Vor Feuer dürfen die Polizeipferde keine Scheu haben. Im Idealfall gehen sie hindurch - so wie hier bei einer Vorführung anlässlich der Hengstparade in Marbach. Quelle: Unbekannt

„Wenn ich sage: Das machen wir, dann macht er es.“ Das Vertrauen zwischen Reiter und Pferd muss da sein. „Der Vorteil vom Pferd ist, dass es viel schneller ist als die Kollegen zu Fuß“, sagt Ulrike Klein. Heimat ist für mich ... sich daheim zu fühlen, sich wohlzufühlen. Heimat - das sind Orte. Ulrike Klein Polizeireiterin Reiterstaffel Stuttgart

Von Stephanie Danner

Wenn man Ulrike Klein fragt, wie lange sie ihren Job schon macht, nennt sie wie aus dem Effeff den 12. Februar 1996. Das war ihr erster Dienst-Tag als Polizeireiterin. „Da habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht“, sagt sie. Ihre Leidenschaft für Pferde merkt man ihr an: Liebevoll krault sie ihr Dienstpferd Quemeran, tätschelt dessen Hals und redet in ruhigen Worten mit ihm. Der Wallach steht ihr seit acht Jahren bei Einsätzen aller Art zur Seite. Sein Zuhause ist der Reitstall der Polizeireiterstaffel Stuttgart, idyllisch gelegen im Körschtal bei Kemnat. Dort haben 20 Polizeipferde ihre Heimat. Ungefähr 30 Polizisten tun dort ihren Dienst. Seit der Polizeireform 2014 gehört die Reiterstaffel zur Bereitschaftspolizei Göppingen und somit zum Polizeipräsidium Einsatz.

Die Art der Einsätze ist sehr vielfältig. Bei Fußballspielen oder Demonstrationen sind die Polizeireiter dabei. Viele Einsätze beschränken sich auf Baden-Württemberg, doch im Juli haben die Reiterinnen und Reiter ihre Kollegen während der Krawalle beim G-20-Gipfel in Hamburg unterstützt. „Der Vorteil vom Pferd ist, dass es viel schneller ist als die Kollegen zu Fuß“, sagt Ulrike Klein. So komme man rasch vom einen Straßenzug in den anderen. „Die Reiter greifen auch ein, wenn die Fußkräfte Unterstützung brauchen“, sagt die Polizistin, die seit 25 Jahren im Dienst ist. Bei Fußballspielen sind Beginn und Ende der Partie gesetzt. „Sonst ist die Situation unberechenbar - je nach Fans.“ Der Vorteil sei, dass man während des Fußballspiels absitzen könne. Die Pferde werden mit Futter und Wasser versorgt.

Während einer Links-Rechts-Demo in Karlsruhe hat Ulrike Klein vor einigen Wochen sieben Stunden im Sattel zugebracht. Das Schlimmste daran sei, dass irgendwann der Hintern weh tue, sagt die Polizeihauptmeisterin. „Die Zeit geht schnell rum und die Konzentration ist da“, versichert sie. Je nach Einsatz haben die Beamten an ihrer Ausrüstung schwer zu tragen. Die normale Schutzweste wiege um die zwei Kilogramm. „Das geht noch.“ Bei großen Einsätzen, die gefährlich werden könnten, tragen sie eine Panzerung, die mehrere Kilo wiegt, und einen Schutzhelm.

Brenzlig werde es, wenn sich die Polizeireiter zwischen zwei gegnerischen Gruppen befinden und diese auseinanderhalten müssen. „Da denkt man dann schon: Hoffentlich geht alles gut“, sagt Ulrike Klein. Wie reagieren die Leute? Bleibt alles ruhig? Eskaliert die Situation? Man müsse sehr genau auf die Menschen ringsherum achten. Ihre schlimmste Vorstellung ist, dass Eltern mit Kinderwagen zwischen den Demonstranten sind. „Das gibt es“, sagt die 43-Jährige, die selbst Mutter zweier Kinder ist. In solchen Momenten sei es äußerst wichtig, aufs Pferd zu hören. Darum kann ein Polizeireiter nicht mit einem x-beliebigen Pferd in den Einsatz gehen. Er muss es in- und auswendig kennen.

Quemeran sei „ein altes Pferd mit ein paar Macken“. Der Württemberger, der mit vier Jahren vom Haupt- und Landesgestüt Marbach ins Körschtal kam, mag keine große, laute Menschenmasse. „Trotzdem nehme ich ihn auf Demos mit.“ Wenn er nervös werde, lasse sie sich zurückfallen, bis ihr vierbeiniger Begleiter sich wieder gefangen habe. „Die Pferde dürfen zucken und kurz zögern. Umdrehen geht nicht.“ Das regelmäßige Training von Einsatzsituationen steht deshalb auf der Tagesordnung. Gewöhnung, heißt das im Fachjargon. Neben Dressur- und Sprungübungen wird mit den Tieren geprobt, wie sie sich verhalten, wenn Plastikbänder flattern, und vor Feuer dürfen die Pferde nicht zurückschrecken. Wenn Chaoten etwa bei Fußballspielen mit Pyrotechnik hantieren, müssen die Vierbeiner ebenfalls gewappnet sein.

