Der Winterwald bietet dem Albino-Reh gute Tarnung. Im dunklen Tann fällt es mehr auf als andere Tiere. Foto: Pieger - Pieger

In einem Waldstück im Kreis Esslingen ist ein weißes Reh unterwegs. Der Wendlinger Fotograf Markus Pieger berichtet, wie ihm die Aufnahmen des seltenen Tiers gelangen.

Kreis EsslingenMarkus Pieger ist seit mehr als 20 Jahren leidenschaftlicher Naturfotograf, erfahren im Anpirschen und Tarnen. Deshalb sind ihm kürzlich sensationelle Bilder eines Albino-Rehs gelungen, das sich in einem Wald irgendwo im Kreis Esslingen aufhält.

Albinismus ist Folge eines Gendefekts. Eine Störung der Pigmentzellen, die für die dunkle Färbung von Haut, Fell und Augen zuständig sind. Gegenüber Artgenossen sind Albinos benachteiligt, weil sie schlechter sehen, schlecht getarnt sind und oft nicht rechtzeitig fliehen können. Der Mensch fühlt sich jedoch von weißen Tieren seltsam berührt. Das weiße Reh spielte schon in der keltischen Mythologie eine Rolle, es soll die Schutzpatronin Rhyanna verkörpert haben. Und bei Harry Potter verfügt ein weißer Hirsch über magische Kräfte.

Fotograf Pieger hat es nicht so mit Mystik, er ist Fachmann für Lasertechnik. Im Grunde sei es doch immer mystisch, wenn man ein Tier aus nächster Nähe erlebe, das eigentlich ein Fluchttier sei, sagt er gelassen. Aber ein schönes Tier sei das Albino-Reh schon. Im dunklen Wald, wo genau verraten weder das Forstamt noch der Fotograf, fällt das weiße Tier stärker auf als andere Waldbewohner. Deshalb hätten es schon viele Spaziergänger gesehen, erzählt Anton Watzek, Leiter des Kreisforstamts. Aus dem stark entwickelten Gehörn schließt er, dass der Bock schon zwei oder drei Jahre alt ist.

Dem auffälligen Tier so nahe zu kommen, dass man gute Fotos schießen kann, ist eine Kunst. „Man muss unsichtbar werden“, sagt Pieger, „viel Geduld haben und Glück.“ Man müsse viel über die Tiere wissen, Spuren lesen und einen Wildwechsel erkennen können. Auch Witterung und Windrichtung muss der Fotograf einplanen, denn die Fluchtdistanz eines Rehs beträgt 300 Meter. Zweimal war Pieger vergeblich in der Gegend, wo das Tier gesichtet worden war, bevor die Fotos gelangen. „Die Tiere sind ja nicht lautlos, man kriegt schon raus, wo man bessere Chancen hat.“ Morgens, bevor es dämmert, zieht der Fotograf in den Wald und gräbt sich ein. Gute Tarnung sei wichtig, wenn das Licht besser werde, müsse er unsichtbar sein, sagt Pieger. Er hat eine leichte Kamera dabei, mit einem Objektiv 150/2,8. Die Fotos vom weißen Reh seien aus einer Entfernung von 20 bis 30 Metern entstanden.

Er habe das Tier sowohl in der Gruppe gesehen als auch einzeln, berichtet der Hobbyfotgraf. Seinem Eindruck nach hat das Albino-Tier Anschluss an die Gruppe gesucht, doch die anderen hätten versucht, es zu meiden. Offenbar, weil das helle Tier auch sie schnell verraten könnte. Die größte Gefahr für das seltene Reh sei aber vor allem der Verkehr, meint Forstmann Watzek. Jäger hätten eine emotionale Scheu, ein Albino zu erlegen. Blut auf weißem Fell sei auch kein schöner Anblick. Und der alte Aberglaube sagt, dass ein Jäger, der ein weißes Reh erlegt, selbst nicht mehr lange lebt.