EZ-Chefredakteur Gerd Schneider. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Die Verleihung eines Sterns an ein Restaurant in Köngen, das es nicht mehr gibt, ist eine Blamage, findet EZ-Chefredakteur Gerd Schneider.

KöngenUnter normalen Umständen wäre es ein Feiertag für die Region, wenn ein Restaurant mit einem der legendären Michelin-Sterne gekürt wird. Wie dornig der Weg hinauf zum Feinschmecker-Olymp gerade für Lokale außerhalb von Großstädten ist, zeigt schon die Tatsache, dass es im ganzen Landkreis Esslingen nur ein einziges Sterne-Restaurant gibt: das Top-Air am Stuttgarter Flughafen. Im Fall der Alten Vogtei in Köngen geriet die vermeintliche Sternstunde dagegen zu einer hochnotpeinlichen Farce. Dass die Michelin-Redaktion mitunter Restaurants auszeichnet, die wenig später schließen, kommt in der schnellebigen Gastronomieszene vor. Wenn den begehrten Stern aber ein Lokal bekommt, das es längst nicht mehr gibt, ist es höchste Zeit, dass Michelin seine Kontrollmechanismen überprüft. Bei einer Auszeichnung, die so massiv über beruflichen und wirtschaftlichen Erfolg bestimmt wie die Michelin-Sterne, sollte es nicht zu viel verlangt sein, sich objektive Informationen über die tatsächlichen Verhältnisse eines Restaurants zu beschaffen.

So aber ist die Causa Köngen ein kleines Desaster für Michelin. Man darf gespannt sein, wie das Unternehmen auf den Fall reagiert und welche Konsequenzen es daraus zieht. Ohne vorschnell über Schuld und Unschuld zu urteilen, so deutet doch einiges darauf hin, dass sie bei Michelin einem Windbeutel aufgesessen sind. Auch bei den Menschen in Köngen wird ein schaler Nachgeschmack von der merkwürdigen Geschichte um die Alte Vogtei bleiben. Jeder kleine Ort träumt davon, irgendwann groß herauszukommen. Ein Sterne-Restaurant ist gut für das Image. So aber wird der Ort in der Michelin-Historie für eine blamable Panne stehen: Es gibt zahllose Restaurants, die keinen Stern haben – in Köngen gibt es einen Stern, aber kein Restaurant, dem er gehört.

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