Quelle: Unbekannt

Von Patrick Kuolt

Jürgen Burkhardt fällt auf. Extravagant sieht er aus. Und vor allem: haarig. Bärtig, um genau zu sein. Denn der Bart ist Burkhardts Markenzeichen. Stolze 93 Zentimeter einfache Länge misst die Gesichtsbehaarung des 59-jährigen Vorsitzenden des Bart- und Kulturclubs „Belle Moustache“ aus Leinfelden-Echterdingen. „Das macht 1,80 Meter Spannweite“, merkt Burkhardt lächelnd und mit einer gehörigen Portion Stolz in der Stimme an.

Moment mal. Spannweite? Ein Bart, der so breit wie der deutsche Durchschnittsmann groß ist? Das mag für den einen oder anderen irritierend, fast schon unglaublich klingen. Aber es geht. Alles, was man dafür braucht, sind ein handelsüblicher Haarföhn, Haarspray, starker Haarlack - und eine Menge Geduld. Bei Bart-Wettbewerben, an denen die etwa 100 Mitglieder von Belle Moustache regelmäßig teilnehmen, sei er so schon an den Start gegangen, erzählt Burkhardt - mit dem Bart in voller Länge waagerecht von den Backen abstehend. „Sechs Stunden hat es damals gedauert, bis alles gehalten hat. Man muss dabei die Gesetze der Schwerkraft überwinden. Denn Barthaare sind zwar nicht sehr schwer, aber bei fast einem Meter Länge auf jeder Seite wird es doch zur Herausforderung, das hinzubekommen“, sagt der 59-jährige Fotograf und Fotodesigner, der in Stetten lebt und arbeitet.

Bart als Kunstwerk

Privat trägt Burkhardt seinen opulenten Bart allerdings weder quer noch „offen“. Er lässt die Haare nicht einfach wie sie gewachsen sind herunterhängen, sondern formt sie auf beiden Seiten mit einer speziellen Bürste zu jeweils gleich großen Kreisen. „Ich spreche dabei gerne von kurviger Harmonie. Das ist meine Frisur für jeden Tag“, sagt der Künstler, der mit seinen ausgefallenen Kreationen in den vergangenen Jahren bei internationalen Bart-Wettbewerben eine beeindruckende Sammlung an Titeln angehäuft hat. Für Jürgen Burkhardt und seine Kollegen bei Belle Moustache ist ein Bart nicht bloße Gesichtsbehaarung, sondern Kunstwerk, Markenzeichen, Lebensstil und Ausdruck von Kreativität. 1993 nahm er im Schwarzwald erstmals an einem Wettbewerb teil, „um zu sehen, wie so etwas abläuft“.

Allerdings eignete sich sein damaliger Bart für verschiedene Kategorien ein bisschen, aber für keine richtig. „Um bei den Backenbärten teilnehmen zu können, war er deutlich zu kurz und für die Schnauzbartklasse war er zu lang“, erinnert sich der 59-Jährige. Er beendete die Meisterschaften dennoch unter den besten Zehn - sein Ehrgeiz war geweckt.

„Ich bin gleich einem Bartclub beigetreten, weil mir die Atmosphäre und die Menschen dort gefallen haben“, sagt Burkhardt. 1996 ging es für ihn richtig los. Erst triumphierte der Stettener bei der Bart-Olympiade in Österreich, ein Jahr später bei den Weltmeisterschaften im norwegischen Trondheim. Dort sogar doppelt, denn Burkhardt wurde sowohl Weltmeister in der Kategorie „Kaiserliche Backenbärte“ als auch Weltmeister aller Klassen.

Gemeinnütziger Verein

2002 folgte die Geburtsstunde von Belle Moustache. Mit 17 Mitgliedern wurde der Bart- und Kulturclub gegründet. Mit einer Besonderheit: Der Club ist der einzige gemeinnützige Bartclub in Deutschland. So veranstaltet Belle Moustache Kulturabende, ist mit einem eigenen Stand beim Krautfest vertreten und bietet dort mit verschiedenen Aktionen Unterhaltung für die Besucher. Jedes Jahr wird außerdem der Titel „Bart des Jahres“ vergeben. Mit einer individuell für jeden Ausgezeichneten gefertigten Skulptur werden Bartträger geehrt, die im abgelaufenen Jahr Großes geleistet und so etwas für die Popularität des Bartes getan haben. Star-Koch Johann Lafer, Schauspieler Mario Adorf, Henning Krautmacher von der Kölner Band „Die Höhner“ und, ganz aktuell, Handball-Nationaltorwart Andreas Wolff zählen unter anderem zu den Preisträgern. „Mit allen ist im Laufe der Zeit dadurch ein dauerhafter Kontakt entstanden. Es ist wie in einer großen Familie“, freut sich Burkhardt.

Regelmäßig finden Workshops für Bartträger statt, bei denen sich die Teilnehmer von Weltmeistern unter dem Motto „Vom Bärtle zum Meisterbart!“ Tipps und Kniffe zur richtigen Pflege und zum Styling der Gesichtsbehaarung holen können.

Jürgen Burkhardt ist der Präsident des Vereins. Und er ist dessen Gesicht, gewissermaßen derjenige, der den Laden morgens aufschließt, und abends derjenige, der das Licht ausmacht. Und er ist es gern, das spürt man, wenn er von seinem Club erzählt, wenn er über seine Passion, die Bärte, redet und vor allem, wenn er sagt: „Bärte sind Antennen, mit denen man Fröhlichkeit ausstrahlt.“

Kategorien bei Bart-wettbewerben

Bei Bart-Wettbewerben gibt es vier Ober- und 18 Unterkategorien. Die übergeordneten Klassen sind Schnauzbärte, Kinn- und Backenbärte, Vollbärte und Trendbärte. Innerhalb jeder Kategorie gibt es weitere Klassen, etwa die Klasse „Naturale“. Hier gilt das Motto: „Je natürlicher, desto besser.“ Hilfsmittel wie Haarspray oder Bartwichse zum Modellieren des Barts sind nicht erlaubt. Andere Kategorien, etwa „Ungarisch“, „Englisch“ oder „Chinesisch“, orientieren sich an Vorbildern aus einer bestimmten geographischen Region, weitere an historischen Bartträgern. So gibt es zum Beispiel den „Kinnbart Musketier“, den „Schnauzbart Dali“, den „Vollbart Verdi“ oder verschiedene „kaiserliche“ Bärte. Der nächste große Wettbewerb für den Bartclub Belle Moustache steht im kommenden Jahr an. Mit voraussichtlich 15 Teilnehmern tritt der Verein dann bei den Bart-Weltmeisterschaften in Austin, Texas an.