Quelle: Unbekannt

Bis Ende der 60er-Jahre gab es in Neuhausen ein Studienheim der Jesuiten. Novizen und Patres studierten da nicht nur religiöse Themen, sie beschäftigten sich auch mit Botanik. Der Archivar Karl Bayer hat die Geschichte der Einrichtung dokumentiert.

NeuhausenBis zum 31. Dezember 1969 bildeten die Jesuiten in Neuhausen auf den Fildern ihren Ordensnachwuchs aus. Da, wo heute die Friedrich-Schiller-Schule und die Egelseehallen stehen, betrieben sie Jesuiten eine Gärtnerei. Das ehemalige Studienheim hat das Technische Hilfswerk (THW) übernommen. Die entweihte Rupert-Mayer-Kapelle ist das Domizil des Kunstvereins Neuhausen (KVN). Im früheren Ökonomiegebäude ist der Bauhof der Gemeinde Neuhausen untergekommen. „Ich erinnere mich noch gut an die Jesuiten“, sagt Ortshistoriker Karl Bayer.

In den 50er- und 60er-Jahren kauften Familien aus der Fildergemeinde ihr Obst und Gemüse oft in der Gärtnerei oder in der Landwirtschaft der Jesuiten. „Als Kinder haben wir mit dem Bähnle auf dem Gelände der Gärtnerei gespielt“, erzählt Bayer und lacht. Das Studienheim, das von 1952 bis 1968 bestand, gehörte ganz selbstverständlich zur katholisch geprägten Gemeinde Neuhausen.

Und die Novizen, die in dem modernen Gebäude unterrichtet wurden, freuten sich, wenn sie fröhliches Kinderlachen auf den Wiesen und in den Gärten hörten. Bayer, der das Archiv der Gemeinde Neuhausen betreut, zeigt Bilder spielender Jungs. Sie fuhren mit dem Bähnle, in dem die Mitarbeiter der Gärtnerei ihre Geräte oder die Ernte transportierten.

Das Studienheim hat eine lange Vorgeschichte: Bereits 1929 hatte die Süddeutsche Erholungsheim AG für die Jesuiten Grundstücke in Neuhausen auf den Fildern erworben. Zunächst war geplant, dort ein Gymnasium mit Internat aufzubauen. Das Vorhaben zerschlug sich jedoch. 1942 wurden die Nationalsozialisten auf das Gelände aufmerksam. Sie wollten dort eine Gauschule der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt einrichten. Die wurde aber nie realisiert. Die Geschichte der Jesuiten in Württemberg hat der Prälat Paul Kopf, Kirchenhistoriker der Diözese Rottenburg-Stuttgart, in einem sehr anschaulich mit Fotografien bebilderten Buch dokumentiert (erschienen bei der Süddeutschen Verlagsgesellschaft Ulm im Jan Thorbecke Verlag). Zur Recherche für das Buch „Die Jesuiten in Württemberg 1920 bis 2004. Ihr Wirken in Stella Maris“ steuerte Karl Bayer Fotos und historische Fakten bei. Stella Maris (deutsch: Stern des Meeres) ist bei den Katholiken eine Anrufung Marias – hier bezieht sich der Titel auf die Stuttgarter Villa, die heute bischöflicher Amtssitz ist.

Nur wenige Kilometer von der Landeshauptstadt entfernt, erlangte die damals noch sehr dörflich geprägte Fildergemeinde Neuhausen für die Jesuiten große Bedeutung. 1952 wurde der Noviziatsneubau eingeweiht. Dort bildete die „Oberdeutsche Provinz Societas Jesu“ dann in den kommenden zwei Jahrzehnten ihren Ordensnachwuchs heran. Bis zum Ende des Jahres 1969 wurden etliche Kandidaten in dem modernen Neubau ausgebildet. Schon zu Beginn der 60er-Jahre, so Bayer, seien jedoch immer weniger junge Männer in den Orden eingetreten. Viele hätten damals das katholische Glaubensgut hinterfragt, erinnert Bayer an Kämpfe innerhalb der Kirche. In Nürnberg kaufte die Gesellschaft Jesu dann ein anderes Noviziatshaus. Die Anlage in Neuhausen erwarb die Gemeinde am 27. Januar 1969 für sieben Millionen Mark mit der Auflage, die Kapelle für den Gottesdienst zu erhalten. Später wurde das Gotteshaus entweiht.

Bis heute hätten die Jesuiten mit ihren Errungenschaften die Gemeinde geprägt, sagt Karl Bayer. „Die Novizen des Studienheims waren auch in unserer Kirchengemeinde bei vielen Gelegenheiten präsent“, erinnert sich der Archivar. Bei den Fronleichnamsprozessionen waren sie ebenso dabei wie die Bürgergarde. „Die Patres waren als Seelsorger tätig“, erinnert sich Bayer. Das sei in der Diaspora rund um Stuttgart ein Gewinn für die Katholiken gewesen, da ansonsten schon damals Priester gefehlt hätten. Karl Bayer und andere Mitglieder der Gemeinschaft für Heimatgeschichte haben die Historie des Studienheims und der Jesuiten auf ihrer Homepage in knappen Fakten zusammengefasst.

Namhafte Kirchenvertreter wie der Kurienkardinal Augustin Bea, der später im Vatikan wirkte, hielten im Studienheim ihre Exerzitien. Nach dem Geistlichen ist auch die Apfelsorte „Kardinal Bea“ benannt (siehe Text unten), die einige gut sortierte Baumschulen heute noch verkaufen. Botanische Versuche und die Arbeit in der Landwirtschaft haben nach Karl Bayers Worten einen großen Teil der Arbeit der Jesuiten in Neuhausen ausgemacht. Davon hätten auch die Bürgerinnen und Bürger profitiert.

Dass der Bau des Studienheims in Neuhausen umstritten war, dokumentiert Prälat Kopf in seinem gründlich recherchierten Buch mit einem Ausschnitt aus der Esslinger Zeitung vom 10. November 1951: „Wer finanziert im Zeitalter der Kapitalnot einen solchen Prunkbau?“ Diese kritische Frage stellte der Neuhäuser Karl Bolich. „Wäre es nicht christlicher, die zwei oder drei Millionen Mark zu verwenden, um auf dem Gelände eine Siedlung für die in der näheren und weiteren Umgebung von Neuhausen wohnenden Diaspora-Katholiken zu erstellen, für die man ja bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit Gaben sammelt?“

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