Voll im Einsatz: Den richtigen Umgang mit der Motorsäge lernen die Praktikanten von der Gemeinschaftsschule Deizisau bei Simon Erfle (links), Geselle der Firma Geistdörfer Foto: Bulgrin - Bulgrin

Die Firma Geistdörfer macht Schluss mit dem Fachkräftemangel unter Forstwirten. Seit zehn Jahren bildet der Baumpflege-Betrieb aus Deizisau aus – eine Seltenheit unter privatwirtschaftlichen Unternehmen.

Esslingen - Nicht nur die Industrie klagt über Fachkräftemangel. Auch die Forstwirte sorgen sich um Nachwuchs. Doch für Katharina Werner-Geistdörfer sind die Probleme hausgemacht: Staat und Betriebe bilden ihrer Meinung nach zu wenig aus. Darum hält es die Chefin der Firma Geistdörfer für ihre „gesellschaftliche Verantwortung“, junge Haupt- und Realschulabsolventen fit zu machen für die Berufsfelder Forstservice, Baumpflege und Landschaftsbau. In die Arbeitswelt reinschnuppern durften vergangene Woche sechs Praktikanten von der Gemeinschaftsschule Deizisau.

Vor rund 20 Jahren gründete Katharina Werner-Geistdörfers Ehemann Stephan Geistdörfer die Baumpflege-Firma als Ein-Mann-Betrieb in der elterlichen Garage in Altbach. Seitdem befindet sich das inhabergeführte Familienunternehmen auf Expansionskurs: Mittlerweile beschäftigt der Betrieb 35 Mitarbeiter. Der Fuhrpark umfasst 18 Fahrzeuge. Und für das Geschäftsjahr 2018 wird ein Umsatz von drei Millionen Euro erwartet. Als 2011das Büro in Altbach zu klein wurde, zogen Geistdörfers um nach Deizisau in die ehemalige Squashhalle.

Um den eigenen Bedarf an Fachkräften zu decken, begann der Betrieb vor zehn Jahren als erstes privatwirtschaftliches Unternehmen in Baden-Württemberg, Forstwirte auszubilden. Damit galt er damals als Exot. Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert: Nur zwei weitere Privatanbieter sind dazugekommen. Ansonsten ist die Forstausbildung fest in staatlicher Hand. Dabei ist Katharina Werner-Geistdörfer überzeugt: „Unser Ausbildungsspektrum ist breiter gefächert als beim Land und den Kommunen.“

„Dort werden größtenteils klassische Forstarbeiten erledigt“, bestätigt Marc Reisner. „Bäume pflanzen, pflegen und ernten.“ Der Fortwirtschaftsmeister ist für die Ausbildung der fünf Lehrlinge im Betrieb zuständig. Den Deizisauer Schülern zeigte Reisner bei ihrem Besuch einen typischen Verkehrssicherungshieb: Entlang der B10 von Esslingen nach Stuttgart fällte die Truppe Bäume, damit sie beim nächsten Sturm nicht auf die Straße fallen. „Eine Motorsäge drücken wir den Praktikanten natürlich nicht in die Hand“, gibt Werner-Geistdörfer Entwarnung. Aber ungefährliche Aufräumarbeiten könnten sie schon erledigen. Und vor allem den Arbeitsalltag kennen lernen.

Dazu gehören auch Spezialfällungen. Wenn zum Beispiel Bäume in der Stadt beim Sturz Häuser beschädigen würden, dann werden sie unten abgesägt und anschließend mit einem Kran rausgehoben. Wird es für Kran und Hubbühne zu eng, kommen die Kletterer zum Einsatz. Sie zersägen Stämme scheibchenweise, schneiden abgestorbene Äste ab und halten Baumkronen zusammen. Die Baumpflege ist Geistdörfers Spezialgebiet. Hinzu kommen Landschaftsarbeiten wie Mähen, Mulchen und Hexeln.

Diese Dienstleistungen erbringt die Firma nicht nur für Privatkunden, sondern auch für öffentliche Auftraggeber. „Für die Wilhelma schneiden wir das Efeu im Tigerkäfig – allerdings ohne Tiger.“ Auch die Deutsche Bahn, für die Geistdörfers Trassen von Gestrüpp befreien, gehört zu den Kunden – ebenso die EnBW, unter deren Hochspannungsleitungen die Bäume nicht zu hoch wachsen dürfen.

Diese Arbeiten sind hart – so hart, dass sich fast nur Männer für den Job entscheiden. Auch unter den Deizisauer Praktikanten sucht man vergeblich nach Mädchen. „Körperlich fit müsst ihr sein“, verlangt Chefin Werner-Geistdörfer. „Im Team arbeiten, Technik lieben und raus bei Wind und Wetter. Dann bekommt ihr bei uns eine facettenreiche Ausbildung.“ In den ersten beiden Jahren sind jeweils 12 bis 14 Wochen für den Berufsschulunterricht im Forstlichen Bildungszentrum Königsbronn sowie im Forstlichen Ausbildungszentrum Mattenhof reserviert. Nach der dreijährigen, dualen Ausbildung ist die unbefristete Übernahme bei Geistdörfers zwar garantiert; aber auch staatliche Forstbetriebe haben Interesse an Absolventen der vom baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium zertifizierten Ausbildungsstätte.

Um Mitarbeiter zu binden, setzt die Firma Geistdörfer auf übertarifliche Bezahlung und Gewinnbeteiligung. Ihr Trumpf jedoch ist die Weiterbildung. „Zwei Kletterkurse habe ich besucht und die Führerscheine für Lkw und Schlepper gemacht“, erzählt Geselle Simon Erfle. Alles, während er reduziert weiterbeschäftigt wurde. Nächstes Jahr will er sich zum Forstwirtschaftsmeister weiterbilden. Er wäre dann der dritte im Betrieb, der Lehrlinge ausbilden kann – auch die sechs Achtklässler, falls sie nach dem Schulabschluss in zweieinhalb Jahren zurückkommen. Die Chancen dafür stehen gut. Denn für Simon und Nico ist jetzt schon klar: Sie wollen Forstwirte werden. Und die Firma Geistdörfer ist ein heißer Kandidat unter den Ausbildungsanbietern.