Es geht nicht um Gemütlichkeit, sondern um die Etikette: Zugeprostet wird auf Distanz, aber nicht angestoßen, erklärt Gudrun Weichselgartner-Nopper. Foto: Karin Ait Atmane - Karin Ait Atmane

Wie man sich in einem Bewerbungsgespräche oder bei einem verhalten muss haben Schüler der Realschule Wernau in einem Knigge-Kurs gelernt.

WernauSind gute Umgangsformen ein alter Zopf? Die Neuntklässler der Realschule Wernau finden das ganz und gar nicht. Sie sind beim Knigge-Seminar mit Benimm-Trainerin Gudrun Weichselgartner-Nopper ausgesprochen interessiert und haben Spaß an den Übungen.

Der erste Eindruck zählt: Das ist bekannt und auch die Wernauer Schülerinnen und Schüler erfahren, wie wichtig die ersten Sekunden beim Kennenlernen sind. Gut, wenn man da sicher auftritt und weiß, wie man grüßt und in ein Gespräch einsteigt. Allerdings macht auch eine Ungeschicktheit nicht unbedingt alles kaputt, denn abseits aller Regeln gibt es ein Zaubermittel, das ihnen die Benimm-Trainerin auch verrät: Lächeln – das weckt Sympathie und bügelt vieles wieder aus. Das ist ein Trostpflaster für die Teenager, die an diesem Tag eine Fülle von Informationen und Regeln aufsaugen wie Tafelschwämme.

Bei vielen stehen bald Vorstellungsgespräche an, aber ihnen ist ganz offensichtlich auch an gutem Benehmen im Alltag gelegen. „Denkt dran, wir sind bei einem Business-Essen“, sagt Weichselgartner-Nopper, als die Gruppe mit mehr als 20 Jugendlichen und Klassenlehrerin Jasmin Christner im Restaurant Calabria eintrifft. Zuvor hat sie sich in der Realschule bereits mit Körperhaltung und Kleidung beschäftigt und sämtliche Varianten des Grüßens durchgespielt. Wenn sich Alt und Jung, Mann und Frau, Chef und Mitarbeiterin begegnen – wer grüßt zuerst? Wer entscheidet, ob Hände geschüttelt werden oder nicht? Wie stellt man sich vor? Die Erklärungen vertieften die Jugendlichen in Rollenspielen, damit sie sitzen.

In der Pizzeria üben sie jetzt realitätsnah Tischmanieren: für den Fall, dass es im Assessment-Center ein gemeinsames Essen gibt, oder einfach fürs Leben. Sie bekämen hier tolle Konditionen, sagt die Knigge-Trainerin, und den Schülerinnen und Schülern mache es riesigen Spaß: „Wenn du Spaß hast, lernst du auch mehr.“ Gudrun Weichselgartner-Nopper platziert Jungen und Mädchen im Wechsel, zeigt, wie man Servietten faltet, den Tisch korrekt deckt, verschiedene Gläser unterscheidet. Das geht Schlag auf Schlag in flottem Tempo, beim Thema Kommunikation lässt sie sich aber mehr Zeit. Worüber sollte man bei einer Einladung zum Essen reden? Jedenfalls nicht über Unangenehmes, Unappetitliches, über Geld oder Intimes. Ebenso seien Religion oder Politik „immer ein bisschen riskant“, gibt sie zu bedenken.

Allzu viel bleibt da nicht übrig, aber man könnte ja mit dem Anlass des Beisammenseins ins Gespräch einsteigen – so, wie man sich überhaupt „ein bisschen am Gastgeber orientiert“. Trinkt der keinen Alkohol, sollte man darauf besser auch verzichten. Will er mit Sekt anstoßen, sollte man mitmachen oder mit einem kleinen Schluck, den man diskret stehen lassen kann, so tun als ob.

Besprochen werden auch taktvolle Ausreden, wenn man etwas nicht mag, oder wie das Besteck auf dem Teller signalisiert, dass abgeräumt werden darf. Lennart, Amon und weitere Jugendliche servieren ihren Mitschülern. Die anderen halten sich am Tisch gerade, immer mal wieder streut Weichselgartner-Nopper die Anweisung „Ellbogen vom Tisch“ ein. Und Stephania Zito vom Calabria hält eine kleine Herausforderung bereit: Es gibt Spaghetti. „Wisst ihr, wie man die isst?“, fragt die Knigge-Trainerin und erklärt, dass der Löffel beim Wickeln hilft, aber nicht zum Mund wandert.

„Hat’s geschmeckt?“, fragt Amon, als er die Teller abräumt. „Der kriegt Extra-Trinkgeld“, kommentieren seine Mitschüler. Gudrun Weichselgartner-Nopper ist ohnehin sehr angetan von dieser Klasse: „Da habe ich schon andere gehabt“. Mit Quizfragen geht sie noch einmal durch die Inhalte des Vormittags, dann bekommen alle ihr „Knigge-Diplom“. Sie finden gut, was sie gelernt haben. Es sei zwar „ganz schön anstrengend, auf Dauer gerade zu sitzen“, sagt Leonie, nimmt sich aber vor, ihre neuen Kenntnisse öfter mal anzuwenden. Vielleicht nicht gerade jeden Tag zu Hause, sagt sie, aber vielleicht „wenn Oma und Opa kommen“.