Mutmaßlich fingierte Kaufverträge mit Bezug auf das Baugebiet Thomashardt Ost haben die Gemeinde um 177 000 Euro gebracht.Archiv Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Gefälschte Rechnungen und Kaufverträge haben die Gemeinde Lichtenwald um 274 000 Euro gebracht - und auch der Krankenpflegeverein ist geschädigt. Nachdem der Bürgermeister Strafanzeige gestellt hat, sollen nun Staatsanwaltschaft und Gemeindeprüfungsanstalt feststellen, ob tatsächlich der Kämmerer Rolf-Dieter Rieker für sich das Geld abgezweigt hat. Dass der mutmaßliche Betrug womöglich über Jahre nicht entdeckt wurde, liegt offenbar an den Finanzprüfverfahren kleiner Gemeinden.

Von Greta Gramberg

Im Rathaus sitzt der Schock der vergangenen Woche noch tief: „Ich muss das erst mal sacken lassen“, sagt Ferdinand Rentschler. Der Bürgermeister hat Unregelmäßigkeiten auf den Konten zur Abrechnung der Baugebiete Pfandäcker und Thomashardt-Ost sowie des Krankenpflegevereins aufgedeckt. Der Schaden liegt bei insgesamt 374 000 Euro. Im Verdacht steht der langjährige Kämmerer Rolf-Dieter Rieker , gegen den Gemeinde und Verein Strafanzeige gestellt haben und der seit Donnerstag suspendiert ist. Der 61 Jahre alte Oberamtsrat nimmt selbst keine Stellung zu den Vorwürfen. Er sei schon vorverurteilt, sagt seine Ehefrau, als die EZ versucht, ihn vor Ort zu sprechen. „Wir gehen gerade durch die Hölle.“

Ein Konto auf Riekers Namen spielt bei Unregelmäßigkeiten in den Finanzen des Krankenpflegevereines eine Rolle, dessen Schatzmeister der 61-Jährige ist. Die Kreissparkasse Esslingen, die Bank des Vereines, war darauf aufmerksam geworden und hat die Gemeinde informiert. Die Kontoübersicht zeigt, dass im Mai 97 000 Euro vom Abrechnungskonto des Baugebiets Pfandäcker an den Verein gingen. Im Juli flossen dann nach und nach fast 90 000 Euro auf das Konto auf den Namen Riekers, mit dem Hinweis „lt. Absprache Geldanlage KPV“. Zudem hat Rentschler nach Prüfung der Finanzen des Baugebiets Thomashardt Ost gefälschte Grundstückskaufverträge und Rechnungen gefunden. Verdächtige Buchungen von 177 000 Euro sind ihm so aufgefallen, die Rieker freigegeben hat. Der Schultes fürchtet, dass der mutmaßliche Betrug schon länger dauert.

Dass all das bislang nicht aufgefallen ist, hat mehrere Gründe. Zum einen war Rieker allein zeichnungsbefugt für die Baugebietskonten. Sie wurden eingerichtet, um die Abrechnung transparenter zu machen. Solche Konten seien bei Gemeinden der Größe Lichtenwalds üblich - das werde es aber in Zukunft so nicht mehr geben, sagt der Bürgermeister. Zum anderen gibt es keinen gemeindeeigenen Finanzprüfer, was ebenfalls der Größe des Ortes geschuldet ist. Stattdessen kommt alle vier Jahre das Revisionsamt aus dem Landratsamt nach Lichtenwald, um alles zu durchleuchten. Das Ergebnis der letzten Prüfung für die Jahre 2011 bis 2014 war positiv. „Wir prüfen, ob Rechnungen plausibel sind“, erklärt Landratsamtssprecher Peter Keck. Ohne Verdacht könne aber nicht bei jeder Rechnung nachvollzogen werden, ob sie gefälscht sei. Das sei zu aufwendig.

Wie groß der Schaden tatsächlich ist, soll nun die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) klären. Das Landratsamt hat das Regierungspräsidium Stuttgart am vergangenen Freitag darum gebeten. „Damit ist sichergestellt, dass der gesamte Sachverhalt - parallel zu den polizeilichen Ermittlungen - lückenlos aufgeklärt wird“, sagt Keck. Die Polizei hat die Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Stuttgart weitergegeben. Dort konnte man auf Nachfrage der EZ nicht bestätigen, ob sie schon angekommen ist. Der zuständige Mitarbeiter war gestern nicht im Haus. Laut dem Sprecher der Ermittlungsbehörde müsse zunächst geprüft werden, ob überhaupt dringender Tatverdacht bestehe, bevor ermittelt werde. Mit einer Festnahme hat Rieker offenbar nicht zu rechnen - dazu müsste nach Angabe des Juristen Flucht- oder Verdunklungsgefahr bestehen. Ersteres sei bei Menschen, die fest verwurzelt und nicht vorbestraft sind, eher unwahrscheinlich.

Im Rathaus Thomashardt wartet man nun darauf, was GPA und Staatsanwälte finden. „Wir müssen aus den Ergebnissen unsere Konsequenzen ziehen“, so Rentschler.