Im Vordergrund entsteht die Halle zur Produktion von Etikettiermaschinen. In der Grube hinten wird das Werk für Haftmaterial wachsen. Links der Herma-Hauptsitz. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Der Etiketten-Spezialist Herma baut in Filderstadt zwei neue Hallen, eine für Etikettiermaschinen, die andere zur Produktion von Haftmaterial. Der Standort Deizisau wird aufgegeben.

Filderstadt - Für 100 Millionen Euro baut die Firma Herma in Filderstadt-Bonlanden zwei Fabrikgebäude. Eine Halle nimmt die Produktion von Etikettiermaschinen auf, die derzeit noch in Deizisau hergestellt werden. Diesen Standort gibt der Etikettenspezialist auf. Das Gelände wurde bereits 2016 an den Maschinenbauer Index verkauft.

2015 habe sich die „einmalige Chance“ ergeben, das Unternehmen in Filderstadt zu konzentrieren, sagt Sven Schneller, der Vorsitzende der Geschäftsleitung. Direkt gegenüber dem Hauptsitz konnte Herma das Gelände des Strickmaschinenherstellers Sulzer & Morat übernehmen. „Wir haben uns in Deizisau fast 50 Jahre wohl gefühlt“, betont Schneller, es habe sogar schon ein Baugesuch für die Erweiterung dort gegeben. Aber das Miteinander an einem Standort habe für die Konzentration gesprochen. Die 180 Deizisauer Mitarbeiter möchte die Firma halten, für ein Drittel der Leute liege Bonlanden sogar näher, sagt Schneller. In Filderstadt werden dann etwa 900 Mitarbeiter für Herma tätig sein.

Das Erdgeschoss für die Etikettiermaschinen-Halle ist bereits betoniert. Der Umzug aus Deizisau soll Ende 2018 abgeschlossen sein. Mit Umzügen habe man ja Erfahrung, sagt Schneller. 2008 gab Herma den alten Stammsitz in Stuttgart-Wangen auf und verlegte die Maschinenproduktion nach Deizisau, die dortige Druckerei wanderte nach Bonlanden.

4000 handliche Etikettierer pro Jahr

Mit Etikettiermaschinen macht der Selbstklebe-Spezialist etwa 50 Millionen Euro Jahresumsatz, es ist die kleinste der drei Sparten. Produziert werden handliche Etikettierer, etwa 4000 Stück im Jahr, und Etikettiermaschinen, die Teil einer Verpackungsanlage sind.

Jährlich etwa 200 Millionen Euro Umsatz macht Herma mit Haftmaterial. Dieser Produktionszweig wächst rasant – seit Jahren im zweistelligen Bereich, sagt Thomas Baumgärtner, Geschäftsführer für diese Sparte. Deshalb will Herma zehn Jahre nach dem letzten neuen Fabrikgebäude schon wieder bauen: Es wird die zweite Halle neben dem Etikettierer-Gebäude. Die zwei 70 bis 80 Meter langen neuen Beschichtungs-Maschinen werden mehrere hundert Tonnen wiegen. Um das Gewicht aufzunehmen, wurden im Herbst 460 Betonpfähle in den Boden gerammt.

In den Beschichtungs-Maschinen steckt das Know-how, das Herma an der Weltspitze hält. Selbst die 2008 gebaute Maschine sei weltweit immer noch die modernste, sagt Baumgärtner stolz. Zwei Dinge muss so ein Koloss beherrschen: das Trägerpapier mit Silikon beschichten und die Etikettenrollen mit Klebstoff. Nur ein Mikrometer dünn wird das klebstoffabweisende Silikon aufgetragen. Für die Beschichtung gibt es verschiedene Rezepturen, abhängig von der gewünschten Trennkraft – also der Kraft, die benötigt wird, um den „Bebber“ abzuziehen. Umwelttechnisch sei Silikon unbedenklich, sagt Baumgärtner, man verwende wässrige Acryllösungen und zertifiziertes Papier. Das reißfeste Trägerpapier, der wertvollere Bestandteil des Etiketts, werde wiederverwertet.

Zweischichtiges Klebeverfahren als Markenzeichen

Zu Hermas Markenzeichen ist laut Baumgärtner jedoch das zweischichtige Klebeverfahren geworden. Die Papierrolle wird zeitgleich mit zwei verschiedenen Klebstoffen benetzt: Wie ein Vorhang fallen die Materialien auf die schnell laufende zwei Meter breite Papierrolle. Ein Kleber sorgt für gute Hafteigenschaft, der andere dafür, dass die klebrige Etikette gut stanzbar bleibt. Die Vorhang-Beschichtung erlaubt hohe Geschwindigkeiten. Pro Minute durchlaufen 1200 Meter Papier oder Folie diesen Prozess. Täglich produziert Herma 500 Tonnen Haftmaterial, mit der Jahresproduktion könnte man eine ein Meter breite Bahn bis zum Mond legen.

20 Prozent des produzierten Haftmaterials werden im eigenen Haus verbraucht, um selbst Etiketten herzustellen. In dieser Sparte erwirtschaftet Herma etwa 90 Millionen Euro. Der Online-Versandhandel beschere auch hier steigende Nachfrage, sagt Geschäftsführer Schneller. Die Herausforderung bei der Etiketten-Herstellung besteht darin, das Material optimal einzusetzen. Tagsüber sammelt Herma die Aufträge, dann wird über Algorithmen das günstigste Schnittmuster für sämtliche Aufträge berechnet, und nachts werden die Etiketten aus den Rollen geschnitten, um handliche Formate zu erhalten.

Diese Technik soll im Prinzip auch in der neuen Halle angewendet werden. Innovativ wird das fahrerlose Transportsystem auf Schlitten. Die Energieeffizienz soll gesteigert werden, und dank eines Blockheizkraftwerkes kann das neue Werk, das nur auf der anderen Straßenseite liegt, autonom laufen.