Eltern brauchen Kinderbetre Foto: Archivfoto: Peter Stotz - Archivfoto: Peter Stotz

In Ostfildern gehen die Eltern auf die Straße, in Esslingen schreiben sie Briefe, in Plochingen suchen sie über Facebook Leidensgefährten. Es kriselt in der Kinderbetreuung.

Kreis Esslingen Es rappelt gehörig in der Kiste. Die Kinderbetreuung ist nach wie vor ein schwieriges Feld. Das hat sich in den vergangenen Monaten gleich in mehreren Kommunen im Kreis Esslingen gezeigt: Kritik an der viel zu späten und für viele Eltern nicht transparenten Vergabe der Kitaplätze – Beispiel Esslingen. Teilweise schlecht bezahlte Erzieherinnen und keine Verlässlichkeit – Beispiel Scharnhauser Park. Oder eine so rasch wachsende Kinderzahl, dass die Stadt mit dem Bauen neuer Einrichtungen hinterherhinkt – Beispiel Plochingen. Zugleich kämpfen die Kommunen und freien Träger um die viel zu wenigen Erzieherinnen und Erzieher. Und mit dem Betreuungsschlüssel. Vor allem aber fürchten sie die vom Land beabsichtigte Gesetzesänderung, den Stichtag zur Einschulung vorzuverlegen. Sie erhöhen die Gebühren, um eine größere Kostendeckung zu erreichen – doch viele Eltern fühlen sich ohnehin schon zu massiv zur Kasse gebeten.

Im Scharnhauser Park in Ostfildern hatte sich die Empörung der Eltern so aufgestaut, dass sie im Juni mit ihrem Nachwuchs, Trillerpfeifen und Plakaten vor dem Stadthaus demonstriert haben. In der Kita Minimax 4 im Scharnhauser Park, betrieben von dem Münchner Unternehmen Denk Mit GmbH, waren die Öffnungszeiten offenbar „zum Glücksspiel“ geworden, wie sich ein Vater ausdrückte. Sie seien massiv verkürzt worden. Teils seien Eltern morgens mit ihren Kindern abgewiesen worden. Schuld: die desolate Personalsituation – ein Durchlauf von 24 Erzieherinnen in 18 Monaten. Eine Erzieherin berichtete, dass viele ihrer Kolleginnen wegen der schlechten Bezahlung aufgehört hätten. Der Träger vergüte nicht nach Tarif, sondern leistungsorientiert nach einem Punktesystem. Der wiederum behauptet, dass es in keiner seiner anderen Einrichtungen – allein in Ostfildern sind es drei weitere – deshalb bislang Probleme gegeben habe. Vorläufiges Ergebnis: Die Minimax GmbH wird die Trägerschaft der Kita, in der 50 Kinder betreut werden, zum 1. September an die Seepferdchen GmbH abgeben, die bereits sechs Krippengruppen in Ostfildern führt.

Der permanente Wechsel beim Krippenpersonal hat auch Eltern der Kitakinder „Parkspielerei“, ebenfalls im Scharnhauser Park, im Juni verunsichert. Unter der Trägerschaft der Stadt Ostfildern und der Diözese Rottenburg-Stuttgart spielten dort zehn Kinder im Krippenalter und 45 Kindergartenkinder. Im Frühjahr sei es zu verkürzten Öffnungszeiten gekommen, man habe sich gegenseitig mit der Betreuung der Kinder aushelfen müssen. Mittlerweile hat die Stadt die Kita ganz übernommen. In beiden Fällen kommt jedoch auch die Stadtverwaltung bei den Eltern nicht gut weg. Man habe sich mit den Problemen alleine gelassen gefühlt, die Personalentscheidungen der Stadt seien nicht immer nachvollziehbar gewesen, heißt es aus Elternkreisen der Einrichtungen.

