Die Artenvielfalt an den Wernauer Baggerseen ist bedroht. Der Raubfisch Wels hat hier keine natürlichen Feinde mehr. Der Nabu-Vorsitzende Wolf Rühle fordert deshalb, den Wels zu bejagen. Archiv Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Daniela Haußmann

In Wernau macht der Wels Wasservögeln das Leben schwer. Wolf Rühle vom Nabu Nürtingen fordert deshalb, ihn regelmäßig zu jagen. In diesem Jahr noch will das Regierungspräsidium handeln.

In den Wernauer Baggerseen lebt der Wels weitgehend alleine. Der Raubfisch, der es mit Leichtigkeit auf zwei Meter Länge und ein stolzes Alter von 80 Jahren bringen kann, stört nach Meinung von Wolf Rühle das natürliche Gleichgewicht in dem über 32 Hektar großen Gebiet. Wenn das Vorstandsmitglied des Nabu Nürtingen zwischen April und September durch sein Fernglas blickt, fehlt von Blässhühnern, Haubentauchern und Co. auf der Wasseroberfläche jede Spur. „Die Vögel meiden die Seen, weil der Wels hier Beute macht“, klagt Rühle.

Deshalb fordert der Nabu-Vertreter vom Regierungspräsidium (RP) Stuttgart, den Wels zu bejagen. „Schließlich handelt es sich bei den Wernauer Baggerseen um ein Naturschutzgebiet, das gerade auch seltenen und bedrohten Wasservögeln einen Balz-, Nist- und Brutplatz bieten sollte“, sagt Rühle. Doch der Wels, der als größter Raubfisch und ohne natürliche Feinde in dem Gewässer gedeiht, wirkt sich aus Sicht des Naturschützers kontraproduktiv auf den Schutz bestimmter, teils bedrohter Tierarten aus.

Die Artenvielfalt ist bedroht

Der Nabu realisiert auf dem Gebiet der ehemaligen Abbaustätte seit Jahren Landschaftspflegemaßnahmen. Ein Engagement, das laut Wolf Rühle Entwicklungspotenzial besitzt. „Am runden Tisch könnten wir gemeinsam mit dem RP und dem Privateigentümer der Baggerseen Konzepte und Maßnahmen entwickeln, die das Gebiet insgesamt aufwerten - auch mit Blick auf Ökopunkte“, erklärt der Landschaftsplaner. Das RP hat im Oktober 2016 über einen Zeitraum von zwei Tagen eine Kontrollbefischung durchgeführt. Dabei sind nach Angaben der Behördenvertreter vier Welse in Augenschein genommen worden, die eine Größe von 70 bis 200 Zentimetern aufwiesen. Diese Maßnahme hat laut dem Regierungspräsidium bestätigt, dass die Befischung auf alle Raubfische wie Hecht, Zander oder Wels intensiviert werden sollte, um einen gesunden Fischbestand im Naturschutzgebiet zu erhalten.

„Doch realistisch betrachtet muss eine Reduzierung der Wels-Population regelmäßig erfolgen“, so der Nabu-Vertreter. „Der Fisch lässt sich aus den Baggerseen nicht mehr entfernen. Umso wichtiger ist es, die Population in Schach zu halten.“ Immerhin legt ein Welsweibchen bis zu 20 000 Eier ab. „Nicht aus allen schlüpfen Jungtiere“, räumt Rühle ein. „Trotzdem gibt es genügend Nachwuchs, um die Artenvielfalt zu bedrohen.“

Eine Befischung in regelmäßigen Abständen findet das RP aktuell nicht notwendig. Allerdings soll nach Behördenangaben möglichst noch in diesem Jahr eine Elektrobefischung im großen und kleinen See durchgeführt werden. Außerdem soll die Befischungszeit um weitere sechs Wochen verlängert werden - also vom 15. September bis Ende Oktober. Ziel sei es dabei, vor allem die Raubfischbestände zu reduzieren. Doch solche Maßnahmen sind für Rühle nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Kritisch stuft er auch die Fischerei außerhalb von Flachwasser- und Uferrandbereichen ein. „Dort nisten und brüten von Mitte Juli bis Mitte August Bodenbrüter. Dazu zählt die sehr seltene Zwergdommel“, erklärt Rühle. „Das Angeln ist in den Baggerseen jedes Jahr zwischen dem 15. Juli und dem 15. September für maximal 15 Tage gestattet. Das stört die Tiere.“

Das RP stellt auch klar, dass das Angeln im Bereich des Röhrichts nicht erlaubt ist. Als Röhricht wird die Vegetationszone bezeichnet, die sich im Flachwasser- und Uferrandbereich befindet. „Konflikte sind also nicht zu erwarten“, sagen die Behördenvertreter. Wolf Rühle sieht das anders, zumal ihm Fotos von Anglern vorliegen, die im Röhrichtbereich ihre Ruten auswerfen. „Das ist eine starke Störung - nicht nur für Bodenbrüter. Mitte August ist die Brutzeit und Aufzucht abgeschlossen. Dann zu angeln, wäre besser“, stellt Rühle fest. Außerdem gibt er zu bedenken, dass der Effekt des Angelns im Vergleich zur Elektrobefischung sehr überschaubar ausfällt: „Während die Angler an mehreren Tagen immer wieder Störungen verursachen, werden die Tiere bei der Methode mit Strom nur einen halben oder ganzen Tag gestört.“ Daher plädiert der Nürtinger Naturschützer für eine Befischung mit hoher Effizienz, die einmal im Jahr stattfindet.