Ethik-Unterricht wird derzeit noch nicht allen Schülern im Land angeboten. Bald soll er flächendeckend eingeführt werden. Foto: dpa - dpa

Zum Religionsunterricht gibt es im Südwesten nicht immer Ethik-Stunden als Alternative. Das soll sich nun ändern. Schulleiter in der Region freuen sich über mehr Bildungsgerechtigkeit und mehr Ressourcen.

Kreis EsslingenViele Grundschüler und Kinder in den Unter- und Mittelstufen der weiterführenden Schulen im Land stehen derzeit vor der Wahl, den evangelischen oder katholischen Religionsunterricht zu besuchen – oder nichts. „Die einen haben ein qualifiziertes Angebot und die anderen haben nichts. Da gehört unbedingt etwas hin“, konstatiert Joachim Scheffzek, Leiter des Georgii-Gymnasiums Esslingen und geschäftsführender Schulleiter der Esslinger Gymnasien. Er begrüßt darum die von der Landesregierung geplante Ausweitung des Ethik-Unterrichts. „Das ist ressourcenintensiv und kostet mehr. Aber es geht um Bildungsgerechtigkeit“, so Scheffzek, der die Reform für „seit Jahren fällig“ hält. „Ethik-Unterricht ist ein Fach, in dem explizit die Auseinandersetzung mit dem Zustandekommen und der Gültigkeit von Werten altersgerecht stattfindet – das fehlt den Schülern, die das Angebot nicht haben.“ie Landesregierung sieht das genauso. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, wird sie ab dem Schuljahr 2019/20 den Ethik-Unterricht in der Sekundarstufe I, das heißt Unter- und Mittelstufe an den öffentlichen weiterführenden Schulen, schrittweise ausbauen. Kultusministerin Susanne Eisenmann hat dazu am Dienstag im Ministerrat ihr Konzept vorgestellt. „Der Ausbau des Ethik-Unterrichts ist für die Werteerziehung in den Schulen zentral. Angesichts der wachsenden Anzahl an Schülerinnen und Schülern ohne kirchliche Bindung übernimmt der Ethik-Unterricht eine bedeutende Aufgabe“, sagte sie. An den Realschulen und Gemeinschaftsschulen nehmen nach Ministeriumsangaben mittlerweile knapp ein Drittel, an den Gymnasien ein Viertel und an den Werkreal-/Hauptschulen sogar mehr als die Hälfte nicht am Religionsunterricht teil (siehe Infobox). Derzeit werden Ethik-Stunden aber noch nicht jedem von ihnen als Ersatz angeboten. Die Option gibt es an den Gymnasien ab Klasse 7, an den anderen weiterführenden Schulen erst ab Klasse 8. Die Grundschullehrpläne sehen ein solches Angebot gar nicht vor.

Bei verbindlichem Ganztagesbetrieb stellt das die Bildungseinrichtungen auch vor ressourcenspezifische Herausforderungen, wie Martin Raisch, Rektor der Burgschule Köngen, deutlich macht. „Da wir eine Gemeinschaftsschule sind, haben wir Ganztagesbetrieb.“ Das bedeutet, dass die Betreuung der Schüler der Klassen 5 bis 7, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, gewährleistet und finanziert werden müsse – laut Raisch schätzungsweise ein Viertel seiner Schülerschaft. Doch dafür würden von den Kultusbehörden keine extra Stunden bewilligt. Derzeit wird die Zeit für die Nicht-Religionsschüler in Köngen aus einem Pool an Differenzierungsstunden, den jede Schule hat, bestritten. Die Lehrer, die dafür eingeteilt werden, unterrichten „quasi Ethik“, so Raisch – denn es gibt dafür ja noch keine Lehrpläne. Im laufenden Schuljahr findet in diesen Stunden dagegen ein Sonderprojekt „Schatzsucher“ statt, dass den Teilnehmern helfen soll, ihr Potenzial zu erkennen, erklärt Raisch. „Wir sind sehr dafür, dass flächendeckender Ethik-Unterricht kommt.“

Ab dem Schuljahr 2019/20 wird dieser Wunsch erfüllt. „Das Landesinstitut für Schulentwicklung erarbeitet derzeit Ethik-Bildungspläne für die Klassen 5 bis 7, die bereits diesen Sommer zur Verfügung stehen werden“, so Eisenmann. An den weiterführenden Schulen lehren bereits mehr als 1000 Lehrer das Fach Ethik. Diese werden für den ersten Schritt ihren Fokus stärker auf den Ethiklehrauftrag legen. Überdies wird das Land zusätzliche Lehrkräfte für dieses Fach einstellen, allein für die erste Stufe 71. Für die weiteren Ausbauschritte werde Eisenmann die erforderlichen Ressourcen bei den kommenden Haushaltsaufstellungen beantragen, teilt das Kultusministerium mit. Es rechne mit einem Mehrbedarf von jährlich 114 Deputaten. Dazu, wie groß der Bedarf im Kreis Esslingen ist, konnte die Pressestelle keine Angaben machen. Direkt im Anschluss könnte der Ethik-Unterricht an Grundschulen folgen. Das Landesinstitut für Schulentwicklung ist beauftragt, entsprechende Bildungspläne zu erarbeiten.