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Fünf Tage lang haben Trauernde, deren Kind vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben ist, bei einem Workshop mit dem Bildhauer Joachim Kreutz Skulpturen für die neue „Sternenkinder“-Gedenkstätte auf dem Köngener Friedhof erstellt.

KöngenSie haben geklopft, gehämmert und geschliffen und manchmal vor lauter Kalkstaub die Hand vor den Augen nicht gesehen: Fünf Tage lang haben Eltern, Großeltern und Verwandte, deren Kind vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben ist, mit Hammer, Meißel und schwerem Gerät Muschelkalksteine bearbeitet. Die so entstandenen Skulpturen werden die neue Gedenkstätte für diese „Sternenkinder“ auf dem Köngener Friedhof ergänzen. Auf Initiative der Gemeinde Köngen und finanziert durch die Gerhard-und-Christa-Maier-Stiftung hat der Frankfurter Bildhauer Joachim Kreutz einen Workshop betreut, in dem die Angehörigen dem Erlebten und der eigenen Trauer künstlerisch Ausdruck verleihen konnten.

Auch Teilnehmer ohne handwerkliche Vorkenntnisse bearbeiteten unter der ebenso fachkundigen wie sensiblen Anleitung durch Joachim Kreutz ihren Stein: Grob oder fein, eckig oder rund, figürlich oder abstrakt, rau oder glatt, matt oder glänzend. Als Betrachter, Beobachter, Begleiter oder Wächter gruppieren sich diese Skulpturen künftig im Halbkreis um die zentrale Arbeit des Bildhauers: eine große Hand aus hessischem Diabas-Stein.

Stele mit Uhland-Gedicht

Die dunkelgrüne Oberfläche dieses Vulkangesteins verändert sich je nach Lichteinfall, verstärkt durch eine eingearbeitete Struktur winziger Zeichen. „Der Diabas trägt das Irdische von ganz tief unten und zugleich das Licht von ganz oben in sich“, freut sich Kreutz, der in diese große Hand einen bronzenen Oloid, eine nach mathematischen Gesichtspunkten entwickelte, geometrische Form, platziert hat. „Die Skulptur darf, sie muss angefasst werden“, ermuntert er die Besucher.

Zwei kleine Bänke stehen auf dem von Bäumen und Büschen schützend umfangenen Platz. Eine kleine Stele ist der Stifter-Familie gewidmet, eine zweite trägt das Gedicht von Ludwig Uhland: „Du kamst, du gingst mit leiser Spur, ein flücht’ger Gast im Erdenland. Woher? Wohin? Wir wissen nur: Aus Gottes Hand, in Gottes Hand.“ Dessen Sprechtakt wurde eurhythmisch choreografiert in die Wegführung eines kleinen Pfades übersetzt. „Es ist ein Ort zum Innehalten, ein Ort, an dem geweint und gelacht werden darf, ein Ort, an dem die Trauer buchstäblich Gestalt annehmen kann, ein Geschenk der Eltern an ihre verstorbenen Kinder“, sagt Angelika von der Dellen von der Familienbildungsarbeit Köngen, die den Workshop koordiniert hat.

Joachim Kreutz ist dankbar für das Vertrauen, das ihm die Teilnehmer schenken: „Jeder erzählt seine Geschichte, und jede Geschichte ist furchtbar. Da dürfen auch Tränen fließen. Wir reden viel, aber wir lachen auch zusammen.“ Der Bildhauermeister beobachtet immer wieder, dass in der Arbeit am Stein der Schmerz herausgearbeitet wird: „Natürlich sind da diese Aggressionen: Warum passiert mir das? Warum musste unser Kind sterben?“ Er selbst sieht die Arbeit des Steinbildhauens auch symbolisch: „Mit dem Hammer auf den Meißel. Ein Stück Stein springt ab. Das ist endgültig. Aber aus diesem Zerstörungsprozess entsteht eine Herausforderung: Wie gestalte ich das neu? So kann sich Trauer in schöpferische Kraft verwandeln.“

Kreutz hat bereits in Dietzenbach und in Seligenstadt gemeinsam mit Angehörigen ähnliche Skulpturen-Projekte für Sternenkinder geschaffen. In Köngen, wo Betroffene aus der ganzen Region zum Workshop gekommen waren, nahmen zum ersten Mal auch Großeltern verstorbener Kinder teil. Eine der Großmütter erklärte: „Wir trauern doppelt: Um unser Enkelkind und mit unseren Kindern.“

Briefe über die Trauer

Die Auseinandersetzung mit dem harten Stein stellte die Teilnehmer vor manche schwierige Aufgabe, die sie jedoch dankbar annahmen: „Jeder muss seinen Weg finden, mit dieser Trauer umzugehen. Es tut mir gut, bei der Arbeit am Stein mit meinem Enkelkind zu sprechen. Und es tut mir gut, hier mit anderen Betroffenen zu sprechen. Ein großes Dankeschön für die Idee und für die Unterstützung an das Stifter-Ehepaar“, betonte eine der Damen. In einer Ruhepause ließ Joachim Kreutz jeden Teilnehmer einen Brief schreiben über seine Trauer und seine Vorstellungen von der Zukunft. Diese Botschaften wurden in einer Zeitkapsel ins Fundament der Skulptur eingegossen. „Was für eine schöne und tröstende Idee: Meine Gedanken sind nun für Zeit und Ewigkeit dort, in der Zeitkapsel und in meiner Skulptur“, meinte eine der Teilnehmerinnen.

Am Dienstag, 16. Oktober, ab 20 Uhr gibt es im Schulbergkindergarten (Köngen, Kiesweg 52) für Familien von Sternenkindern den Vortrag „Wenn der Anfang ein Abschied ist“ von Pfarrerin Susanne Englert, Krankenhausseelsorgerin am Klinikum Esslingen. Und am Sonntag, 28. Oktober, um 14 Uhr wird die Gedenkstätte mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Friedhofskapelle Köngen öffentlich eingeweiht.