Quelle: Unbekannt

Gut 600 Kilometer wollen die beiden Extrem-Radler Dietmar Kuntz (Lichtenwald) und Andreas Hahn (Ostfildern) beim 24-Stunden-Rennen im niederbayerischen Kelheim schaffen.

Lichtenwald/OstfildernEinen kompletten Tag lang Radfahren, fast ohne Pause. Und das Ganze in einem Tempo, das Normalsportler kaum eine Stunde halten können. Dieser Herausforderung stellen sich die beiden Extremradler Dietmar Kuntz und Andreas Hahn nicht zum ersten Mal. Beim 24-Stunden-Rennen im niederbayerischen Kelheim geht es den beiden aber nicht nur ums Durchhalten. Ihr ambitioniertes Ziel: am 13./14. Juli bei der 23. Auflage des in Sportlerkreisen legendären Wettbewerbs fünf Runden und damit 82 Kilometer mehr schaffen als bei ihrer Premiere 2018. „Ich hoffe, wir können das wie geplant durchziehen“, sagt Kuntz. „Aber das Wetter muss natürlich mitspielen. Wenn es regnet, kannst du es vergessen.“

Der 52-jährige Lichtenwalder klingt sehr entschlossen, wenn er vom nächsten gemeinsamen Ziel erzählt. Mit seinem vier Jahre älteren Sportskameraden Andreas Hahn hat er sich schon durch viele Ultra-Wettbewerbe durchgekämpft. 2008 hatten sich die beiden kennengelernt, beim „Albextrem“, das wegen seiner vielen Steigungen – bis zu 6000 Höhenmeter bei 300 Kilometern – zu den härtesten Rennen überhaupt zählt. Seither haben sie schon viele Trainingseinheiten miteinander absolviert und so manchen Wettbewerb mit gewaltigen Distanzen durchgestanden. Unter anderem das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring, der normalerweise Motorsportlern vorbehalten ist. „Da haben wir vor zwei Jahren 445 Kilometer geschafft“, berichtet Hahn. Auf der Nordschleife des Nürburgrings mit dem Rennrad Runde um Runde (jeweils 25,8 Kilometer) zu drehen, gehört in der Szene zu den ganz speziellen Herausforderungen. Unter anderem weil auf der Strecke eine mörderische Steigung von 17 Prozent zu bewältigen ist. „Die letzten zwei Runden haben wir da geschoben“, berichtet der 56-Jährige.

Ist einer, der solche Strapazen auf sich nimmt, nicht ein bisschen verrückt? Bei dieser Frage grinsen sich die beiden nur an. „Irgendwie schon“, sagt Kuntz. „Aber unter den Verrückten sind wir noch Normale.“ Ausdauersport gehört schon seit vielen Jahren zum Leben des zweifachen Familienvaters. 1995 qualifizierte er sich mit einer Endzeit von 9:33 Stunden beim Ironman in Roth für Hawaii, wo er dann mit 11:11 Stunden als 40. in der Hauptklasse durchs Ziel lief. Aber die Triathlon-Zeiten sind für ihn vorbei. Wann immer es möglich ist, schwingt sich der 52-Jährige heute auf seinen Carbon-Renner und schrubbt Kilometer. Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer leicht. Zumal er als Techniker für einen Fernleitungsnetzbetreiber für Erdgas im Drei-Schicht-Betrieb arbeitet. Aber irgendwie schafft er es doch, im Jahr um die 10 000 Kilometer zu kurbeln. Was dann noch an Freizeit übrig bleibt, verbringt das Energiebündel im Fitness-Studio oder auf dem Tanzparkett. „Meine Frau und ich lieben vor allem Wiener Walzer“, verrät Kuntz.

Mit 95 Kilo bringt der Lichtenwalder für einen Ausdauersportler ein staatliches Gewicht auf die Waage. Aber genau daraus speist sich eine unbändige Ausdauerkraft, die er gerade bei den langen Distanzen braucht. So ein gestählter Körper benötigt natürlich in den heißen Trainings- und Wettkampfzeiten Unmengen von Nahrung. „Dietmar putzt schon mal 400 Gramm Spaghetti oder zwei Tafeln Schokolade weg“, erzählt Andreas. In der Gastwirtschaft bestelle er oft zwei Portionen. Während Dietmar aber auch auf sein Gewicht achten muss, kann Andreas futtern, was er will, und legt nicht zu. Er ist 30 Kilo leichter als sein Partner, aber auch deutlich kleiner. „Wir sind fast wie Dick und Doof“, sagt Dietmar. Allein schon durch die Statur ist die Rollenverteilung klar: Dietmar ist als Drücker und Roller der Mann für ebene Strecken, Andreas klettert als Bergziege deutlich besser die Steigungen hoch. Aber jeder kennt die Stärken und Schwächen des anderen und stellt sich beim Fahren auch darauf ein – ohne große Worte. „Wir sind da wie ein altes Ehepaar“, sagt Hahn.

Der Scharnhausener, der als Nachrichtigentechniker bei der selben Firma wie Kuntz arbeitet, war früher Mountainbiker. Sich durchzubeißen, hat er bei vielen Extrem-Wettbewerben gelernt. Allein viermal hat er die Salzkammergut Trophy erfolgreich absolviert, ein Rennen über 210 Kilometern und mit 7200 Höhenmetern. 30 bis 50 Prozent der Starter geben regelmäßig bei diesem Wettbewerb auf. „Da geht es nur drum zu überleben“, erzählt der 56-Jährige von den Strapazen. Wenn er mal nicht mit dem Rad unterwegs ist, schnürt Hahn seine Laufschuhe oder er geht zum Klettern.

Ihren Start beim 24-Stunden-Rennen von Kelheim haben die beiden minutiös durchgeplant. 2018 haben sie den 16,4 Kilometer langen Rundkurs von Kelheim 32 Mal absolviert. Diesmal wollen sie fünf Runden mehr schaffen. Alles ist durchgetaktet, auch ein paar kleinere Pausen soll es geben. Maximal 75 Minuten Erholung wollen sie sich gönnen. Sogar einen Helfer haben sie diesmal dabei, der nicht nur über die Einhaltung des Fahrplans wacht, sondern auch beim Trikotwechsel hilft. Motiviert sind die beiden bis in die Haarspitzen. „Der Gedanke an das Rennen elektrisiert uns.“