Das Festival bietet der „Do-it-yourself-Szene“ eine Plattform. Foto: Ait Atmane - Ait Atmane

Das Deizisauer Festival „Voices & Guitars“ bot handgemachte Akustikmusik. Mit dabei war auch ein Duo aus Esslingen - Francesco Caruso und Koray Cinar.

DeizisauVoices & Guitars: Der Titel des kleinen Deizisauer Festivals klingt ein bisschen nach Lagerfeuer-Jugend im vergangenen Jahrhundert. Doch es gibt eine junge Musikszene für handgemachte Akustikmusik, und einige ihrer Vertreter bescherten dem Publikum in der Zehntscheuer einen Abend voller Überraschungen und Höhepunkten. Zehntscheuer-Mitarbeiter Jochen Lung-Müller, selbst Musiker, verfolgt die „Do-it-yourself-Szene“ der Singer-Songwriter und Liedermacher aufmerksam. Dieses Jahr hatte er zusätzlich zum guten Näschen eine Portion Glück: Erst nachdem er das Deutsch-Pop-Duo Parallel, dessen Management in Deizisau sitzt, gebucht hatte, seien die Jungs „echt durch die Decke“ gegangen. Sie nahmen eine Single mit Cassandra Steen auf, wurden von den Medien entdeckt und spielten, so Lung-Müller, „auf allen coolen Festivals“.

Jetzt stehen Francesco Caruso und Koray Cinar also auf der Bühne in der Zehntscheuer und das, wie sie mit Nachdruck versichern, mit Vergnügen. Sie kommen aus Esslingen, viele Jahre lang sei die Königstraße ihr Studio gewesen, sagen die beiden. Obwohl sie mittlerweile einige Berühmtheit erlangt haben, sind Auftritte in ihrer Heimat doch eher selten. Umso größer sei die Freude, nahe Esslingen zu spielen. „Deizisau ist natürlich auch mega“, fügen sie wohlerzogen hinzu. Koray ist allerdings deutlich nervöser als sonst, denn auch Freunde und Verwandte sind im Publikum, darunter seine Oma – da steigt der Druck.

Von einem Raketenstart, den Lung-Müller ihnen bei der Ankündigung bescheinigt, wollen die beiden lieber nicht reden. Und längst nicht jeder im Publikum kennt sie, wie die zaghaft hochgestreckten Hände zeigen. Aber es sind einige große Fans vor Ort, die sogleich die Refrains mitsingen. Und auch die anderen lassen sich sofort vom Rhythmus mitziehen. „Jetzt gibt es etwas mehr Bewegung“, kündigt Francesco an. „Ich hoffe, ihr habt eure Tanzschuhe dabei.“ Den Anfang hat an diesem Abend „Sibbi“ gemacht, ein Singer-Songwriter aus Esslingen mit melancholischen Gitarrenballaden und packenden, rein instrumentalen Gitarren-Stücken. Dass er auch mit einer Heavy-Metal-Formation unterwegs ist, wie Lung-Müller verrät, hätte keiner gedacht.

Die Wienerin Mela, die eigentlich Marie Spaemann heißt, ist mit ihrem Cello im klassischen Bereich preisgekrönt und hat in den großen Häusern der Welt gespielt. Gleichzeitig schreibt sie eigene, ungewöhnliche Songs, in denen ihre soulige Stimme und das Cello eine wunderbare Symbiose eingehen. Eine Schublade findet man für diese faszinierenden und schönen Stücke zwischen Soul, Jazz, Klassik und Weltmusik kaum.

Der ruhigen Hälfte des Abends folgt die bewegte mit Parallel und mit Manufactura Music, einer Tübinger Formation. Umbaupausen braucht es nicht, das Publikum dreht sich für den Wechsel zwischen den Künstlern einfach um 180 Grad, denn in der Zehntscheuer sind zwei einander gegenüberliegende Bühnen aufgebaut. Beide sind mit filigranen, weißen Holzkunstwerken dekoriert – das Werk Ehrenamtlicher, die überhaupt die ganze Veranstaltung wesentlich tragen, wie Lung-Müller betont. Angefangen beim Streetfood-Markt am Nachmittag, bei dem der Kartoffelsalat mit einem Schluck Bratensoß‘ ebenso wie die Kässpätzle im Pappbecher gereicht wird.

Im Kelterhof treten vor dem eigentlichen Konzert junge Newcomer der Straßenmusik auf: Wie Anna Paulin, die nach dem Studium ein Straßenmusikjahr in Italien eingelegt hat und mit viel Temperament und starker Stimme eine enorme Präsenz zeigt. Davor spielten Moon & Wine, ebenfalls aus der Region, deren drei Mitglieder beinahe etwas verlegen wirken. Doch als Sängerin Elif Taskin, die Hände tief in den Taschen ihrer Strickjacke versenkt, mit ihrer glasklaren Stimme zu singen begann, ist die Aufmerksamkeit schlagartig bei ihr. Erst seit wenigen Monaten besteht diese Gruppe, die das Festival nutzt, um mal „in Kontakt zu kommen“ mit dem Publikum. Das sitzt unterm Lindenbaum an Biertischen und ist ebenso überrascht wie hingerissen.