Die Ausschreibung für die Sanierung der Pliensaubrücke musste aufgehoben werden, da die Angebote der Firmen für die Stadt Esslingen zu teuer waren. Foto: Árchivoto:Bulgrin - Árchivoto:Bulgrin

Viele Aufträge, wenig Handwerker: Das ist ein Grund, weshalb sich Kommunen gerade schwertun, Bewerber auf ihre Bauvorhaben zu bekommen, und wenn, dann verlangen sie zum Teil horrende Summen.

Kreis Esslingen Die Baukonjunktur boomt. Handwerker können sich vor Aufträgen nicht mehr retten. Dafür haben Kommunen zunehmend Probleme, ihre Bauvorhaben umzusetzen: Die Gemeinden beklagen, dass sich nur noch wenige Handwerksunternehmen auEf öffentliche Ausschreibungen bewerben, und wenn, dann seien die Angebote oft zu teuer. Jens Schmitt, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Esslingen-Nürtingen, kennt die Problematik. Doch er betont: „Bei Vergabeverfahren von Kommunen werden die Preise nicht absichtlich nach oben geschraubt.“

Die Städte Esslingen, Plochingen, Ostfildern und Wernau mussten Ausschreibungen aufheben, weil die Angebote der wenigen Bewerber zu teuer waren. Für die Verlegung der Wasserleitung in der Gutenbergstraße in Wernau habe sich nur ein Bewerber gemeldet. Sein Angebot lag etwa 49 Prozent über der Kostenkalkulation, sagt Bürgermeister Armin Elbl. Die Ausschreibung des Neubaus der Fußgängertreppe Laichleweg wurde ebenso aufgehoben, sagt Elbl, da das Angebot etwa 60 Prozent über der Kostenkalkulation gelegen habe. „Wir schreiben das Angebot im Herbst erneut aus. Wir wollen den Ausführungszeitraum so groß wie möglich halten, damit die Bauunternehmen besser planen können.“

Sind die hohen Preise Folge einer Strategie? Jens Schmitt von der Kreishandwerkerschaft Esslingen-Nürtingen sagt: „Bei Vergabeverfahren von Kommunen werden die Preise nicht absichtlich nach oben geschraubt. Es gibt schließlich Vorgaben, und Zielkorridore der Kommunen. Es macht wenig Sinn, die tatsächlichen Kosten eines Betriebs nicht in die Kalkulation mit einzubeziehen, wenn der Auftrag nicht kostendeckend abgeschlossen werden kann.“ Die Unternehmen planten die tatsächlichen Kosten ein. Diese würden manchmal als zu hoch angesehen, weil die Vorgaben vielleicht zu niedrig seien. Denn oftmals erhalte ja immer noch derjenige den Auftrag, der das günstigste Angebot einreiche, sagt Schmitt weiter. „Das wiederum könnte ein Grund sein, warum die Vergabeverfahren für die Betriebe oft unattraktiv erscheinen und deshalb kein Angebot eingereicht wird.“

Peter Heinzmann, Abteilungsleiter des technischen Gebäudemanagements der Stadt Ostfildern, kennt viele Beispiele, bei denen Angebote der Firmen über der Kalkulation lagen. „Der neue Kindergarten in der Mutzenreisstraße soll eine Pfosten-Riegel-Fassade bekommen. Wir haben nur ein Angebot bekommen und das war zu teuer. Wir wiederholten die Ausschreibung. Auch das zweite Angebot lag etwa 40 Prozent über der Kalkulation. Wir haben es dann trotzdem angenommen.“ Bei der Sanierung der Nellinger Gymnasien musste die Stadt eine freihändige Vergabe einleiten, weil es keine Angebote für die europaweit ausgeschriebenen Ersatzklassenräume gegeben hatte. Die Lüftungsanlagen mussten erneut EU-weit ausgeschrieben werden. Heinzmann spricht die Qualität als weiteren Aspekt an. „Die wird zunehmend schlechter. Die guten Firmen sind mit ihren Aufträgen komplett ausgelastet.“

Plochingens Bürgermeister Frank Buß sieht dagegen keine Veränderung der Qualität. Die Preissteigerung sieht aber auch er als großes Problem. „Vor allem die technischen Hausgewerke sind ganz vorne mit dabei“, stellt er fest. Bei der brummenden Konjunktur funktioniere das auf den Wettbewerb basierende System der Ausschreibung nicht mehr, da man froh sein müsse, überhaupt Aufträge zu bekommen. Doch wenn es zu teuer ist, dann müsse man die Ausschreibung aufheben, wie die Kanalsanierungen in der Plochinger Innenstadt. „Wir wollen durch persönliche Ansprache die Firmen, mit denen wir zusammenarbeiten, ermutigen, an Ausschreibungen teilzunehmen.“

Für die Sanierung der Pliensaubrücke habe es nur zwei Angebote gegeben, sagt der Baubürgermeister der Stadt Esslingen, Wilfried Wallbrecht. Beide waren zu teuer. Eine gute Million war in der Ausschreibung angesetzt, verlangt wurden über zwei Millionen Euro. Die Ausschreibung wurde aufgehoben. „Wir starten einen neuen Anlauf“, so Wallbrecht. Die Preise stiegen exorbitant, besonders im Hochbau und in technischen Gewerken, sagt er. Es gebe starke Schwankungen, mit denen es schwierig werde zu planen. Der Fachkräftemangel, der unter anderem für die Entwicklung verantwortlich ist, mache sich besonders im Hochbau bemerkbar: „Wir haben noch immer vier Architektenstellen nicht besetzt, denn in der freien Wirtschaft verdient man besser.“

Bei Privatleuten sieht es nicht anders aus. Wer einen Handwerker braucht, muss oft wochenlang warten. Dass die Firmen mit ihren Aufträgen nicht mehr hinterherkommen, hält Schmitt hingegen für eine überzogene Formulierung: „Das würde ja implizieren, dass die Aufträge liegen bleiben – und dem ist nicht so.“ Der Kunde müsse länger warten, es werde aber versucht, dem Kunden auch zeitlich gerecht zu werden, die Aufträge würden nacheinander abgearbeitet. „Diese längere Wartezeiten sind durch den Fachkräftemangel bedingt, man darf aber auch nicht vergessen, dass die Nachfrage steigt, zum Beispiel aufgrund niedriger Bauzinsen und wegen geringer Verzinsungen bei Anlageprodukten“, so Schmitt. Um den Beruf attraktiver zu machen, gebe es schon viele Imagekampagnen. Doch er betont: „Die Lage ist noch nicht dramatisch. Sie kann es noch werden.“ Und wenn es es sich um einen Notfall handle, dann stünden Handwerker stets zur Verfügung.

Betriebe könnten sich zudem nicht aussuchen, welche Aufträge sie annehmen oder nicht. Jeder Betrieb habe seine Planung, kurzfristige Anfragen seien schwer zu integrieren, es werde aber durchaus versucht, so Schmitt. Man dürfe nicht vergessen, dass ein Handwerksbetrieb auch dienstleistungs- und serviceorientiert ist. „Es geht auch um Kundenzufriedenheit und Kundenbindung.“