Kritikpunkte, mit denen auch das Esslinger Rathaus immer wieder konfrontiert wurde. Zuletzt massiv. Dabei hatte sich die Stadt viel Mühe gegeben, gemeinsam mit Elternvertretern, den Kitaleitungen und den zuständigen Rathausmitarbeitern ein neues, transparentes Verfahren für die Anmeldung in den Kindertageseinrichtungen zu entwickeln. Dennoch hakte es an allen Ecken und Enden. Eltern beklagten sich, dass sie nicht über die Änderungen informiert worden seien, dass die Plätze viel zu spät vergeben wurden oder dass sie gar keinen Platz bekommen hatten. „Sieben Wochen nach der Geburt muss man dem Arbeitgeber mitteilen, wann die Elternzeit endet und dann muss man sich darauf verlassen, dass die Stadt ihrer Verpflichtung nachkommt, einen Platz bereitzustellen. Monate der Ungewissheit und der Ängste begleiten einen somit das erste Jahr, um dann die niederschmetternde Nachricht zu erhalten, dass man keinen Platz bekommt“, so eine frustrierte Mutter. Die Verwaltung räumte Schwierigkeiten bei der Umstellung auf das neue Verfahren ein, sprach von einer Verkettung unglücklicher Umstände. Bittere Tatsache ist aber vor allem, dass es aufgrund steigender Kinderzahlen und dem Fachkräftemangel in der Kreisstadt zu wenig Betreuungsplätze gibt. In der Ulrichstraße in Berkheim habe man beispielsweise eine halbe Gruppe nicht belegen können, weil das Personal dazu fehle, erläuterte Bernd Berroth, Leiter des Amts für Bildung, Erziehung und Betreuung. Man baue Einrichtungen – und könne nicht an den Start gehen. Große Sorgen bereitet ihm auch die Petition, die beim Landtag eingereicht wurde, um den Stichtag für das Einschulungsalter vom 30. September auf den 30. Juni vorzuverlegen. Eltern müssten dann künftig auch keinen Antrag auf Rückstellung für ihr Kind mehr einreichen, sondern könnten selber entscheiden, wann sie es für schulreif halten. Für Esslingen hieße das, dass im Kindergartenjahr 2020/21 möglicherweise 131 Kinder nicht in die erste Klasse gehen, sondern weiterhin ihren Kitaplatz beanspruchen würden. Berroth: „Da entlastet das Land seine Grundschulen und deren problematische Lehrerversorgung auf dem Rücken der Kommunen und der Kita-Eltern. Das halte ich für unverantwortlich.“

„Was Bernd Berroth sagt, trifft für alle Kommunen zu“, meint der Plochinger Bürgermeister Frank Buß. In der Stadt am Neckarknie suchten im Frühsommer Eltern, die keinen Kindergartenplatz bekommen hatten, über Facebook Leidensgefährten. Schuld am Mangel seien unerwartet viele Geburten und steigender Zuwachs von außen, erklärt Buß. Zudem binde die Nachfrage nach Ganztagsplätzen Personal. „Wir werden im nächsten Jahr unsere Aufnahmeverpflichtungen erfüllen können“, hofft der Bürgermeister – sofern sich Personal für das neue Kinderhaus Johanniterpark findet, das Anfang 2020 in Betrieb geht. „Aber bis Ende Dezember werden wir überbrücken müssen.“ Das Infobüro Kindergarten sei täglich im Gespräch mit Eltern. Buß verweist auf die hohen Standards für die Kinderbetreuung im Land. Es würde den Kommunen schon helfen, wenn man den Betreuungsschlüssel zumindest zum Ende des Kindergartenjahrs um einen Platz senken könnte – was auch die kommunalen Spitzenverbände forderten. „Damit wären in Plochingen 28 Plätze gewonnen, ohne dass wir einen großen Qualitätsverlust in der Betreuung hinnehmen müssten.“ 2020 wird jeder vierte Euro im Plochinger Haushalt für die Kinderbetreuung ausgeben, das Defizit in der Stadtkasse wächst und wächst – doch das dürfte die betroffenen Eltern nicht interessieren. Rechtsanspruch ist schließlich Rechtsanspruch.