Christian Küpfer Foto: Dietrich - Dietrich

Weniger Grün und mehr Wohnungen? Christian Küpfer, Landschaftsplanungsexperte der Hochschule Nürtingen-Geislingen, hat andere Vorschläge.

KöngenDer Lebensraum der Menschen schrumpft: Durch den Klimawandel wird ein Teil der Erde überflutet und ein anderer zu heiß. Auch hierzulande gibt es Platznot, vor allem in den Ballungsräumen. Was zu tun ist, wenn Landwirtschaft, Wohnen, Gewerbe und Verkehr um Flächen streiten, erläuterte Professor Christian Küpfer, Studiendekan für Landschaftsplanung und Naturschutz an der Hochschule Nürtingen-Geislingen, in der Zehntscheuer in Köngen. Unter seinen Zuhörern und Zuhörerinnen vom Bezirksarbeitskreis Kirchheim/Nürtingen des Evangelischen Bauernwerks und von den Landfrauen Köngen-Denkendorf fand er sehr engagierte Diskutanten.

Der Mensch wolle eben alles, sagte Küpfer in Referenz auf Kurt Tucholskys „Ideal“ aus dem Jahr 1927: Vorne die Ostsee und hinten die Friedrichstraße, im Grünen wohnen und trotzdem zum Kino nicht weit. Wohnen, Erholung, Transport, Energiegewinnung – für alles werden Flächen gebraucht. Flächen, die sich nicht vermehren lassen. Auf den Fildern etwa werden fruchtbare Böden zugebaut und damit der Landwirtschaft entzogen. „Die Region Stuttgart nimmt zehn Prozent der Fläche Baden-Württembergs ein, dort wohnen aber 25 Prozent der Bevölkerung, diese erwirtschaften 30 Prozent des Bruttosozialprodukts.“ Der Zustrom an Menschen. „wird nicht abreißen, es ist vielleicht nur nicht mehr so auf die Stadt Stuttgart bezogen“, sagte Küfer.

Zur Bevölkerungsentwicklung kommt der Bedarf an Wohnfläche pro Einwohner. Lag sie im Deutschland der 1960er-Jahre noch bei etwa 15 Quadratmeter, wurden im Jahr 2017 in Baden-Württemberg 46 Quadratmeter erreicht. Ein Grund sind immer mehr Singles, ein anderer der Remanenzeffekt: Die Kinder sind aus dem Haus, so bleiben zwei Menschen auf womöglich 200 Quadratmetern zurück. „Manchmal sind es 200 Quadratmeter für null Menschen, ein Haus steht lange leer“, sagte Christian Küpfer.

Der Flächenverbrauch pro Einwohner kann aber sehr unterschiedlich sein: Braucht es in urbaner Bauweise für 100 Einwohner rund 1,2 Hektar, sind es bei suburbaner Bauweise schon 2,3 Hektar und bei ländlicher Bauweise 4,5 Hektar. Die Frage sei nun: „Welche Dichte ist zumutbar und sozial verträglich?“ Eine zu lockere Bebauung mit vielen Lücken mache die ÖPNV-Erschließung schwer, sei der Weg zur Haltestelle zu weit, führen die Leute mit dem Auto. Es gibt Gebiete, die keine Nachverdichtung erlauben, wie die mittelalterliche Stadt. Eine Luftaufnahme von Laichingen, mit 165 Einwohnern pro Quadratkilometer, zeigte genau das Gegenteil, dort wäre in den vielen Lücken noch einiges möglich.

Wohnraum statt Scheunen

„Bei aller Kritik, das Planungssystem in Baden-Württemberg ist ziemlich gut“, sagte Christian Küpfer. Grünzüge und Grünzäsuren dürften in der Regel nicht bebaut werden, das sei gut so. „Man will nicht, dass die Orte zusammenwachsen und ihre Identität verlieren.“ Die Prüfung der Innenentwicklung sei im Baugesetzbuch vorgeschrieben. Bei dieser Innenentwicklung hat der Referent nicht nur unbebaute Grundstücke im Blick. „Das größte Potenzial hat die untergenutzte Bausubstanz.“ Eine Untersuchung in einem schwäbischen Ort ergab, dass zwischen zehn und 15 Prozent der Bausubstanz aus Scheunen bestand. „Oft standen Autos drin.“ Christian Küpfers Vorschlag ist, die Scheunen neu zu nutzen und Nebengebäude durch Einfamilienhäuser zu ersetzen. „Man kann einem Ort wieder Leben einhauchen.“

Bei unbebautem Bauland, das oft für den Enkel aufgehoben werde, könne das Land die Besteuerung ändern, so einen Anreiz zur Bebauung schaffen. Kommunen könnten eine Rückkaufsatzung erlassen: Werde ein Baugrundstück innerhalb von fünf Jahren nicht bebaut, falle es zum Vorzugspreis an die Gemeinde zurück. „Wir alle“, bat der Referent, „sollten auf die Familie und die Verwandtschaft einwirken, dass untergenutzte Bausubstanz im Ort nicht gehortet, sondern aktiviert wird.“ Das könne ein Abriss ein, eine Sanierung und Vermietung oder ein Verkauf. „Lassen Sie sich beraten.“

„Das Bewusstsein der Politiker fehlt, die rufen noch immer nach Flächen“, beklagte ein Zuhörer, er bezog sich auf vier derartige Zeitungsmeldungen an einem einzigen Tag. „Das geht so nicht weiter“, urteilte der Mann. „Es wird viel zu viel Fläche verbraucht“, stimmte Christian Küpfer zu. Auf massive Kritik stieß auch, dass tiefgaragenfreie Discounter riesige Flächen für Parkplätze versiegeln, da bestehe beim Planungsrecht Nachholbedarf. Eine Zuhörerin schlug zudem vor, leer stehende Häuser höher zu besteuern, der Experte Christian Küpfer hält das für einen guten Vorschlag.