Simon Ntamwana hofft auf die Jugend und die Kraft der Versöhnung. Foto: Dietrich - Dietrich

Der Erzbischof Ntamwana erzählt Realschülern vom Völkermord in Burundi – und fordert Versöhnung statt Rache.

PlochingenVier Schulklassen sind mucksmäuschenstill und lauschen, als Erzbischof Simon Ntamwana vom Leben und dem Völkermord in seinem Heimatland Burundi berichtet. Seine Lesereise führt ihn nicht nur nach Köln, Frankfurt, München und Hamburg. Er war auch zu Gast in Hochdorf und in der Realschule Plochingen. Es ist sein einziger Schulbesuch in Deutschland und Ntamwana fühlt sich spürbar wohl. Er ist beeindruckt vom freundlichen Empfang durch die Schüler: „Wenn wir nicht in der Schule bessere Menschen haben, werden wir sie nirgends haben“, betont er.

„Ich bin froh, mit der Jugend zusammen zu sein, mit der Zukunft“, sagt der Erzbischof in makellosem Deutsch. Er dankt den Schülern für ihre Spende: Vom Erlös ihres Sponsorenlaufs im vergangenen Sommer hatten die Realschüler 500 Euro für Schüler in Burundi gespendet. Den Besuch des Erzbischofs in der Schule hatte der Kolping-Bezirksvorsitzende Uwe Schorsch vermittelt. Simon Ntamwana nutzt die Gelegenheit, um für weitere Unterstützung zu werben: „Ich hoffe, dass ihr morgen noch mehr tun könnt, noch mehr Solidarität zeigen.“

Eineinhalb Stunden Schulweg ohne Schuhe

„Wie seid ihr heute Morgen zur Schule gekommen?“, fragt Ludwig Kamm, katholischer Pfarrer im Ruhestand und Burundikenner. „In Burundi laufen die meisten Schüler eine oder eineinhalb Stunden zur Schule.“ Die meisten kämen barfuß, aber immer in Schuluniform. Die Klassengröße liegt bei 60 bis 80 Schülern, Schulbücher gibt es fast nicht. „Was habt ihr gefrühstückt?“ „Eine Banane.“ „Das könnte ein burundisches Frühstück sein.“ „Und du?“ „Nichts.“ „Auch das könnte ein burundisches Frühstück sein. Es gibt dort eine Mahlzeit am Tag, wenn es gut geht.“

Es gibt im Land kaum Arbeitsplätze, keine Industrie, die meisten leben von der Landwirtschaft. „Das einzige Werkzeug ist die Hacke. Transportiert wird mit dem Fahrrad oder auf dem Kopf.“ Burundi ist ein Binnenland, ohne Anschluss zum Meer. „Jeder Tropfen Benzin hat eine 1800-Kilometer-Reise im Tankwagen hinter sich“, erzählt Ludwig Kamm. „Solange der Krieg unter den Menschen herrscht“, sagt Simon Ntamwana, könne man nichts tun gegen die bittere Armut. „50 Jahre lang hat Burundi nicht im Frieden gelebt, das hat Burundi getötet.“ Der Erzbischof liest aus dem neuen Buch, das Angela Krumpen über seinen Einsatz für Versöhnung geschrieben hat. Manche Passagen sind wegen des Hasses und der Gewalt kaum auszuhalten. Eine Frau berichtet, wie Gewalttäter aus einem verfeindeten Volksstamm ihr Baby wegnahmen, es den Schweinen zum Fraß vorwarfen und sie zum Zuschauen zwangen. „Ich konnte mein Kind nicht beerdigen, es war nichts von ihm übrig.“

Versöhnung - selbst mit dem Mörder des eigenen Vaters

Simon Ntamwana ist selbst ein Opfer der Gewalt. Er fand heraus, wer der Mörder seines Vaters war. Nach einigen Monaten Bedenkzeit und innerlicher Vorbereitung lud er ihn zu sich ins Pfarrbüro: „Ich habe gehört, dass du meinen Vater getötet hast.“ Es folgte eine Viertelstunde betretenes Schweigen. Ntamwana geht es nicht um Rache, sondern um Versöhnung. Er lernte, mit der Familie des Täters umzugehen, auch mit dem Getuschel in der Gemeinde. „Die Versöhnung tat mir gut. Sie ist das richtige Medikament.“ Das Opfer solle den ersten Schritt tun, sagt er: „Es hat mehr Kraft, das Böse zu überwinden.“ Der Weg zur Versöhnung sei schwierig. „Aber wir müssen diesen Weg gehen.“ Nie solle die Hoffnung sterben: „Auch wenn ich weiß, dass es in Burundi nicht gut geht, muss ich doch hoffen, dass wir morgen einen besseren Tag erleben werden.“

Was die Botschaft von Versöhnung bewirken kann, berichtete Uwe Schorsch: Vor knapp zwei Wochen beim Burundi-Treffen habe jemand das Buch gekauft. Danach, so habe er erfahren, habe dieser Leser umgehend mit allen Menschen Kontakt aufgenommen, mit denen er „noch eine Rechnung offen“ hatte. Um sich zu versöhnen.

Angela Krumpen: Nur Versöhnung kann uns retten. Der furchtlose Einsatz von Erzbischof Simon Ntamwana für Frieden in Burundi, Adeo Verlag, 208 Seiten, 18 Euro.

Das Buch über den Erzbischof “Nur Versöhnung kann uns retten” ist im Weltladen Hochdorf, Kirchstr. 16 freitags von 15:00 – 18:00 Uhr und samstags von 9:00 – 12:30 Uhr zum Preis von 18,00 € erhältlich. Es kann auch per Email an weltladen.hochdorf@gmail.com mit einem Aufpreis von 2,50 € für Porto und Verpackung bestellt werden. Spenden für das Versöhnungswerk des Erzbischofs können auf DE34 6119 1310 0843 0180 03 Weltladen Hochdorf überwiesen werden. Auf Wunsch wird eine steuerlich absetzbare Spendenquittung aus gestellt.