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Kirschen-Fans freuen sich über leckere Früchte, aber die heimischen Obstbauern bleiben auf der Ernte sitzen.

NürtingenDie Kirschernte ist im vollen Gange. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr sind die Bäume wieder voll behangen, und auf den Märkten im Landkreis Esslingen ist das Angebot groß. Für Obstbauern ist die gute Ernte allerdings nicht nur positiv.

„Die Kirschen, die ich bis jetzt gesehen und probiert habe, sind durchweg perfekt.“ Albrecht Schützinger, Obst- und Gartenbaufachberater beim Esslinger Landratsamt, ist zufrieden mit der bisherigen Kirschernte im Landkreis. „Vergangenes Jahr sind im April nahezu alle Kirschen erfroren“, erinnert er sich an den Frost, der die rote Frucht zu einem seltenen Genuss gemacht hatte.

Erntebeginn rückt nach vorn

In diesem Jahr erlebten Obstbauern das genaue Gegenteil: Sommerliche Temperaturen bereits im April und Mai. „Durch diese Witterungsbedingungen reifen sehr schnell viele Sorten“, sagt Schützinger. Die erste Kirschenbegehung hatte er schon Ende Mai im Neidlinger Tal. „Da waren schon die ersten Kirschen reif. Das ist wirklich sehr früh.“ Erntebeginn war bereits Anfang Juni. „Er rückt immer weiter nach vorne.“

Allerdings hatten auch die starken Regenfälle in den vergangenen Wochen Auswirkungen auf die Kirschen. Denn die Frucht zieht sich mit Regenwasser voll, bis schließlich die Haut der Kirsche platzt. „Diese massiven Regenfälle sind in diesem Jahr extrem“, so der Experte. Bei hoher Luftfeuchtigkeit fühlen sich zudem Pilze wohl, und die Früchte werden schneller von Fäulnis befallen. Eine weitere Gefahr für die Kirschen: die Kirschessigfliege.

Eine erfolgreiche Kirschernte erfordert also einiges an Know-how. „Allerdings gibt es bei uns im Landkreis sehr viele Obstbauern, die mit diesen Umständen sehr gut umgehen können“, so Schützinger. Daher falle die Ernte trotz aller Widrigkeiten ordentlich aus.

Überangebot auf dem Markt

Bei Martin Weber hält sich die Euphorie dennoch in Grenzen. Der Vorsitzende des Arbeitskreises Obstbau im Kreisverband der Obst- und Gartenbauvereine Nürtingen weiß: „Viele Obstbauern bleiben auf ihren Früchten sitzen.“ Zwar sei die Ernte in diesem Jahr nicht schlecht, dadurch gebe es aber ein Überangebot auf dem Markt. Ein großes Angebot bedeutet niedrige Preise. „Im letzten Jahr hat die Menge gefehlt, da haben die Preise im Handel sehr angezogen“, sagt Schützinger. Jetzt gebe es eine regelrechte Kirschen-Schwemme.

Besonders zu schaffen macht den Händlern die Ware aus dem Ausland. Die Regale in den Supermärkten sind voll von Früchten aus Italien, Spanien und der Türkei. „Die werden zu Dumpingpreisen verkauft, mit denen heimische Obstbauern nicht mithalten können“, so Weber, der gemeinsam mit seinen Brüdern das Schneckenhoflädle in Frickenhausen betreibt und hier auch eigene Kirschen anbietet. „Kilopreise unter vier Euro sind unterhalb der Gürtelgrenze“, so Weber. Der Aufwand bei der Kirschernte sei so hoch, dass man unter einem solchen Kilopreis keinen Gewinn erzielen könne. „Allein für die Erntekosten muss man 1,50 Euro pro Kilogramm berechnen. Dann sind noch immer nicht die Wiesen gemäht und die Bäume beschnitten“, gibt Weber zu bedenken. Er appelliert deshalb an Händler und Verbraucher, mehr auf heimische Kirschen zu setzen.

„Diese Problematik spürt hier jeder“, sagt Landratsamt-Experte Schützinger. Laut ihm sind die heimischen Kirschen qualitativ besser: „In der Regel kann das heimische Obst vollreifer geerntet werden. Außerdem fallen die langen Transportwege weg.“

Kirschen-Fans sollten die gute Ernte in diesem Jahr jedenfalls genießen, so lange es geht. Ungefähr bis zum Beginn der Sommerferien dauert die Kirschen-Saison. „Dadurch, dass wir in diesem Jahr sehr früh dran sind, kann es durchaus sein, dass die Saison kürzer ausfällt“, sagt Schützinger.