Den Raum für ihre Performer bereitet Martina Geiger-Gerlach aus Stuttgart mit viel Liebe zum Detail vor. Quelle: Unbekannt

Von Elisabeth Maier

Getrocknete Goldruten hängen von den Wänden in der Rupert-Mayer-Kapelle des Kunstvereins Neuhausen. In einem Seitenraum hat die Künstlerin Anke Zürn, die in Biel in der Schweiz lebt, ihr Goldlabor aufgebaut. Die Pflanzen kommen aus Kalifornien; heute sind sie auch hier sehr weit verbreitet, vor allem an Bahndämmen und auf steinigem Untergrund. In einem metallenen Topf siedet die innovative Künstlerin und Chemikerin eine klebrige Masse. So filtert sie Farbstoffe heraus. Damit vergoldet sie geschöpftes Papier. „Mir geht es darum, den verantwortungslosen Umgang mit Ressourcen zu zeigen“, sagt Zürn, die viel im Senegal arbeitet. Daher versteht sie ihre Kunstaktionen als politische Statements.

Das Projekt der Wahl-Schweizerin, die in Esslingen aufgewachsen ist, zeigt der Kunstverein Neuhausen im Rahmen der Reihe „Our Mind Into A Brezel“ (frei nach einem Zitat des belgischen Notenbankers Bernard Litaer: „Geld lässt uns nicht mehr geradeaus denken“). Die Eröffnung ist morgen um 19 Uhr. Da stellen Susanne Jakob, Kai Bauer und Hans Winkler das Projekt vor, das Kunst und Gesellschaftskritik verbindet. „Neue Sichtweisen auf Tauschmittel, Finanzwelt und Ökonomie“ lautet der Untertitel der Präsentation von Aktionen und Projekten, die dann bis 4. Dezember in der ehemaligen Jesuitenkapelle in der Rupert-Mayer-Straße zu erleben ist. Mit ihren Aktionen reflektieren die Künstler die überdrehte Finanzwelt.

Zerbröselte Geldscheine

Kurator ist der Konzeptkünstler Hans Winkler, der in Berlin und New York lebt. Der gebürtige Bayer unterrichtet am Arts Institute in San Francisco und ließ unter anderem durch seine Interventionen auf horchen. So sammelte er 2007 Geldscheine aus aller Welt. Die Banknoten bearbeitete er mit Schwefelsäure. Die zerfressenen Scheine hat er in Bilderrahmen gespannt und stellt sie nun auch in Neuhausen aus. Für dieses Projekt interessierte sich auch die Polizei, denn das Zerstören von Banknoten ist nicht gestattet. „Mit Geld spielt man nicht“, habe er von einem Vertreter der Notenbank zu hören bekommen. Die Aktion spiegelt den Verfall einstmals starker Währungen. Auch einen D-Mark-Schein hat die Säure zerbröselt.

Ein Vorbild für den Künstler war der Politaktivist Abbie Hoffman. Der ließ 1967 in der New Yorker Börse in seinem Projekt „Wall Street Is War Street“ Dollarscheine auf die Börsenhändler regnen. „Danach haben sich die hoch dotierten Banker gebückt“, erinnert Winkler an die Aktion. Sie ist, wie andere künstlerische Interventionen, in einer Schau im sogenannten Laienkäfig dokumentiert. Da durften nach den Worten der künstlerischen Leiterin Susanne Jakob einst die Gläubigen aus Neuhausen als Zaungäste die Gottesdienste der Jesuiten verfolgen. Jetzt sind dort Objekte zu sehen.

Das Konzept der Ausstellung spricht auch ein Publikum an, das sonst kaum Zugang zur Kunst hat. Mit ihrem Projekt „Performen“ will Martina Geiger-Gerlach die Flüchtlinge, die in der Zeltunterkunst in Neuhausen leben, zu Akteuren machen. Für das karge Stundensalär von 80 Cent dürfen sie ihren Raum bespielen. Dazu hat sie ein Foto von der Staatsgalerie auf Holzwände gespannt.

„Ich inszeniere den Raum“, beschreibt die Künstlerin ihr Konzept. Den Flüchtlingen hat sie ihre Pläne in der Zeltunterkunft vorgestellt. „Ich hoffe, dass viele an den Ausstellungstagen kommen“, sagt die Absolventin der Stuttgarter Akademie für Bildende Kunst. Mit ihrem Projekt will sie nicht nur zeigen, wie Asylsuchende in der Gesellschaft an den Rand gedrängt werden, weil sie von Arbeitsprozessen ausgeschlossen sind. Sie wolle den Menschen eine Stimme geben, Begegnungen möglich machen. „Nach der Eröffnung überlasse ich ihnen den Raum“, sagt sie und lacht. Ihr Projekt sei so etwas wie ein Franchise-Unternehmen.

LangzeitStudie des Kunstvereins

Ökonomie und Kunst: Mit dem mehrteiligen Kunstprojekt „Our Mind Into A Brezel“ will Susanne Jakob, Leiterin des Kunstvereins Neuhausen, einen neuen Blick auf Finanzwelt und Ökonomie eröffnen. Der Kurator Hans Winkler, mit dem die bestens vernetzte Kunstwissenschaftlerin seit langem zusammenarbeitet, will die Künstler auch zum Nachdenken über Mechanismen des Kunstmarkts anregen. Die Ausstellung in der Kapelle des Kunstvereins, Rupert-Mayer-Straße 68, hat samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Weitere Termine können individuell vereinbart werden: kv.neuhausen@gmail.com; Tel. 01 72/545 13 45.

Heiner Flassbeck kommt: Am Donnerstag, 20. Oktober, 19 Uhr, kommt der Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck. Er war Ende der 90er-Jahre Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen. 2003 bis 2012 wechselte er als Chefvolkswirt zur UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung nach Genf. In Neuhausen will er mit den Besuchern über finanzpolitische Fragen ins Gespräch kommen.