Das trainieren die Reiter auf ihrem Platz im Körschtal oder in der Reithalle. Ulrike Klein lenkt ihr Warmblut im Schritt über die Sandfläche und schwingt eine gelb-schwarze Fahne vor Quemerans Kopf hin und her. Das Pferd zuckt nicht einmal, als sie ihm das Stück Stoff über die Augen legt. „Das ist seine Spezialität“, sagt Ulrike Klein amüsiert - und die Freude über die Arbeit mit ihrem treuen Begleiter ist ihr anzumerken. Trotz der Sichtbehinderung trottet das Tier weiter. Gelassenheit und Ruhe nennt die Reiterin als wichtige Charaktereigenschaft eines Polizeipferdes. Außerdem müsse es neugierig sein und gesund. Schließlich werden Rücken und Beine während der langen Einsätze stark beansprucht.

In der Regel werden junge Pferde ausgewählt, die in ihre Rolle hineinwachsen. Sie werden einige Wochen getestet und dann in der sogenannten Remonten-Abteilung ausgebildet. Zwei Jahre gehen junge Pferde dort in die Lehre. Eingesetzt werden nur Wallache, weil sie leichter zu händeln sind als Stuten oder Hengste. Die ersten Einsätze haben die Pferde im Streifendienst. Hoch zu Ross unterstützen die Reiter ihre Kollegen im Revier, etwa bei der Einbrecherjagd. Gärten seien vom Pferderücken aus viel besser einsehbar, erläutert Ulrike Klein. Sie weiß: „Da ist man von den Bürgern gern gesehen.“ Man komme eher ins Gespräch als die Kollegen im Auto. Gerade in ländlichen Gebieten werde die Unterstützung der Polizeireiter häufig angefragt. „Ich bin dadurch schon in Ortschaften gewesen, die ich sonst nie besucht hätte. Das ist eine Bereicherung“, schwärmt sie.

Ähnlich wie die Pferde werden auch junge Kollegen langsam an ihre Aufgaben herangeführt. „Das ist Learning by Doing“, sagt Ulrike Klein. Bei jungen Polizisten ist die Reiterstaffel beliebt. Zur Vorstellung gehört auch das Vorreiten.

Bei Großeinsätzen sind die Teams ebenso durchmischt: erfahrene Reiter, junge Reiter, erfahrene Pferde, junge Pferde. „So kann sich ein Pferd mal hinter einem anderen verstecken“, sagt Ulrike Klein, die auch in der Freizeit gern aufs Pferd sitzt. Ihr eigenes steht in einem Reitstall in Köngen. Auch ihre 13-jährige Tochter habe sie schon mit ihrer Pferdeliebe angesteckt, erzählt die Berkheimerin.

Neben geplanten Einsätzen werden die Beamten der Polizeireiterstaffel immer wieder spontan zu Einsätzen gerufen. Wenn Menschen vermisst werden und ein Waldstück abzusuchen ist, werden sie angefragt. Oder wenn ein Täter auf der Flucht ist. In unwegsamem Gelände haben die Reiter Vorteile. Viel angenehmer als Unglücke oder Vermisstenfälle sind freilich Termine, bei denen die Polizeireiter ihr Können zeigen. So sind sie bei den German Masters dabei und bei der Hengstparade in Marbach. Von dort stammen einige der Stuttgarter Pferde. Dann zeigen sie, wie die Huftiere Hindernisse aus Feuer überwinden. Um das zu üben, entzündet Ulrike Klein auf dem Reitplatz Stroh mit Benzin, das binnen kurzer Zeit lichterloh brennt. „Das Pferd ist ein Fluchttier. Aber es muss lernen, mit Außenreizen umzugehen und Ängste auszuhalten“, sagt sie. „Wenn ich sage: Das machen wir, dann macht er es.“ Das Vertrauen zwischen Pferd und Reiter muss zu 100 Prozent da sein. Zwischen Ulrike Klein und Quemeran stimmt die Chemie. Quemeran geht regelrecht für sie durchs Feuer.

Bei einer weiteren Übung spannen Kollegen ein Plakat auf, wie es auf Demonstrationen häufig zu sehen ist. Das Pferd muss durch. Quemeran marschiert los - und das Plakat reißt. Da erzählt Ulrike Klein von Zenit, dem dienstältesten Polizeipferd, das mit 31 Jahren gestorben ist. „Der konnte lesen und schreiben“, sagt die Polizistin scherzhaft, aber mit viel Anerkennung. Zenit habe bei Demonstrationen Plakate sogar zerbissen.

Solche Pferde sind Gold wert. „Aber es ist schwierig, entsprechend gute Pferde zu bekommen“, sagt Ulrike Klein. Zum einen ist das Budget begrenzt. Zum anderen eignet sich nicht jedes Pferd für den Polizeidienst. Manche Eigenschaften lassen sich auch durch viel Training nicht abstellen. Immer wieder muss beispielsweise mit Böllern geübt werden. Nicht der laute Knall sei für die Tiere erschreckend. „Sie fürchten den Rauch“, erzählt Ulrike Klein. Auch da müssen sie durch. Nach getaner Arbeit führt Ulrike Klein Quemeran zurück in die Box. Er wird nochmals getätschelt und gelobt. Die Futterration wartet schon.

In der Serie „Menschen und ihre Heimat“ stellen wir Personen vor, die sich im Kreis Esslingen und der Region aus ganz unterschiedlichen Gründen heimisch fühlen. Sie geben Einblick in ihr Arbeitsleben und ihre Verbundenheit mit der Region.