen bewahrt auch davor, sich selbst und anderen falsche Hoffnungen zu machen.“ Seinen zurückhaltenden Führungsstil erklärt Kuttler so: „Früher hatten wir die Situation, dass zu forsch vorangegangen wurde, was zu viel Opposition in der Sache geführt hat.“ Er verweist auf Projekte, die auf seine Art umgesetzt wurden. In Richtung einiger Gemeinderäte plädierte er dafür, ihre Kritik an ihm künftig nicht über die Presse auszutragen, sondern im Gespräch zu klären.

Benjamin Haar glaubt, dass Tempo-Machen Hochdorf gut täte. Dem 36 Jahre alten Sportwissenschaftler mit Doktortitel ist es wichtig, dass ein Bürgermeister mit Nachdruck für seine Ideen einsteht und Kante zeigt. Haar wäre in seinem Heimatort gerne der „Motor, der die Dinge voranbringt“ und das in enger Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat. An seiner Qualifikation für das Amt hat er keinen Zweifel: Als Geschäftsführer der TSG Reutlingen, einem Sportverein mit 1,5 Millionen Euro Umsatz, führe er auch einen Haushalt mit doppelter Buchführung. „Ich ess’ dieses graue Brot jeden Tag.“

Finanzen

Kuttler erinnert daran, dass er 13 Millionen Euro an Fördermitteln und Investitionen Dritter nach Hochdorf geholt hat: „Das sind 1,6 Millionen pro Jahr oder 2700 Euro pro Einwohner.“ Fördermittel und Investoren möchte der Amtsinhaber auch weiterhin gewinnen, um die Entwicklung der eher finanzschwachen Gemeinde weiter voranzubringen.

Haar sieht in Einkommens- und Gewerbesteuer zwei wichtige Säulen, um die Finanzkraft der Gemeinde zu stärken. So möchte er weitere Einwohner und Gewerbe nach Hochdorf holen. Langfristige Investitionen möchte er mit Weitsicht tätigen. „Wir brauchen zielgerichtete Investitionen, da darf man eine höhere Verschuldung in Kauf nehmen.“ Das wandle sich später in einen positiven Effekt um.

Breitwiesenareal

Kuttler verweist auf die schwierige Ausgangslage wegen eines vor neun Jahren gescheiterten Bürgerentscheids. Dieser habe es erschwert, erneut das Vertrauen von Investoren zu gewinnen. „Die Gemeinde musste erst mal wieder zusammengeführt werden.“ Als großen Erfolg hebt er den Bau einer Pflegeeinrichtung durch die Evangelische Heimstiftung hervor, der Mitte 2017 beginnen soll: „Wir bekommen mit dem Konzept WohnenPlus ein Leuchtturmprojekt. Unterm Strich war es vielleicht gut, dass es länger gedauert hat.“

Haar: Die Pläne für das Breitwiesenareal findet der Herausforderer grundsätzlich gut, jedoch dauere die Umsetzung zu lange. Es fehle ein Gesamtkonzept: Er möchte einzelne Vorhaben wie den neuen Dorfplatz mit Pflegeheim, die Umgestaltung des Talbachs, die Belebung der Dorfmitte, die Nahversorgung oder das Schaffen von Sport- und Spielräumen miteinander abstimmen. „Wir müssen jetzt die Chance ergreifen, ein starker Standort zu werden.“

Bürgerbeteiligung

Kuttler sagt, beim Ortsentwicklungskonzept habe es eine „breit angelegte Beteiligung gegeben“. Das große Engagement der Bürger schätzt der Amtsinhaber. Die gemeinsam festgelegten Ziele sollen bis 2021 umgesetzt werden: „Wir sind mittendrin.“ Aus dem Publikum kommt die Kritik, es habe an Wertschätzung gegenüber den Arbeitskreisen gefehlt. Kuttler entschuldigt sich, falls er bei der ein oder anderen Gruppe vielleicht nicht persönlich vorbeigeschaut habe, betont aber, stets offen für Vorschläge aus der Bürgerschaft zu sein.

Haar plädiert für eine ununterbrochene Bürgerbeteiligung. Er kritisiert, dass Arbeitsgruppen wie die „Lebendige Dorfmitte“ oder auch „Haus am Platz“ zu wenig Beachtung bekommen und sich daher schnell aufgelöst hätten. „Wenn schon Bürgerbeteiligung, dann muss man alles dafür tun, dass die Beteiligten nicht abgehängt werden. Die kann man sonst für Engagement nicht mehr gewinnen.“

Wohnen

Kuttler hält Hochdorf für eine attraktive Gemeinde für junge Familien, was er an steigenden Kinderzahlen festmacht. Das liege an den Schulen und flexiblen Betreuungseinrichtungen. „Wo wir noch weniger gut aufgestellt sind, sind Bauplätze“, gibt der Bürgermeister dagegen zu. Es sei schwierig, neue Flächen zu finden, einerseits weil Grundstückseigentümer sie nicht hergeben wollen, andererseits weil die Region Stuttgart die Gemeinde einschränke. Das einzig verbliebene Baugebiet „Hofäcker“, über das seit 30 Jahren diskutiert wird, soll aber bald umgesetzt werden. „Wir gehen davon aus, dass wir dieses Jahr weiterkommen.“

Haar sieht bei der Ausweisung neuer Baugebiete die Zeit gekommen, zum Abschluss zu kommen, „um jungen Familien die Möglichkeit zu geben, hier Fuß zu fassen.“ Viele müssten in Nachbargemeinden ziehen. „Das geht auch mir so“, sagt Haar, der mit seiner Familie in Stuttgart wohnt. Man müsse eine konsequente Verhandlungsposition einnehmen und die Grundstückseigentümer davon überzeugen, dass die Bebauung wichtig für die Entwicklung Hochdorfs sei.

Einzelhandel

Kuttler zufolge arbeitet die Gemeinde darauf hin, dass der große Edeka-Markt in zwei Jahren zwischen Roßwälder Straße und Obeswiesenweg steht. Ein zähes Ringen ohne Ergebnis, wie beim Platz neben der Esso-Tankstelle, werde es nicht mehr geben. Man setzte auf Einigung mit den Grundstückseigentümern, zur Not wäre eine gesetzliche Umlegung möglich, weil die Gemeinde ein kleines Gewerbegebiet anschließen will.

Haar hat sich in seiner „Perspektive 2025“ auf die Fahnen geschrieben, die Einkaufsmöglichkeiten zu sichern mit vorhandenen Geschäften, lokalen Produzenten und dem geplanten Vollsortimenter.

Image und Freizeitwert

Haar stört sich an vielen kleinen Dingen in seiner Heimatgemeinde, wie ein seit Jahrzehnten nicht gestrichenes Brückengeländer oder nicht sanierte Häuser in der Ortsmitte. Es bedürfe nicht nur großer Investitionen. Es gehe darum, mit offenen Augen durch den Ort zu gehen und ihn mit kleinen Maßnahmen attraktiver zu machen. Hochdorf könne es sich nicht leisten, im interkommunalen Wettbewerb um Einwohner abgehängt zu werden. Den Freizeitwert will Haar herausstellen und durch Standortmarketing mehr Aufmerksamkeit von außen erzielen.

Kuttler merkte an, die großen Dinge seien Pflicht. Aber auch die kleinen Dinge gehe die Gemeinde an. „Mit der Rathaussanierung haben wir den ersten Meilenstein gesetzt an der Ortsdurchfahrt, unserer Visitenkarte“, sagte Kuttler zum Ortsbild. Zu den Grünflächen merkt er an, dass die Gemeinde den Talbach erlebbar machen will.