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Hochzeitskleider gibt es inzwischen auch im Internet. Statt auf Massenware setzt die Modedesignerin Christina Braun auf individuelle und handgefertigte Brautmode. Um ihren Traum in Weiß zu verwirklichen, hat sie in Plochingen auf dem Stumpenhof das Atelier Seidenblüte gegründet.

PlochingenSüße Prinzessin oder glitzernde Disco-Queen? Wer weder auf das eine, noch das andere steht und am Hochzeitstag auch nicht einer üppigen Sahnetorte gleichen will, muss zuweilen weit laufen. Das hat Christina Braun erlebt, als sie sich gemeinsam mit ihrer zukünftigen Schwägerin auf die Suche nach einem Hochzeitskleid gemacht hat. „Eine schlichtes, elegantes Kleid war schwer zu finden.“ Wer ein Outfit ohne viel Firlefanz will, „hat in den Brautmodeläden meistens nur die Wahl zwischen zwei, drei Kleidern oder aber man kauft Haute Couture“. Die könne jedoch schon mal acht- oder neuntausend Euro kosten. Die Designerin stört nicht nur, dass die Konfektionsware oft überladen ist. Auch manche Stoffe seien von zweifelhafter Qualität. „Denn viele Kleider kommen mittlerweile aus Fernost“, erklärt die gelernte Modedesignerin, die nach ihrer Ausbildung zunächst bei der Firma Public in Leinfelden-Echterdingen gearbeitet hat. „Dort wurde nur noch entworfen, die Produktion war schon lange im Ausland“, erzählt die Plochingerin. Als die Marke verkauft wurde, musste sie sich einen neuen Job suchen. Den fand Christina Braun beim Label Passport in Böblingen. „Da war es dann aber leider irgendwann das Gleiche in Grün.“

Weil Stellen für Modedesignerinnen hierzulande rar sind – außer man sei bereit, viel zu reisen – „habe ich mir überlegt, dass ich mich selbstständig mache“. Dass die Gründung eines eigenen Ateliers mit Risiken verbunden ist, war ihr durchaus bewusst. „Die ältere Generation schätzt noch das Handwerk und legt Wert auf Qualität“, weiß sie. Viele Jüngere seien zwar konsumfreudig. „Aber sie sind nicht bereit, für hochwertige Klamotten auch mehr Geld auszugeben.“ Diese Geiz-ist-geil-Mentalität, die von Billig-Modeketten befeuert wird, führe auf lange Sicht nicht nur zum Niedergang von Handwerksbetrieben. „Auch eingeführte Label, die gute Produkte im mittleren Preissegment anbieten,wie eben Passport und Public, aber auch Gerry Weber oder Tom Tailor, haben schwer zu kämpfen. Manche gehen am Ende insolvent.“

Trotz aller Unwägbarkeiten der Modebranche hat Christina Braun einen Businessplan erarbeitet und im vergangenen Jahr mit ihrem Atelier Seidenblüte im Souterrain ihres Elternhauses auf dem Stumpenhof den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. Klar war ihr von Anfang an, „dass ich mir eine Nische suchen muss“. Die war schnell gefunden. „Durch die Erfahrungen mit dem Hochzeitskleid meiner Schwägerin bin ich ins Thema Brautmoden reingeschlittert“, sagt sie und lacht. Viele Roben, die die Frau ihres Bruders damals anprobiert hatte, wanderten nicht nur aus stilistischen Gründen wieder zurück auf den Kleiderständer. „Es steckt oft viel Plastik in den Stoffen, was man sich ja nicht unbedingt antun will.“ Trotz des Billigmaterials, hatten die Outfits für den großen Tag aber einen stolzen Preis. „Und meistens muss auch noch viel geändert werden, damit das Kleid richtig passt.“ Denn in der industriellen Produktion gelten nun mal bestimmte Maße. „Ein Kleid in Größe 42 wird in der Regel auf eine Körpergröße von ein Meter siebzig gerechnet“, erklärt die Modedesignerin. „Für Frauen, die zwar die Weite brauchen, aber kleiner sind, wird das also schwierig.“ Da Hochzeitskleider nicht selten bis hinunter zum Saum aufwendig bestickt oder mit Perlen besetzt sind, kann man den Rock nicht einfach unten abschneiden, sondern muss das Kleid komplett auseinander nehmen. „Und das geht ins Geld.“

Neben der richtigen Passform und der Verarbeitung qualitativ hochwertiger Materialien steht für Christina Braun Individualität im Mittelpunkt ihrer Arbeit. „Meine Stärke ist das Design“, sagt die 30-Jährige. Die meisten ihrer Kundinnen wissen zwar, wie ihr Traum in Weiß aussehen soll. Ob das Traumkleid an ihnen aber überhaupt wirkt, „das wissen sie natürlich nicht, denn nicht jeder Körper passt in jede Kleiderform.“ Zudem gilt es, auch bei der Maßschneiderei physikalische Gesetze zu respektieren. „Ein Corsagenkleid mit einem sehr tiefen Rückenausschnitt, das kann einfach nicht funktionieren.“ Am wichtigsten ist der Modeexpertin, dass sich die Braut an ihrem großen Tag rundum wohl fühlt.

Um das Wohlfühlkleid zu finden, hängen im Atelier Seidenblüte rund 40 Modellkleider in verschiedenen Silhouetten. „Bei mir kauft man aber kein fertiges Kleid.“ Die Modelle sind nur Musterteile, die sich, ähnlich wie in einem Baukastensystem, miteinander kombinieren lassen. „Ein ganz schlichtes Kleid kann man zum Beispiel mit einem zarten Tüllrock, aber auch nur mit einem Gürtel kombinieren. Ich kann ein Spitzenjäckchen dazu machen oder das Kleid mit einer Schleppe nähen“, erklärt Christina Braun das Prinzip. Wobei sie ihrem Leitsatz, dass weniger oft mehr ist, bei ihren Kreationen treu bleibt. Lasse sich mit einem guten Schnitt und kleinen Details doch oft eine viele größere Wirkung erzielen, als mit Rüschchen und Schleifchen. „Wenn ein Kleid zu viel Schnickschnack hat, fühlt man sich am Ende verkleidet.“

Ist der erste Schritt geschafft, skizziert die Designerin das Brautkleid. Beim zweiten Termin wird die Kundin dann komplett vermessen. Nach diesen Maßen fertigt Christina Braun den Schnitt und näht aus Nesselstoff ein Probekleid. Sitzt alles so, wie es soll, wird das Nesselmodell auf den Originalstoff übertragen. Die feinen Stoffe, die zumeist aus Italien Frankreich oder Spanien kommen, sowie edle Spitzen bezieht sie von Händlern, die in Bayern ansässig sind. „Das sind kleinere Firmen, die keine China-Ware haben. Bei denen bekomme ich qualitativ hochwertiges Material“, berichtet die Designerin, die persönlich einen eher sportlichen Kleidungsstil bevorzugt. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so viel mit Spitze arbeiten werde.“ Da jeder Stoff ein Eigenleben hat, lässt sie vor der letzten Anprobe jedoch noch so viel Spiel, dass sie immer noch etwas ändern kann. „Mir ist es wichtig, dass das Kleid absolut perfekt sitzt“, erklärt die Plochinger Existenzgründerin, die hofft, „dass Handarbeit und Individualität wieder mehr geschätzt werden und die Leute dann auch bereit sind, einen fairen Preis dafür zu bezahlen“. Denn ein Kleid ist für sie nicht nur einfach ein Kleidungsstück. „Es ist auch eine Haltung, die man verkörpert.“