Der Blick in Joseph Khourys Theke ist für Leute, die die syrische Küche nicht kennen, recht ungewohnt: Man sieht eine große Auswahl an verschiedenen Hummus-Sorten, dicke Bohnen und gerollte Auberginen. „Wir machen hier alles selbst, die Falafel, den Hummus“, berichtet Khoury stolz. Der ehemalige Chemielaborleiter aus Aleppo ist Ende April 2014 nach Deutschland geflüchtet und heute Besitzer des Feinkostimbiss „Beituti“in der Markthalle im Scharnhauser Park.
Joseph Khoury wirkt mit sich selbst zufrieden, ausgeglichen und hat stets ein Lächeln auf den Lippen. Dafür, dass er erst drei Jahre in Deutschland lebt, spricht er sehr gut deutsch und hat sich einen großen Wortschatz angeeignet. „Beituti ist syrisch und bedeutet hausgemacht“, erklärt er. Seine Frau arbeitet mit in der Küche und kocht so wie zu Hause - daher auch der Slogan „Bei Beituti schmeckt‘s wie bei Mutti.“ Khoury verkauft syrisches Essen sowie Feinkost in seinem Imbiss. „Typisch syrisch ist der Hummus, der aus Kirchererbsen und Tahina besteht. Tahina ist gemahlener Sesam, gemischt mit Sesamöl“, erklärt er. In seiner Heimat werde auch viel mit Aubergine, Zucchini und Rote Beete gekocht. Die Falafel in seinen Wraps und Burgern wird ebenfalls aus Kichererbsen gewonnen und mit syrischen Gewürzen verfeinert.
Sein Team besteht aus Chefkoch Adnan Alrajab, Mitarbeiterin Maria Dannecker und aus Khourys Frau Maya Beylaune. Er selbst kümmert sich um die Geschäftsführung sowie um den Einkauf der Zutaten. Seine beiden Kinder Roland und Milena helfen so oft sie können im Imbiss mit.
Anderthalb Jahre ohne die Familie
Ende April 2014 flüchtete Khoury ohne seine Familie aus Syrien. Von da an musste er fast anderthalb Jahre lang auf seine Frau und seine beiden Kinder verzichten. „Zu fliehen war ganz allein meine Entscheidung“, erzählt Khoury. „Ich dachte: Entweder ich sterbe in Syrien oder auf dem Weg nach Europa. Aber wenn ich nicht sterbe, dann kann ich meine Familie retten.“ Für seine Frau und die Kinder war es ebenfalls nicht leicht, den Ehemann und Vater gehen zu lassen. „Meine Frau hatte zwar Angst, sie wollte aber eine Lösung finden. Sie wusste, dass wir das Risiko eingehen mussten.“ So brach Khoury nur mit den Klamotten am Leib, seinem Personalausweis und ein bisschen Geld zunächst nach Istanbul auf. Von dort aus überquerte er in einem gerade einmal elf Meter langen Luftboot mit 44 Leuten das Mittelmeer nach Griechenland. „Es war extrem eng, ich konnte mich keinen Millimeter bewegen. Ich musste mich im Boot zusammenkauern und auf meinen Füßen saßen Leute“, erinnert er sich. Nach zwei Stunden Überfahrt erreichte er Griechenland. Es ging weiter nach Athen, Mailand, München. Er war in etlichen Flüchtlingsheimen untergekommen, in Karlsruhe, in Mannheim. Im Flüchtlingsheim in Ruit hat er seinen jetzigen Chefkoch Adnan Aljarab kennengelernt. Er hatte in Syrien als Koch gearbeitet und Khoury auf die Idee gebracht, einen Imbiss mit syrischen Spezialitäten zu eröffnen. „Früher habe ich als Chemielaborleiter Edelmetalle getestet. Ich hätte mir auch vorstellen können, weiterhin in der Chemiebranche zu arbeiten. Doch ich bin nicht mehr der Jüngste und es gab viele junge Flüchtlinge, die sehr gute Zeugnisse hatten“, erklärt er seine Entscheidung.
Als Khoury nach anderthalb Jahren die Aufenthaltserlaubnis bekommen hatte, konnte er seine Familie Ende August 2015 zu sich holen. Als er seine Frau und die Kinder dann am Stuttgarter Flughafen wieder in die Arme nehmen durfte, fiel ihm ein großer Stein vom Herzen. „Was ich gefühlt habe, das kann man nicht in Worte fassen“, erinnert er sich und muss dabei kurz schlucken.
Da fehlte nur die Eröffnung seines Imbiss. „Meine Frau hatte in einer Frauengruppe, die sich wöchentlich trifft, Sybil Schatz kennengelernt. Die ehemalige Apothekerin hat uns dabei geholfen“, sagt Khoury. Und sie hatten Glück: In der Markthalle im Scharnhauser Park war noch eine Fläche frei und sie bekamen die Zusage dafür. „Wir hatten noch das Problem, wie wir das finanzieren“, so Khoury. Er fragte mehrere Banken an und die Kreissparkasse Esslingen- Nürtingen gab der Familie dann ein Darlehen. Vor Kurzem erhielt er für seinen Imbiss als erster Geflüchteter einen Sonderpreis der KSK.
Seitdem ist Khoury Imbissbesitzer und fühlt sich so wohl wie in seiner Heimat. Er hat in Deutschland schnell Fuß gefasst. „Hin und wieder träume ich nachts von Syrien, manchmal habe ich auch Albträume. Aber sie werden immer weniger.“Auch seine Kinder finden sich hier gut zurecht. Seine 17-jährige Tochter wiederholt die zehnte Klasse und möchte dann das Abitur machen. Der 22-jährige Sohn studiert Luft- und Raumfahrttechnik an der Uni Stuttgart.
Khoury sieht nach all den Strapazen nach vorne: Er ist ein tüchtiger Geschäftsmann und denkt viel an seinen Feinkostimbiss und was er noch verbessern kann. „Ich möchte mein Angebot noch mehr auf das vegane und vegetarische Essen ausrichten. Zum Einen ist das zurzeit Trend, zum anderen möchte ich die Menschen motivieren, sich gesünder zu ernähren.“