Petra Thaidigsmann im Gespräch mit Steimetzmeister Uwe Kahl (links) vor dem Fischbrunnen. Der Reichenbacher Frank Haffner (Mitte) hat der SWR-Redakteurin einiges zur Ortsgeschichte erzählt. Quelle: Unbekannt

Haar in der Suppe, Haare im Essen - nein Danke. Das passt nicht zusammen, und es ist schon ein bisschen gewagt, ein Restaurant „Haarschlotzer“ zu nennen. Das dachte sich auch Petra Thaidigsmann, Redakteurin beim SWR-Fernsehen, als ihr in Reichenbach das gleichnamige Gasthaus auffiel. Sie war am Dienstag mit ihrem Kamerateam vor Ort bei Wirt Klaus Vögele.„Reichenbach hat wirklich eine schöne Ortsmitte - ich habe das Gefühl, es gibt hier alles.“

Von Karin Ait Atmane

Die ganze Woche lang ist „Landesschau mobil“ auf Entdeckungstour in Reichenbach und dreht Beiträge, die Ende Januar ausgestrahlt werden. Die Reichenbacher haben dem Fernsehteam einige Vorschläge gemacht, über den „Haarschlotzer“ ist die Redakteurin aber selbst gestolpert und neugierig geworden. Sie rief bei Wirt Klaus Vögele an, der zunächst zögerte - vor allem was den bei ihm immer sehr belebten Dienstag als Drehtag anging. Aber dann fiel ihm ein, dass just an diesem Tag der Jahrgang 1929/30 seinen Stammtisch hatte. „Die können die Geschichte am besten erzählen“, war er überzeugt.

Vorher geahnt haben die drei Paare, die dann zum Stammtisch eintreffen, allerdings nichts. Das Drehteam läuft quasi gleichzeitig mit ihnen ein und bittet zum spontanen Interview. „Da hätten wir uns schöner angezogen, wenn wir das gewusst hätten“, sagt Christina Rothmaier, „unsere Sonntagskleider!“ Aber es geht ganz leger, „frei Schmauze“, so ihr Mann Günther.

Drei Ur-Reichenbacher, die miteinander die Schule besucht haben, sitzen am Tisch, jeweils mit Partner oder Partnerin. Und dass sie wissen, was es mit dem „Haarschlotzer“ auf sich hat, ist auch eher Zufall und einem Bild zu verdanken, das früher im Nebenzimmer des Gasthauses hing - unter vielen alten Bildern aus dem Ort. „Da war an der Wand ein großes Gemälde, ein Spinnrad und ein Text dazu“, erzählt Wilma Künstner. Er besagte, dass die Frauen in der Spinnerei Otto früher immer wieder ihre Finger anfeuchteten, um das Garn zu zwirbeln und einzufädeln. Das brachte ihnen den Namen „Haarschlotzer“ ein, der dann zum Spitzname aller Reichenbacher wurde.

„Das wissen die wenigsten“, sagt die Lebensgefährtin des Wirts Nicole Domingos, die die Gäste im Haarschlotzer bedient. Selbst Klaus Vögele wusste es anfangs nicht, als er die Gastwirtschaft übernahm. Den Namen behielt er zwar bei - „ich lass gern die Traditionen leben“ -, seinen Hintergrund erfuhr er jedoch erst später. Sein Vorgänger Herbert Huttenlocher, der zeitweise auch Gemeinderat war, hat ihn vor 16 Jahren mit Bedacht gewählt und würde sich wohl auch über das Interesse daran freuen. Er ist mittlerweile verstorben.

Die Damen und Herren am Stammtisch kommen derweil ins Sinnieren über alte Zeiten. „Früher war’s halt die Bahnhofswirtschaft, als es dem Unger gehört hat“, erinnert sich Günther Rothmaier. Zeitweise sei ein Kiosk angeschlossen gewesen, der noch früher gegenüber auf dem Bahnhofsvorplatz stand und von Christina Rothmaiers Vater betrieben wurde. Damals fuhren alle Busse dran vorbei und die Leute holten sich schnell, was sie brauchten, erzählt die Reichenbacherin - das Feierabendbier oder sonntags auch Brot.

Um Industrie- und Namensgeschichte geht es auch in anderen Beiträgen, die das SWR diese Woche in der Gemeinde dreht: So hat das Team die restaurierte Dampfmaschine im Rathaus und Reichenbachs „virtuelles Museum“ besucht. Es ist dem Ortsnamen auf den Grund gegangen, hat in diesem Zusammenhang bei Steinmetzmeister Uwe Kahl den frisch restaurierten Fischbrunnen angeschaut und sich von eingesessenen Reichenbachern Geschichten dazu erzählen lassen. Auch kulinarische Genüsse waren ein Thema: „Immerhin haben die Reichenbacher eine Kochschule hier am Ort!“, sagt Thaidigsmann. Viel Freude hatte die Redakteurin auch am Fotokalender zum Ortsjubiläum; sie spürte den Orten und den Menschen hinter den Bildern nach. Nette, aufgeschlossene Leute habe sie hier angetroffen und „wirklich eine schöne Ortsmitte - ich habe das Gefühl, es gibt hier alles“, so die Redakteurin. Und dass es dann auch noch zu regnen aufhörte, machte sie geradezu glücklich.

Die fünf Folgen von „Landeschau mobil“ in Reichenbach werden vom 22. bis zum 26. Januar als Teil der Landesschau zwischen 18.45 und 19.30 Uhr ausgestrahlt; am Samstag, 27. Januar, dann an einem Stück von 18.15 bis 18.45 Uhr.