Die Toiletten sind veraltet und unhygienisch, der Boden schmutzig. Foto: oh

Mitglieder der Flüchtlingsinitiative WIN kritisieren heftig die Zustände in der Unterkunft Mörikestraße 55 in Neuhausen.

Neuhausen Mit fünf Zimmernachbarn fällt den Geflüchteten die Vorbereitung auf ihre Deutschkurse oder auf Praktika schwer. „Bei so vielen Menschen in einem Zimmer ist es fast unmöglich, aufeinander Rücksicht zu nehmen“, sagt ein junger Mann aus Afghanistan, der in Neuhausen in der Anschlussunterbringung lebt. „Obwohl wir uns sehr bemühen.“ Er ist seit mehr als einem Jahr in Deutschland.

In den beiden Gebäuden in der Mörikestraße 55 wohnen jeweils 75 und 57 Geflüchtete. Sie kommen aus Afghanistan, aus Gambia, aus Eritrea, aus dem Irak, aus Syrien und auch aus dem Kosovo. An einem Tag in der Woche kommen Ehrenamtliche der Initiative Willkommen in Neuhausen (WIN), um mit den Menschen zu sprechen und zu spielen. „Wir tun, was wir können, aber die Zustände sind einfach nicht würdig“, beschreibt Martina Kleinhansl die Situation. Von den Sprachhelfern weiß sie, wie schwierig es ist, in dieser Unterkunft ein ruhiges Plätzchen zum Lernen zu finden. Die fehlende Intimsphäre sei umso schlimmer, als viele die traumatischen Erfahrungen von der Flucht noch gar nicht verarbeitet hätten.

Neue Mitstreiter zu finden sei schwer

Gemeinsam mit Thilo Laupheimer und mit Karin Eisele versucht die engagierte Bürgerin, weitere Mitstreiter für die Arbeit mit den Geflüchteten zu motivieren. Von mehr als 100 Aktiven sind in der Flüchtlingsinitiative gerade mal 15 Männer und Frauen übrig geblieben, die sich kümmern. Laupheimer erinnert daran, dass die Flüchtlinge im Juli 2017 auf dem Schlossplatz campten, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen. „Auch jetzt ist die Lage alles andere als befriedigend.“ Neue Mitstreiter zu finden sei schwer – und das auch angesichts der Zustände in der Unterkunft, die früher ein Gebäude mit Lagerhalle war. Laupheimer verweist da auf andere Gemeinden wie etwa Oberboihingen, die mehr für die Anschlussunterbringung täten.

„Es geht uns doch nicht darum, Anerkennung für unsere freiwillige Arbeit zu bekommen“, stellt Kleinhansl klar. Wichtig sei dem WIN-Team, „dass die Verwaltung dafür sorgt, dass sich die Zustände ändern.“ Das gehört aus Laupheimers Sicht vor allem zur Wertschätzung für das Ehrenamt. „Wir wollen, dass unsere Sorgen gehört werden.“ In einer Studie von 2016/17 hat der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg die Unterkunft in Neuhausen scharf kritisiert.

Um sich häuslich einzurichten, haben die Bewohner einiges getan. Aber die Teppichböden sind stark verschmutzt – wohl noch von der vorherigen Nutzung. Staubsauger gibt es nicht, deshalb haben die Männer Probleme, das Gebäude auch nur notdürftig zu reinigen. Thilo Laupheimer möchte eine Aktion anstoßen, um ihnen ausgediente Staubsauger und Reinigungsmittel zur Verfügung stellen zu können. Die Duschräume sehen abgenutzt aus, die gefliesten Böden wirken unhygienisch. „So dreckig ist es bei uns in Afghanistan nicht“, sagt der junge Mann. Er hat die deutsche Sprache schon recht gut gelernt hat und möchte sich durch Praktika in Deutschland integrieren.

In einem riesigen Raum gibt es eine Einheit mit Kochgelegenheiten. Der Geruch nach verschiedenen Speisen zieht durch die Räume. Daneben steht ein Tisch, an dem einige Männer mit den WIN-Mitgliedern UNO spielen. Unablässig werden Karten gezückt und sortiert. Alle haben Spaß. In der Vorweihnachtszeit gibt es Tee und Mandarinen. Deutsch wird beim Zählen und Karten legen auch gelernt. Gemeinsam zu lachen, das genießen die Männer aus unterschiedlichen Nationen. „Wir haben Freude, sind auf Augenhöhe“, sagt Laupheimer. Er fordert in Neuhausen eine konsequentere Willkommenskultur. „Uns ist wichtig, trotz der Zustände Normalität zu schaffen“, fügt Eisele hinzu. Das gelingt den Mitgliedern der Initiative trotz der Hürden. Auch das WIN-Café im Bürgertreff Ostertagshof und Ausflüge sind wichtige Bausteine.

www.win-neuhausen.de

Flüchtlingsrat berichtet

Verband für Asylsuchende: Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg kümmert sich um die Asylsuchenden und um ihre Belange. Ziel der Juristen, Sozialarbeiter und anderen Teammitglieder ist das Engagement für eine menschliche Flüchtlingspolitik.

Lagertour: Bis Ende Februar hat ein Team des Flüchtlingsrats 26 ausgewählte Unterkünfte in 13 Stadt- und Landkreisen besucht, die als vorbildlich oder als negative Beispiele anzusehen sind. Darunter ist als schlechte Lösung auch die Unterkunft in der Mörikestraße in Neuhausen vermerkt – ebenso wie die Unterkünfte in der Enten- und Bahnhofstraße. „Grundsätzlich eignet sich die Halle nicht zur Unterbringung von Menschen über einen längeren Zeitraum“, schreiben die Gutachter. Als positives Beispiel werden die zwei Gebäude in den Ottenäckern in Kirchheim genannt.

www.fluechtlingsrat-bw.de