Landesverbandspräsident Ulrich Kinkel und Imkerin Sabine Wagner sorgen sich um die Bienen. Werden die Völker nicht geschützt, setzen ihnen auch im Winter Varroamilben zu. Foto: Dietrich Quelle: Unbekannt

Von Peter Dietrich

Glyphosat gilt als Insektenkiller. „Katastrophal“ nennt deshalb Ulrich Kinkel, Präsident des Landesverbands Württembergischer Imker und Vizepräsident des Deutschen Imkerbunds, die verlängerte Zulassung des sehr umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat. Doch das ist nicht das einzige Thema, das den Landesverband, der seinen Sitz in Reichenbach hat, beschäftigt. Gab es im Jahr 2004 in Württemberg 8500 Imker, sind es aktuell 14 000. Allerdings nahm die Zahl der Bienenvölker nicht entsprechend zu. „Das sind viele junge Leute, die etwas für die Natur tun möchten und nur drei oder vier Völker haben“, sagt Kinkel. Er freut sich aber über das Interesse an der Imkerei.

Ulrich Kinkel kennt den Hunger nach Horrormeldungen, differenziert aber und beginnt im Jahr 2008. Damals wurden im Rheintal 10 000 Bienenvölker geschädigt. Ein Beizmittel haftete schlecht an den Maiskörnern, ein Teil des Mittels wurde beim Säen abgestreift und verweht. „Heute darf das Beizmittel nur von zertifizierten Betrieben angewandt werden.“ Kinkel lehnt Beizen nicht ab: „Raps wird erst im Herbst gebeizt und ausgesät, da schadet es den Bienen nicht. Ist das verboten, müssten die Landwirte im Frühjahr und Sommer mehr spritzen, das könnte eventuell den Rapshonig belasten.“ Werde der Rapsanbau durch Spritzmittel teurer, wichen Bauern auf Soja aus: „Der bringt den Bienen nichts.“

Für Bienen kritisch sind Neonicotinoide. In Feldversuchen brachten sie Bienen um ihre Orientierung. „Das ist ein Nervengift, ein Abkömmling vom Nikotin. Einige wurden vom Europäischen Gerichtshof verboten. Bayer und Monsanto haben Revision eingelegt, sind aber nicht durchgekommen.“ Schon ganz kleine Dosen chemischer Substanzen können Bienen schädigen. Durch immer feinere Messmethoden sind im Honig schon minimale Rückstände nachweisbar. „Wir wollen kein Glyphosat im Honig“, betont Kinkel. Die deutschlandweit gesammelten Daten zu Rückständen lassen Fragen offen, die Werte sind ganz unterschiedlich. Warum, wisse man nicht. Ein Problem für die Bienen sei der Maisanbau. Inzwischen sei die Pollenversorgung in der Stadt besser als in manchen landwirtschaftlich genutzten Gebieten. Noch eine Veränderung macht Kinkel aus: „Heute blüht alles gleichzeitig. Die Abfolge von früher, zuerst die Obstblüten, dann die Wiese, zum Schluss der Raps auf der Alb, gibt es nicht mehr. Zudem verblüht der Raps heute schneller, so wurde er gezüchtet.“

Sabine Wagner begann 2011 mit der Imkerei, inzwischen hat sie mehr als 200 Völker und erntet neben Honig auch Blütenpollen. Ein Volk zählt im Sommer 30 000 bis 40 000 Bienen. „Wegen der Varroamilbe gäbe es ohne Imker keine Honigbiene mehr“, sagt sie, „außerdem fehlen den Bienen die natürlichen Nistplätze.“ Die Ernte 2017 litt unter der Frostnacht Mitte April. Blütenhonig sei selten, sagt Sabine Wagner. Es gab bei Linde, Ahorn und Rosskastanie gar nichts. Das sei aber regional verschieden, in Norddeutschland sehe es besser aus. Dafür gab es 2017 im Süden extrem viel Waldhonig.

Viel Arbeit macht den Imkern die Varroamilbe. Ulrich Kinkel schwört auf das baden-württembergische Behandlungskonzept mit Ameisensäure im Sommer nach der Honigernte und Oxalsäure im Winter. „Das ist ein riesiger Aufwand, es kommt auf die Temperatur und Luftfeuchtigkeit an“, sagt Sabine Wagner. Bis 21. Dezember muss das erledigt sein, denn die sensiblen Bienen merken die Wintersonnwende und reagieren sofort darauf. Aber so gebe es keine Rückstände, betont Ulrich Kinkel, anders als beim „chemischen Hammer“ Amitraz, gegen den die Varroamilbe zudem Resistenzen entwickle.

Deutscher Honig wird streng kontrolliert. Wenn die Imker im Deutschen Imkerbund alle zwei Jahre ihren Honig zur Prämierung einreichen, wird er auf Rückstände untersucht. Auch das Veterinäramt hatte Sabine Wagner in diesem Jahr zu Besuch, es hatte nichts zu beanstanden. 70 Prozent der Nahrungsmittel seien von der Bestäubung abhängig, weiß Kinkel. Doch die Natur sei wie so oft sehr großzügig. „Wenn nur fünf Prozent der Blüten bestäubt werden, reicht das schon für eine Vollernte.“

Deutschland deckt seinen Honigbedarf nur zu einem Viertel selbst. Der große Rest wird importiert. Ulrich Kinkel weist auf eine Tagung von 2016 hin, bei der bekannt wurde, dass 32 Prozent der untersuchten Importhonige Scheinhonige aus Reis- oder Maismelasse waren. „Das ist ein Abfallprodukt bei der Herstellung von Zucker. Es wurden zur Tarnung sogar Pollen aus Europa zugefügt.“ Weltweit steige die Zahl der Bienenvölker, vor allem in China, Argentinien, Spanien und der Türkei. Honig aus China sei sehr billig, aber der Weltmarktpreis für gute Qualität steige. Kinkel: „In Rumänien sind die Preise doppelt so hoch wie bei uns, in Marokko kostet das Kilo Honig 40 Euro. In islamischen Ländern ist Honig etwas Heiliges.“