Von Andreas Volz

Die Otto Ficker AG als solche gibt es längst nicht mehr: 2004 war sie nach der Fusion mit Blessing im neuen Namen BlessOF aufgegangen. 2008 hatte die Mayer-Gruppe aus Heilbronn BlessOF übernommen. Seither wird am Traditionsstandort in Kirchheim zwar weiterproduziert, aber nicht mehr lange. 2018 soll die Produktion verlagert werden. Wohin es geht und wie viele Arbeitsplätze erhalten bleiben, darüber gibt es zumindest für die Öffentlichkeit keine neuen Erkenntnisse. Nur eins ist sicher: Allenfalls das historische Fabrikgebäude bleibt erhalten. In Teilen geht es noch auf Entwürfe des einstigen Kirchheimer Stararchitekten Philipp Jakob Manz zurück.

Künftig soll dort kein Platz mehr sein für einen Industriebetrieb. Im Erdgeschoss sowie im ersten Stock sollen Handel, Gastronomie, Gewerbe oder Ateliers einziehen. In den höheren Etagen sollen Wohnungen entstehen, unter anderem mit Dachterrassen als einer Art Vorgarten. Das ist aber noch nicht alles: Das gesamte Gelände bis fast zur Henriettenstraße wird überplant und neu bebaut. Südlich werden sich ans Fabrikgebäude zwei größere Bauten anschließen, die vor allem Büro- und Praxisräumen vorbehalten sind. Anschließend sind im „Steingaupark“, vor allem aber im neuen „Henriettengarten“ reine Wohnbebauung vorgesehen. Die Gebäudehöhe soll in Richtung Süden immer mehr abnehmen.

Was für alle Kirchheimer und für Besucher von außerhalb von größtem Interesse sein dürfte, ist die Planung für die Lücke, die an der Stuttgarter Straße zwischen dem alten Ficker-Bau und dem heutigen Baumarkt klaffen wird. Dort entstehen eine turmartige Kletterhalle und dahinter, in zweiter Reihe, ein Kinokomplex. Dazwischen liegt die Einfahrt zu einer Tiefgarage.

Es ist also ein neues Quartier in Planung, das völlig neue Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung eröffnet. Letzteres war 2011 Gegenstand eines ersten Bebauungsplans für das Areal. Damals stand alles noch unter dem Stichwort „Erlebniszentrum“. Als es nun im Gemeinderat um den Aufstellungsbeschluss für den geänderten Bebauungsplan ging, sagte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker: „Wir schwenken jetzt auf eine neue Zielgerade ein. Wir haben intensiv gerungen um den Wohnbau, aber auch um den Erhalt des alten Industriegebäudes.“

Giorgio Bottega vom Stuttgarter Büro Bottega und Ehrhardt Architekten lobte diesen alten Bau, als er den Gesamtentwurf vorstellte: „Das ist ein sehr schönes Industriegebäude mitten in der Stadt.“ Das Gebäude soll durch eine Rampe an der Stuttgarter Straße für die neue Nutzung erschlossen werden ohne allzu großen Eingriff in die Fassade. Städtebaulich dürfte vor allem die Kletterhalle neue Akzente setzen, die der Architekt als „expressives Auftaktgebäude“ bezeichnete.

Der Gemeinderat hat den Aufstellungsbeschluss einstimmig gefasst. In der Debatte lobten alle Redner den Entwurf, weil einerseits etwas Neues entstehe, andererseits aber auch ein stadtbildprägendes Gebäude erhalten bleibe. Allerdings folgte der Rat dem Leitantrag aus dem Technik- und Umweltausschuss, zum Beginn des „Henriettengartens“ keine fünfgeschossigen Gebäude zu ermöglichen. Hans Kiefer (CIK) fragte aber, wie bindend ein solcher Beschluss des Gemeinderats sei. Bürgermeister Günter Riemer stellte klar: „Ein Bebauungsplan ist ein Ortsgesetz, sobald der Satzungsbeschluss einmal gefasst ist.“ Dann könne kein Gebäude mehr gebaut werden, das wesentlich höher sein soll als im Bebauungsplan festgelegt. Anders sieht es aus, bis der Satzungsbeschluss fällt. Nach den Erfahrungen mit anderen Bebauungsplänen in jüngster Zeit können in dieser Phase ganz andere Ideen Eingang in den Bebauungsplan finden.

Zu früh ist es noch, über die Energieversorgung oder die Art der Läden etwas zu sagen. Riemer versicherte jedoch: „Wir führen gerne das Gespräch mit den Investoren, auch was die künftige Wärmeversorgung betrifft.“ Die beiden Investoren kommen direkt aus der Umgebung. Es handelt sich um die JoMaFi GbR aus Weilheim sowie um die Unger GbR aus Kirchheim.