In vielen Haushalten läuft der Handyvertrag auf den Namen des Mannes. Foto: dpa - dpa

Frauenhäuser haben meist geheime Adressen. Aber in Zeiten von Ortungs-Apps und Spionage-Software müssen Mitarbeiterinnen immer auf der Hut sein.

Kreis EsslingenDer Gang ins Frauenhaus ist nicht leicht. Frauen, die in einer Beziehung Gewalt erfahren haben, werden dort zu ihrem eigenen Schutz und zum Schutz ihrer Kinder isoliert, dürfen keinen Besuch empfangen. Ein Anknüpfungspunkt zu ihrem früheren Leben, der ihnen noch bleibt, ist ihr Handy. Doch gerade das nutzen oftmals die gewalttätigen (Ex-)Partner der Frauen aus, um weiterhin Druck auf sie auszuüben. Oder sogar, um sie in dem Frauenhaus, dessen Adresse nicht bekannt ist, aufzuspüren. Die zunehmende Digitalisierung im Alltag gefährdet also die Anonymität der Frauenhäuser.

Auch die drei Frauenhäuser im Kreis Esslingen müssen deshalb versuchen, den perfiden Tricks der Partner von Gewaltopfern immer einen Schritt voraus zu sein. Und es gibt kein allgemeingültiges Vorgehen. „Wir wollen niemanden dazu zwingen, sein Handy abzugeben“, sagt Sarah Seibold vom Frauenhaus des Esslinger Vereins „Frauen helfen Frauen“. „Ein generelles Handyverbot ist für uns keine Lösung, weil die Frauen sowieso schon isoliert sind und sich allein fühlen. Sie brauchen also zumindest den Kontakt mit und den Zuspruch von Freunden.“

Apps machen Ortung einfach

Ähnlich handhabt es auch das Kirchheimer Frauenhaus. „Wir sagen den Frauen, sie sollen die Ortungsfunktion an ihrem Handy ausstellen“, sagt Irmgard Pfleiderer vom Kirchheimer Verein „Frauen helfen Frauen“. Auch im Frauen- und Kinderschutzhaus Filder werden Handys mit Vorsicht behandelt. „Wir machen als erstes eine Gefährdungsabschätzung, schalten das GPS und oft auch das Handy aus“, sagt eine sozialpädagogische Mitarbeiterin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Aber damit ist es noch nicht getan, weiß Seibold. „Bevor wir mit den Frauen ins Frauenhaus fahren, versuchen wir festzustellen, ob sich auf dem Smartphone irgendwelche Spionage-Software befindet“, sagt sie. „Wir versuchen auch von den Frauen zu erfragen, ob ihr Mann in der Lage wäre, solche Software auf ihr Handy zu laden.“ Um das festzustellen, sei manchmal sogar die Hilfe von Spezialisten nötig. Besteht der dringende Verdacht, dass das Handy ausspioniert wird, bleibt nur eines: ein neues Telefon.

Doch wer seinem Partner nachspionieren und beispielsweise dessen Handy orten möchte, hat heutzutage leichtes Spiel, wissen die Frauenhausmitarbeiterinnen. „Es gibt zahlreiche Apps und Internetdienste, die damit werben, dass man durch sie immer weiß, wo sich der Partner aufhält“, weiß Seibold. „Es wird überhaupt nicht problematisiert, dass das auch Stalking ist.“ Solche Anwendungen seien nicht nur ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, sie züchten auch ungesunde Beziehungen heran, beschreibt Seibold das Problem. Die Sensibilisierung für das Thema müsse schon im Kindesalter anfangen. „Die wachsen heutzutage damit auf, dass sie immer wissen, wo ihre Freunde sind.“ Das führe oft dazu, dass schon Teenager sich untereinander mit Zwängen belegen und sich erpressen.

Der Umgang mit sozialen Medien bedürfe gerade im Frauenhaus jeder Menge Aufklärung. „Viele Frauen wissen einfach nicht, wie viele Apps Zugriff auf ihren Standort haben“, sagt Seibold. „Wir hatten mal eine Frau, bei der alle Fotos, die sie gemacht hat, automatisch auf Facebook hochgeladen wurden.“ Es gibt noch ein weiteres Problem. „Wenn es zum Beispiel noch einen Tablet-Computer gibt, der zu Hause liegt, aber mit dem Smartphone der Frau synchronisiert ist, dann ist es für den gewalttätigen Partner ein Leichtes, den Standort der Frau herauszufinden“, sagt Seibold. „Wir müssen darum immer auf dem neuesten Stand bleiben und uns ständig fortbilden. Das wird sicher auch in Zukunft ein großes Problem bleiben.“

So sieht es auch die bereits genannte sozialpädagogische Mitarbeiterin des Frauen- und Kinderschutzhauses Filder. Neben den beliebten Ortungs-Apps greifen einige Männer zu deutlich perfideren Mitteln. „Es ist bei uns in der Vergangenheit einmal vorgekommen, dass ein Vater seiner Tochter, die im Frauenhaus untergebracht war, bei einem Treffen eine Puppe geschenkt hat. Erst zu Hause fiel auf, dass diese eine seltsame Naht am Rücken hatte. Als diese aufgetrennt wurde, fand man darin ein Handy, auf dem eine Ortungs-Software installiert war.“ Der Mann sei durch seine Maßnahme tatsächlich in der Lage gewesen, seine ehemalige Partnerin in der Nähe des Frauenhauses zu orten und abzupassen. „So etwas darf einfach nicht passieren. In solchen Fällen müsste dem Vater der Umgang untersagt werden. Wir brauchen einfach mehr Schutzmaßnahmen.“

Digitaler Schutz für Frauen

Wie diese aussehen könnten, dazu hat die Mitarbeiterin des Frauenhauses auf den Fildern mehrere Ideen. Im Idealfall sollte Handyortung über Smartphone-Apps nicht möglich sein, aber auch mit legalen Mitteln lassen sich Handys orten. Ein Problem hier: In vielen Familien kümmert sich immer noch der Mann um alles, was mit Technik zu tun hat. „Wenn der Handyvertrag der Frau auf den Namen des Mannes läuft, kann er beim Mobilfunkanbieter anrufen und vorgeben, sein Handy sei gestohlen worden und er wolle es orten lassen“, sagt sie. Das komme immer wieder vor. „Wir raten den Frauen, neue Handyverträge abzuschließen und aus den alten auszusteigen.“ Doch auch das gestalte sich oft schwierig. „Das wäre ein Wunsch von uns, dass es für Frauen, die ins Frauenhaus einziehen, einfacher sein muss, aus einem Handyvertrag auszusteigen.“

Die Wunschliste der Frauenhausmitarbeiterinnen ist nicht lang, aber der Inhalt ist für sie von großer Bedeutung. „Wenn eine Frau zum Beispiel durch ihr Handy geortet werden kann, besteht das Risiko, dass sie zu ihrer Sicherheit das Frauenhaus wechseln muss. Und das wäre gerade für die Kinder, die ja schon ihre gewohnte Umgebung verlassen mussten, eine Katastrophe.“