Als Kind wurde Kera Rachel Cooks Mutter oft auf ihre hübsche Tochter angesprochen. „Damit ich nicht zu eingebildet werde, hat sie mich hässliches Entlein genannt.“ Das habe sie damals ebenso belastet wie die Tatsache, dass ihr Vater die Familie verließ und zurück nach Amerika ging, als sie erst zwei Jahre alt war. „Weil ich kein Selbstbewusstsein hatte, wollte ich Model werden, da habe ich Anerkennung gesucht“, blickte die 29-Jährige heute kritisch auf ihre Karriere zurück. Vor Schülerinnen der Köngener Burgschule sprach die Autorin, die in Tübingen ihren Master in Literaturwissenschaft und Kulturtheorie machte, nicht nur sehr ehrlich über ihr Aus bei Heidi Klums Show „Germany’s Next Top Model“ im Jahr 2011 - damals verpasste sie als 19. knapp ein Ticket für die Endrunde in Südafrika. „Ich will jungen Mädchen und Frauen Mut machen, ihren Körper so anzunehmen, wie er ist.“
Der riesige Druck beim Casting für die Model-Show habe bei ihr ein Umdenken ausgelöst, „aber das kam erst ganz langsam.“ Denn damals sagte die hoch gewachsene Deutschamerikanerin in einem Interview, dass sie es „gerne geschafft“ hätte. Inzwischen hört sich das anders an. „Ich erzähle Euch so ehrlich von meinem Leben, weil ich nicht möchte, dass Ihr dieselben Fehler macht.“ Diese Erkenntnis vermittelt die junge Frau mit den langen braunen Haaren so ehrlich, dass man ihren den Sinneswandel sehr gut nachvollziehen kann.
Glamour, schöne Autos und Reisen hätten für sie früher die Welt der Topmodels ausgemacht. „Das wollte ich auch“, sagt die junge Frau, die eigentlich am liebsten Schauspielerin geworden wäre. Schon in der Schule bekam sie erste Model-Aufträge, „obwohl ich groß und eigentlich zu schwer war“. Eine Modelagentur in München stellte ihr einen Vertrag in Aussicht, „allerdings unter der Bedingung, dass ich sehr viel abnehme“. Mit dem rigorosen Verzicht auf Pizza, Schokolade und Eis schaffte sie das auch. Aber die Disziplin hielt nicht lange an. „Ich liebe Schokolade zu sehr.“ Nach den Fressattacken kamen Appetitzügler und Abführmittel. Schließlich diagnostizierten Ärzte bei ihr eine Bulimie (Ess-Brech-Sucht).
Das Schauspielstudium in Hamburg und die Arbeit und das Engagements als „Plus-Size-Model“ hätten sie weg vom Schlankheitswahn gebracht, aber der Druck lastete weiter auf ihr. Weitere Klinikaufenthalte folgten, bis die Studentin aus Böblingen ihr Essverhalten im Griff hatte. Dann studierte sie in Tübingen, hält heute Vorträge über Essstörungen und will jungen Frauen helfen, mit sich und ihrem Körper glücklich zu sein. Das tut sie auf ihrem Youtube-Kanal „Fräulein Cookie“. Da gibt sie gesunde Abnehm-Tipps und will „ein gutes Lebensgefühl“ vermitteln, kein verlogenes. In den Medien würden „Schönheitsideale verkauft, die für junge Mädchen schädlich sind“. Dazu zeigte sie Titelfotos einschlägiger Zeitschriften. Mit einem Video bewies Cook, dass viele Bilder von Models und Schauspielerinnen mit Photoshop bearbeitet werden. Von der Identität bleibe da oft nicht viel übrig. „Wollt Ihr nicht lieber Ihr selbst sein?“
Einfühlsam ging sie auf Fragen der Schülerinnen ein, verwickelte sie in ehrliche Gespräche. „Die Jungs sind eher zufrieden mit ihrem Körper“, sagte eine Schülerin. „Die finden sich einfach gut.“ Eine andere erzählte von der Konkurrenz, die gerade unter Schülerinnen herrscht. Immer wieder erinnerte sich Cook da an ihre eigene Jugend. Da sage keine, „hey, Du hast aber schöne Beine.“
Auf die Frage, wer denn „Germany‘s Next Topmodel“ anschaue, meldeten sich viele. Aber es gefällt nicht allen. Dass sich Leticia ihre Haare abrasieren lassen musste, „obwohl die es gar nicht wollte“, hat einige erschreckt. „Da geht es nicht mehr um die eigene Identität“, sagte Cook. Dennoch wollten die Schülerinnen wissen, wer wohl gewinne. Weil sie ihre Materarbeit über die Show geschrieben habe, „schau ich mir diese Staffel noch an“, verriet Cook. Dann sei es das für sie aber gewesen. Lena und Laura fanden den Vortrag spannend: „Wir gucken die Show schon an, aber jetzt viel kritischer.“