Das Kochen mit traditionsreichen Gemüsesorten oder Feldfrüchten gehört zum neuen Konzept. Bislang gibt es dafür nur die Küche im ehemaligen Rathaus Häslach. Geplant ist eine Schauküche.Archiv Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Das Freilichtmuseum erweitert seinen Bildungsauftrag: Es wird in den nächsten Jahren ein „Erlebnis- und Genusszentrum“ für alte Sorten einrichten. Es soll Museumsbesucher dazu animieren, traditionsreiche Feldfrüchte, Gemüse- und Obstsorten wieder im Alltag zu gebrauchen. Zudem soll der neue Bereich eine Plattform für Fachleute bilden. Der Landkreis steckt nächstes Jahr 150 000 Euro in das Projekt, die Region Stuttgart steuert 75 000 Euro bei.

Von Roland Kurz

Alblinsen und Amarant werden auf den Museumsäckern bereits angebaut. Auch an der Renaissance der Albschnecken beteiligt sich das Museum. Und mit 600 Streuobstbäumen macht es die Sortenvielfalt sichtbar. Dazu kommen Veranstaltungen wie der Markt „Arche des Geschmacks“, das Mostfest und der Frühlingsmarkt. So betrachtet ist das Freilichtmuseum des Landkreises ein idealer Ort für ein Kompetenzzentrum, das regionale Produkte erlebbar macht. „Wenn nicht hier, wo dann?“, rief Alexander Seiz gestern im Kultur- und Schulausschuss des Kreistags aus. Seine Agentur Kohl & Partner hat die Handlungsempfehlungen für das Projekt mit ausgearbeitet.

Zentrum soll ein „Haus der Sortenvielfalt“ sein, das eine Dauerpräsentation zeigt, die Verkostung ermöglicht und als Aktionsbereich eine Schauküche bietet. Um dieses Haus herum wird das Museum ein Programm stricken, in das die Museumsgastronomie und die Themenmärkte eingebunden sind. Unklar ist noch, wie groß das Sorten-Haus wird. Wird dafür die Gärtinger Scheune genutzt, die bislang die jährlichen Ausstellungen beherbergt? Wird ein eingelagertes Haus zu diesem Zweck früher als geplant aufgebaut? Letzteres kann sich Landrat Heinz Eininger nur vorstellen, wenn der Förderverein einiges dazu beisteuert und weitere Drittmittel locker gemacht werden. „Der überwiegende Teil des Geldes muss von außen kommen“, betonte Eininger gestern.

Erste Elemente des Genusszentrums sollen aber schon im Programm der Saison 2017 eingebaut werden. Das Jahresmotto lautet bereits „Alte Sorten“. Museumsleiterin Steffi Cornelius hat auch schon Partner an der Hand, die mitmachen, zum Beispiel das Nürtinger „Genbänkle“ und die Obst- und Gartenbauvereine. Der neue Schwerpunkt sei nur mit vielen Partnern zu stemmen, sagte Cornelius. Sorgen muss sie sich da nicht machen. 25 Organisationen, vom Alblinsen-Verein über ein Bempflinger Bäckerhaus und die Nürtinger Hochschule bis zum Verein Slow Food Stuttgart folgten dem ersten Aufruf zur Beteiligung. Und in den drei Vorbereitungs-Workshops der Agentur Kohl wuchs die Teilnehmerzahl weiter. „Sonst schrumpft das Interesse immer“, sagte Seiz.

Für Museumsleiterin Cornelius soll trotz des wohlklingenden Namens „Erlebnis- und Genusszentrum“ nicht der Event-Charakter im Vordergrund stehen, sondern der Bildungsauftrag. Die Besucher sollen lernen, warum es wichtig ist, alte Sorten zu erhalten, und erfahren, wie schwierig es ist, eine alte Sorte wiederzubeleben. Sie sollen ihre Erkennnisse möglichst im Alltag umsetzen, also beim Einkauf, in der Küche, im Garten. Sie sei sehr froh, sagte Cornelius, von der Hochschule Nürtingen unterstützt zu werden.

Die Akzentuierung auf die Bildung lobte Kreisrat Martin Klein (Freie Wähler). Walter Bauer (SPD) regte an, die Gastronomie im Landkreis für diese Idee zu begeistern. Wolfgang Haug (FDP) ging mit praktischem Beispiel voran und überreichte an Alexander Seiz einen Kopf Filderspitzkraut - mit der Bitte, künftig auf die Silbe „spitz“ Wert zu legen. Rundkohl gebe es auf der ganzen Welt. Ursula Strauß (Grüne), selbst Gärtnerin, konnte sich noch nicht so recht vorstellen, wie der Beitrag „Urban Gardening“, also Gärtnern in der Stadt, auf dem Museumsgelände verwirklicht werden soll.

Im Programm 2017 stehen schon erste Veranstaltungen unter dem neuen Schwerpunkt fest, etwa der Garten-Genuss-Markt im Mai. Auch erste Fachveranstaltungen sollen stattfinden und sogar der erste Teil der Dauerpräsentation. Die Basis dazu hat der Nürtinger Professor Jan Sneyd gelegt, der auf einem Museumsfeld bereits Dickkopfweizen anpflanzt.