Angekommen: Abgeordneter Nicolas Fink im Sophie-Scholl-Saal Foto: Bulgrin - Bulgrin

Der Wechsel vom Bürgermeisteramt in den Landtag ist Nicolas Fink gut bekommen. „Ich fühle mich rundum wohl“, sagt der 42-Jährige. Auch die erste Rede hat er hinter sich.

Kreis EsslingenWas er zum blauen Anzug an den Füßen trägt? Natürlich Turnschuhe. Nicht die knallroten, die er Ende 2018 nach zwölf Jahren Amtszeit bei seiner Verabschiedung als Bürgermeister in Aichwald geschenkt bekommen hat, sondern schwarze mit weißen Sohlen. Nicolas Fink bleibt sich treu, auch in der höheren Liga, wie er sein neues Aktionsfeld, den baden-württembergischen Landtag, selber nennt. Genauso sportlich wie seine früheren Aufgaben im Rathaus ist der 42-Jährige in seinem neuen Job gestartet. Am 4. April hat er seine erste Rede vor dem Hohen Haus gehalten. Maximal acht Minuten waren die Vorgabe, fünf haben ihm gereicht für seine Ausführungen zur Zukunft Europas. Keine Spur von Lampenfieber. Im Gegenteil, er habe „eher Freude“ verspürt, sagt Fink. Natürlich hat man den Neuen in der 19-köpfigen SPD-Fraktion kritisch beäugt. Doch hat er hat die Chance genutzt und sich gleich abgesetzt von den Landtagskollegen. Mit einer frei gehaltenen Rede, der einzigen an diesem Tag. „Das tut dem Plenum gut. Da kommt mehr Leben rein“, ist der zweifache Familienvater überzeugt.

Er fühle sich „rundum wohl mit der Aufgabe“, sagt der 42-Jährige nach gut 100 Tagen im neuen Amt. Genau das strahlt er auch aus. Und er sei dankbar, dass er diesen Karrieresprung machen durfte. Dass er nicht ewig Rathauschef in der 7800 Einwohner zählenden Schurwaldgemeinde bleiben würde, war allen, die mit ihm zu tun hatten, schnell klar. Mit seiner offenen Art kam er sehr gut an bei den Bürgern. Souverän und klug meisterte er seine Aufgaben als Bürgermeister und empfahl sich für höhere Aufgaben. Als dann Wolfgang Drexler im November ankündigte, dass er sich mit 72 nun aus dem Landtag zurückziehen werde, und Fink als seinen Nachfolger präsentierte, ging es für viele Aichwalder doch etwas zu schnell.

Drexler mit seiner unnachahmlich leutseligen und zupackenden Art zu kopieren, hatte Fink zu keiner Zeit im Sinn. Braucht er auch nicht. Denn er ist auf seine Art nah an den Bürgern und ihren Problemen. Den direkten Kontakt zu suchen, sieht er auch an seiner neuen Wirkungsstätte als seine vornehmliche Aufgabe. Fink ist überzeugt: „Das funktioniert am besten über die Kommunalpolitik.“ Deswegen kandidiert er am 26. Mai an Position 5 auf der SPD-Liste für den Esslinger Gemeinderat. Seine Arbeit im Kreistag möchte der SPD-Politiker ebenfalls fortsetzen. Von den 20 Jahren in der Kommunalpolitik, angefangen 1999 als Gemeinderat in Hochdorf, dann als Ortsvorsteher von Nabern und ab 2006 als Bürgermeister von Aichwald, wird er im Landtag profitieren können. Von Wolfgang Drexler hat Fink das Büro im Abgeordnetenhaus direkt neben dem Schlossplatz übernommen. Zimmer 261 im zweiten Stock, da hat er sich eingerichtet. Man sieht gleich, dass es einem Fußballfan gehört: An der Wand hängen Trikots von seinen Lieblingsclubs VfB Stuttgart und FC St. Pauli. Auch sonst hat sich an den Strukturen nichts verändert. Die Mitarbeiter im Wahlkreisbüro in der Esslinger Katharinenstraße bleiben dieselben, ebenso der Mitarbeiter, der im Abgeordnetenhaus für ein paar Stunden angestellt ist. „Wenn man ein so gut funktionierendes Team um sich hat, fällt einem der Einstieg leicht“, sagt Fink. Für seine Fraktion sitzt der 42-Jährige im Europa- und im Umweltausschuss. Und er wurde zum Sprecher für Entwicklungspolitik gewählt. Da wie dort gebe es viele spannende Themen, ist Fink überzeugt. Vor allem der Europaausschuss sei ihm sehr wichtig. Die Wahl am 26. Mai hält er für ganz entscheidend, denn da werde über die weitere politische Ausrichtung Europas entschieden. Die Zukunft des Kontinents dürfe man nicht Nationalisten und Populisten überlassen, denn das bringe nur Chaos und Unfrieden. Fink will sich vor allem auch für ein soziales Europa einsetzen.

Gerne führt Fink Besuchergruppen durch den Landtag und erklärt ihnen die Arbeit des Parlaments. Das seien für ihn „sehr gewinnbringende Gespräche“, berichtet der 42-Jährige. Da spüre er nichts von der immer wieder kritisierten Politikverdrossenheit. Gerade junge Leute zeigten erstaunliches Interesse an der Politik. Die wachsende Zahl von Schülern bei den Freitagsdemos und ihren Einsatz für die Umwelt sieht er sehr positiv. „Das Rebellische ist völlig legitim.“ Auch inhaltlich hätten sie natürlich Recht, denn bei der Klimapolitik bestehe großer Handlungsbedarf. Bei dem Thema müsse man vor allem aus der Kleinstaaterei herauskommen. Deutschland und Baden-Württemberg hätten eine Vorbildfunktion.

Dass sich mit dem neuen Job sein Aktionskreis deutlich erweitert hat und nicht mehr nur zwischen Lobenrot und Aichschieß reicht, sieht Fink als spannende Herausforderung. Und er schätzt es, dass er und seine Familie ihr soziales Umfeld dafür nicht verlassen mussten. Nur eines fehlt ihm: Selbst Sitzungen zu leiten und eine Richtung vorzugeben, wie zwölf Jahre lang als Bürgermeister in Aichwald. Im Landtag muss er sich erst einmal bewähren – und auch die nächste Wahl bestehen. Im März 2021 werden im baden-württembergischen Landtag die Karten neu gemischt. Fink ist bewusst, dass die Wahl für ihn kein Selbstläufer ist. Natürlich sei es ein Wagnis gewesen, sein sicheres Bürgermeisteramt aufzugeben und damit seine kommunapolitische Komfortzone zu verlassen, sagt der 42-jährige Sozialdemokrat ohne Umschweife. Aber die reizvolle Aufgabe als Landtagsabgeordneter sei ihm das Risiko allemal wert.