Eglisenhof-Landwirt Dieter Clauss mit einer Rhabarberblüte. Quelle: Unbekannt

Rhabarber zählt botanisch zum Gemüse und ist im Garten eine pflegeleichte und dankbare Pflanze. Derzeit ist für die säuerlichen Stangen Hochzeit.

Kreis EsslingenAuch wenn Rhabarber wie Obst in Süßspeisen verarbeitet wird und im Supermarkt meist bei den Früchten einsortiert ist, so ist Rheum Rhabarbarum, wie er botanisch heißt, doch ein Gemüse. Die essbaren Blattstiele der Nutzpflanze aus der Familie der Knöterichgewächse haben in diesen Wochen Hochkonjunktur. Sie werden wegen ihres erfrischenden, pikant-säuerlichen Geschmacks und des geringen Kaloriengehalts geschätzt und lassen sich zu süß-sauren Kuchen, aromatischem Kompott oder würzigen Chutneys verarbeiten. Die Pflanze, die ursprünglich aus dem Himalaja stammt und imposante Ausmaße annehmen kann, ist winterhart und ein dankbares heimisches Gewächs. Auf dem Sulzgrieser Eglisenhof kultiviert Familie Clauss mehrere Sorten und beliefert damit den Stuttgarter Großmarkt, den eigenen Hofladen in der Bergstraße und den Esslinger Wochenmarkt.

Rhabarber gibt es in verschiedenen Sorten, rot- oder grünfleischig, mit besonders dicken oder mit eher zarten Stängeln, mit eher fein-süßlichem oder kräftig-säuerlichem Aroma. Neben dem milden Himbeer-Rhabarber baut Dieter Clauss auf dem Eglisenhof auch die englische Speise-Rhabarbersorte „The Sutton“ mit grünem Fruchtfleisch an. Deren Stangen sind unten rot und werden nach oben hin immer heller und grüner und lassen sich vergleichsweise früh im Jahr ernten: „Je grüner und heller der Rhabarber, desto schneller wächst er. Je roter und dunkler, umso langsamer wachsen die Pflanzen. Das ist beim Salat übrigens auch so“, erläutert der Gemüsegärtner und Weinbaumeister. Nachdem die Pflanzen Anfang Februar auf den Clauss’schen Feldern schützend abgedeckt wurden, waren die ersten Stängel um den 20. März herum bereits 20 Zentimeter hoch. Am 10. April wurden zum ersten Mal mehrere Kisten geerntet. Übrigens ernten auch Profis den Rhabarber von Hand: Man packt den Stängel einzeln dicht über dem Boden, dreht ihn und zieht, bis er sich von der Mutterpflanze löst. „Rhabarber darf nicht abgeschnitten werden, sonst wird womöglich die Pflanze verletzt, und der stehenbleibende Rest verfault am Wurzelstock“, betont Dieter Clauss. Es werden immer nur die großen Stangen geerntet, die kürzeren dünneren dürfen bis zum nächsten Erntedurchgang weiterwachsen. Die imposante Rhabarber-Blüte, die sich in der Mitte herausbildet, wird herausgebrochen, damit die ganze Kraft der Pflanze in die Stängel fließt.

Dieter Clauss zeigt eines der riesigen Rhabarberblätter: „Das ist wie ein umgedrehter Schirm ein Wassersammler. Das Regenwasser läuft wie in einen Trichter genau dahin, wo es gebraucht wird.“ Die Blätter werden direkt auf dem Feld von den geernteten Stangen abgeschnitten und bleiben zwischen den Pflanzreihen liegen: „Das gibt Humus und verhindert, dass Unkraut wächst“, erläutert Bärbel Clauss. Bewusst wird auf dem Eglisenhof Rhabarber sowohl als Bund als auch lose verkauft: „Wir haben ältere Herrschaften in der Kundschaft, die brauchen auch mal nur drei Stangen für ein kleines Schälchen Kompott, das kriegen sie bei uns“, betont die Diplom-Agraringenieurin.

Rhabarber ist – auch für Hobbygärtner ohne grünen Daumen – eine anspruchslose und robuste Pflanze: „Man sollte regelmäßig hacken, damit kein Unkraut wächst“, empfiehlt Bärbel Clauss. Wichtig ist auch, die Pflanze nicht komplett abzuernten: Wenn ich dauernd ernte, laugt das die Pflanze aus, das ist dann wie ein Burnout beim Menschen“, erklärt Dieter Clauss. „Es ist wichtig, dass die Pflanze ihre Kräfte wieder sammeln kann. Sie zieht ein und regeneriert sich. Und genau daher nimmt sie die Energie, dass sie schon im Februar oder März wieder Gas gibt und auszutreiben beginnt.“

Geerntet wird Rhabarber grundsätzlich nur bis zum Johannistag, dem 24. Juni: „Dann ist Ernteschluss. Je älter Rhabarber ist, desto höher ist der Gehalt an Oxalsäure“, warnt Bärbel Clauss. „Oxalsäure ist ein Kalziumräuber, sie entzieht dem Körper Kalzium. Zum Teil verschwindet Oxalsäure durchs Kochen und Backen, deshalb soll Rhabarber nicht roh gegessen werden. Und es ist ernährungsphysiologisch sinnvoll, Rhabarber immer mit Milchprodukten zu kombinieren. Das darin enthaltene Kalzium bindet die Oxalsäure: Ergänzen Sie den Kuchen also mit Quark- oder Schmandguss und servieren Sie das Kompott mit Pudding oder Grießbrei.“

Bärbel Clauss schätzt den Rhabarber als enorm vielseitiges Gemüse. Sie liebt die Kombination aus süß und säuerlich, und sie mag vor allem den rotstieligen Himbeer-Rhabarber mit seinem rosa Fruchtfleisch: „Der ist ein bisschen zarter, milder, süßer und bekömmlicher. Man braucht weniger Zucker. Und den schäle ich nicht einmal.“ Sie hat immer ein Schraubglas mit Rhabarberkompott im Kühlschrank stehen: „Das essen wir zum Müsli, zu Pfannkuchen, Waffeln oder Grießschnitten dazu.“ Und noch einen Tipp verrät die leidenschaftliche Köchin: „Wenn man Rhabarber und Erdbeeren mischt, dann wird das Kompott noch milder.“ Bärbel Clauss friert klein geschnittene Rhabarberstangen roh ein: „Dann habe ich immer einen Vorrat. Wenn’s pressiert, gebe ich die gefrorenen Stücke direkt auf einen mit etwas Grieß bestreuten Mürbteig, gieße den Guss darüber und habe einen wunderbaren Kuchen.“ Im Hofladen gibt’s darüber hinaus Rhabarber-Vanille-Bonbons, Rhabarber-Erdbeer-Aufstrich und Sirup aus den säuerlichen Stangen: „Mit Mineralwasser aufgegossen ergibt der Sirup als Rhabarberschorle einen tollen Durstlöscher. Und mit Prosecco serviert ist das ein leckerer Aperitif“, empfiehlt Bärbel Clauss.