Joachim Kreutz (links) und Otto Ruppaner zeigen Hand und Frauengestalt. Foto: Weller - Weller

Eine geöffnete Hand soll Eltern und Angehörigen von Totgeborenen, auch Sternenkinder genannt, die Möglichkeit zur Trauer geben. Der Frankfurter Künstler Joachim Kreutz arbeitet derzeit an der Skulptur für den Köngener Friedhof. Bei einem Workshop gibt er betroffenen Familien die Möglichkeit, mit eigenen Kunstwerken der Trauer Gestalt zu geben.

KöngenEinen Platz für die Trauer gibt die Gemeinde Köngen Eltern, die ein Kind vor oder nach der Geburt verloren haben. Der Frankfurter Künstler Joachim Kreutz gestaltet auf dem Friedhof ein Denkmal für trauernde Eltern von totgeborenen Kindern, auch Schmetterlings- oder Sternenkinder genannt. „Es ist wichtig, der Trauer eine Gestalt zu geben“, findet der Bildhauer. Kreutz arbeitet zurzeit an einer Skulptur aus hessischem Diabas-Gestein, die eine geöffnete Hand zeigt. Darauf liegt ein umgestülpter Würfel.

Rund um diesen zentralen Stein sollen betroffene Mütter, Väter, Geschwister oder Großeltern ab Freitag, 5. Oktober, gemeinsam mit Joachim Kreutz selbst Steine für ihre toten Kinder schleifen – so glatt, dass sie sich wie Handschmeichler anfühlen (bis einschließlich 10. Oktober). Der Workshop, den Angelika von der Dellen von der Familienbildungsarbeit Köngen koordiniert, richtet sich an betroffene Familien aus der ganzen Region. Nicht nur beim gemeinsamen künstlerischen Arbeiten, sondern auch durch den Austausch mit anderen Betroffenen sollen die Eltern ihren Schmerz verarbeiten.

Das besondere Trauerprojekt macht die Gerhard- und Christa-Maier-Stiftung in Köngen möglich. „Wir bieten Eltern auf dem Friedhof mit unserer Gedenkstätte eine Möglichkeit, um ihre Kinder zu trauern“, sagt Köngens Bürgermeister Otto Ruppaner über das Projekt. Dabei handle es sich nicht um eine Grabstätte, sondern um einen Ort, an dem Angehörige trauern könnten. Ruppaner ist dankbar, dass die Stifter dieses Projekt möglich machen. Mit Joachim Kreutz habe man einen Künstler gefunden, „der viel Erfahrung mit trauernden Eltern hat.“Im hessischen Dietzenbach hat Kreutz bereits eine Skulptur mit Eltern totgeborener Kinder gestaltet. „Dieses Werk wird zwar ähnlich aussehen, aber die Haltung der geöffneten Hand ist in Köngen dennoch anders.“ Die Gespräche mit Eltern haben den sensiblen Künstler bewegt. Beim Workshop auf dem Köngener Friedhof will er mit den Betroffenen nicht nur künstlerisch arbeiten. Im Prozess des Schaffens ergebe sich immer wieder ein Austausch. „Für dieses Vertrauen bin ich sehr dankbar“, sagt Kreutz.

Zur Präsentation seines Projekts im Köngener Rathaus kam er nicht nur mit einem Modell der geöffneten Hand. Aus Abfällen des Steins, aus dem die Skulptur für den Friedhof Köngen entsteht, hat Kreutz eine filigrane Figur geschaffen, die schmale Gestalt einer Frau. „Sie strahlt Mütterlichkeit aus“, kommentierte Bürgermeister Ruppaner das besondere Geschenk des Künstlers. 3,2 Tonnen wiegt das Kunstwerk, das in einem abgelegenen Bereich des Köngener Friedhofs Platz finden soll.

Die Köngener Pfarrerin Ursula Ullmann-Rau und Susanne Hepp-Kottmann, seit September katholische Krankenhausseelsorgerin im Klinikum Esslingen, begleiten das Projekt. Auch beim Workshop möchten die Theologinnen präsent sein. „Wir möchten Familien aus der ganzen Region ansprechen“, sagt Ursula Ullmann-Rau. Die evangelische Pfarrerin weiß, wie wichtig solche Orte der Trauer sind. „Lange war es tabu, über den Verlust eines Kindes vor der Geburt zu sprechen.“ Sie weiß von Menschen, die ihren Schmerz darüber auch nach 50 Jahren noch nicht verarbeitet haben. „Es ist auch später noch wichtig, Trauer zuzulassen.“

Bewusst will Joachim Kreutz zu dem Workshop auch jene Eltern und Angehörigen einladen, deren Jungen oder Mädchen auf die Welt kommen durften und die dann später verstorben sind. „Ich durfte erfahren, aus welcher Tiefe Kunst im Trauerprozess entsteht“, sagt der Bildhauer. Diesen Prozess möchte er in eine Gestalt bringen, „die andere ansehen können.“ Der Schmerz über den Verlust soll nach seinen Worten einen sichtbaren Raum in der Welt einnehmen. Durch die Arbeit mit Steinen könnten die Angehörigen „für ihre toten Kinder etwas tun.“ Das erlebten viele als ein Geschenk.

„Wir wissen nicht, was für eine einschneidende Erfahrung der Verlust eines Kindes für die betroffenen Eltern ist“, sagt Gemeinderat Günther Hoffelner, der im Vorstand der Gerhard- und-Christa-Maier-Stiftung sitzt. Deshalb wolle man mit der Gedenkstätte Sensibilität für die Schicksale der Betroffenen wecken, sasgt der Familienvater. Sein Vorstandskollege Gerhard Gorzellik (SPD) hebt die Besonderheit des Projekts hervor, das Trauernden aus der Region Platz gebe. Er wünscht sich, dass die Betroffenen in Köngen TRost finden. Eine Begräbnisstätte habe man ganz bewusst nicht schaffen wollen.

Begleitend zum Aufbau der Gedenkstätte auf dem Köngener Friedhof findet am Dienstag, 16. Oktober, 20 bis 21.45 Uhr im Schulbergkindergarten Köngen ein Vortrag mit der Esslinger Krankenhauseelsorgerin Susanne Englert statt. Der Titel lautet „Wenn der Anfang ein Abschied ist.“ Sie betrachtet das Thema aus theologischer Sicht. Mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Köngener Friedhofskapelle wird die Anlage dann am Sonntag, 28. Oktober, ab 14 Uhr eingeweiht.

Der Workshop für trauernde Angehörige findet von Freitag bis Mittwoch, 5. bis 10. Oktober, auf dem Betriebshof des Köngener Friedhofs in der Bilderhäuslenstraße 35 statt (außer Sonntag, 7. Oktober). Arbeitszeiten sind täglich von 9 bis 12 und von 15 bis 18 Uhr. Anmeldung bei der Familienbildungsarbeit, Kiesweg 10, Köngen, Telefon 07024/868789 oder anmeldung@fba-koengen.de. Die Teilnahme ist für trauernde Eltern kostenlos.